mit jungen Eichen gekrönt; wo die schlanken Dreiborde wie schlaue Eidexen durch die reißende Fluth am Mäu- sethurm vorbeischießen. Da stehst Du und siehst, wie der helle Himmel über grünenden Rebhügeln aus dem Wasserspiegel herauflacht, und Dich selbst auf deinem kecken, eigensinnigen, basaltnen Ehrenfels inmitten ab- gemalt, in ernste, schaurig umfassende Felshöhen, und hartnäckige Vorsprünge eingerahmt; da betrachte Dir die Mündungen der Thale, die mit ihren friedlichen Klöstern zwischen wallenden Saaten aus blauer Ferne hervorgrünen, und die Jagdreviere und hängenden Gär- ten, die von einer Burg zur andern sich schwingen, und das Geschmeide der Städte und Dörfer, das die Ufer schmückt.
O Weimar, O Karlsbad, entlaßt mir den Freund! Schließ' dein Schreibpult zu und komm' hier her lieber, als nach Carlsbad; das ist ja ein Kleines, daß Du den Postillion sagst: links statt rechts; ich weiß was Du be- darfst, ich mache Dir dein Zimmer zurecht neben Mei- nem, das Eckzimmer, mit dem einen Fenster den Rhein hinunter, und dem andern hinüber; ein Tisch, ein Sessel, ein Bett und ein dunkler Vorhang, daß die Sonne Dir nicht zu früh herein scheint. Muß es denn immer auf
mit jungen Eichen gekrönt; wo die ſchlanken Dreiborde wie ſchlaue Eidexen durch die reißende Fluth am Mäu- ſethurm vorbeiſchießen. Da ſtehſt Du und ſiehſt, wie der helle Himmel über grünenden Rebhügeln aus dem Waſſerſpiegel herauflacht, und Dich ſelbſt auf deinem kecken, eigenſinnigen, baſaltnen Ehrenfels inmitten ab- gemalt, in ernſte, ſchaurig umfaſſende Felshöhen, und hartnäckige Vorſprünge eingerahmt; da betrachte Dir die Mündungen der Thale, die mit ihren friedlichen Klöſtern zwiſchen wallenden Saaten aus blauer Ferne hervorgrünen, und die Jagdreviere und hängenden Gär- ten, die von einer Burg zur andern ſich ſchwingen, und das Geſchmeide der Städte und Dörfer, das die Ufer ſchmückt.
O Weimar, O Karlsbad, entlaßt mir den Freund! Schließ' dein Schreibpult zu und komm' hier her lieber, als nach Carlsbad; das iſt ja ein Kleines, daß Du den Poſtillion ſagſt: links ſtatt rechts; ich weiß was Du be- darfſt, ich mache Dir dein Zimmer zurecht neben Mei- nem, das Eckzimmer, mit dem einen Fenſter den Rhein hinunter, und dem andern hinüber; ein Tiſch, ein Seſſel, ein Bett und ein dunkler Vorhang, daß die Sonne Dir nicht zu früh herein ſcheint. Muß es denn immer auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0268"n="236"/>
mit jungen Eichen gekrönt; wo die ſchlanken Dreiborde<lb/>
wie ſchlaue Eidexen durch die reißende Fluth am Mäu-<lb/>ſethurm vorbeiſchießen. Da ſtehſt Du und ſiehſt, wie<lb/>
der helle Himmel über grünenden Rebhügeln aus dem<lb/>
Waſſerſpiegel herauflacht, und Dich ſelbſt auf deinem<lb/>
kecken, eigenſinnigen, baſaltnen Ehrenfels inmitten ab-<lb/>
gemalt, in ernſte, ſchaurig umfaſſende Felshöhen, und<lb/>
hartnäckige Vorſprünge eingerahmt; da betrachte Dir<lb/>
die Mündungen der Thale, die mit ihren friedlichen<lb/>
Klöſtern zwiſchen wallenden Saaten aus blauer Ferne<lb/>
hervorgrünen, und die Jagdreviere und hängenden Gär-<lb/>
ten, die von einer Burg zur andern ſich ſchwingen, und<lb/>
das Geſchmeide der Städte und Dörfer, das die Ufer<lb/>ſchmückt.</p><lb/><p>O Weimar, O Karlsbad, entlaßt mir den Freund!<lb/>
Schließ' dein Schreibpult zu und komm' hier her lieber,<lb/>
als nach Carlsbad; das iſt ja ein Kleines, daß Du den<lb/>
Poſtillion ſagſt: links ſtatt rechts; ich weiß was Du be-<lb/>
darfſt, ich mache Dir dein Zimmer zurecht neben Mei-<lb/>
nem, das Eckzimmer, mit dem einen Fenſter den Rhein<lb/>
hinunter, und dem andern hinüber; ein Tiſch, ein Seſſel,<lb/>
ein Bett <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> ein dunkler Vorhang, daß die Sonne Dir<lb/>
nicht zu früh herein ſcheint. Muß es denn immer auf<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[236/0268]
mit jungen Eichen gekrönt; wo die ſchlanken Dreiborde
wie ſchlaue Eidexen durch die reißende Fluth am Mäu-
ſethurm vorbeiſchießen. Da ſtehſt Du und ſiehſt, wie
der helle Himmel über grünenden Rebhügeln aus dem
Waſſerſpiegel herauflacht, und Dich ſelbſt auf deinem
kecken, eigenſinnigen, baſaltnen Ehrenfels inmitten ab-
gemalt, in ernſte, ſchaurig umfaſſende Felshöhen, und
hartnäckige Vorſprünge eingerahmt; da betrachte Dir
die Mündungen der Thale, die mit ihren friedlichen
Klöſtern zwiſchen wallenden Saaten aus blauer Ferne
hervorgrünen, und die Jagdreviere und hängenden Gär-
ten, die von einer Burg zur andern ſich ſchwingen, und
das Geſchmeide der Städte und Dörfer, das die Ufer
ſchmückt.
O Weimar, O Karlsbad, entlaßt mir den Freund!
Schließ' dein Schreibpult zu und komm' hier her lieber,
als nach Carlsbad; das iſt ja ein Kleines, daß Du den
Poſtillion ſagſt: links ſtatt rechts; ich weiß was Du be-
darfſt, ich mache Dir dein Zimmer zurecht neben Mei-
nem, das Eckzimmer, mit dem einen Fenſter den Rhein
hinunter, und dem andern hinüber; ein Tiſch, ein Seſſel,
ein Bett und ein dunkler Vorhang, daß die Sonne Dir
nicht zu früh herein ſcheint. Muß es denn immer auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/268>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.