Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

ich dem ganzen Rhein hinunterschwimmen auf meinen
dünnen Rippen, so muß ich fort aus einem Ort, wo's
nichts zu lachen giebt und nichts zu seufzen. -- Ei, wo
möchtet Ihr denn hin? -- Da, wo ich am meisten aus-
gestanden habe, das war in Spanien; -- da möcht' ich
wieder sein, und wenn's noch einmal so hart herging'! --
Was hat Euch denn da so glücklich gemacht? -- Er
lachte und schwieg, -- wir landeten; ich bestellte ihn zu
mir, daß er sich ein Trinkgeld bei mir hole, weil ich
nichts bei mir hatte; er wollte aber nichts nehmen. Im
Nachhausegehen überlegte ich, wie mein Glück ganz von
Dir ausgeht; wenn Du nicht wärst, im langweiligen
Deutschland, so möcht' ich wahrhaftig auch auf meinen
dünnen Rippen den unendlichen Rhein hinabschwimmen.
Unsre Großmutter hat uns oft so erhabene Dinge gesagt
von Deutschlands großen Geistern, aber Du warst nicht
dabei, sonst hätt' ich mich vor Dir gehütet, und Du
wärst meiner Begeistrung verlustig gewesen. Im Ein-
schlafen fühlte ich mich noch immer gewiegt in süßer,
gedankloser Zerstreuung, und es war mir, als hab' ich
Dir große Dinge mitzutheilen, von denen ich glaubte,
ich dürfe nur wollen, so werde sie der Mund meiner
Gedanken aussprechen; jetzt aber, nach ausgeschlafnem
Traumleben, weiß ich nichts als mich deinem Andenken,

ich dem ganzen Rhein hinunterſchwimmen auf meinen
dünnen Rippen, ſo muß ich fort aus einem Ort, wo's
nichts zu lachen giebt und nichts zu ſeufzen. — Ei, wo
möchtet Ihr denn hin? — Da, wo ich am meiſten aus-
geſtanden habe, das war in Spanien; — da möcht' ich
wieder ſein, und wenn's noch einmal ſo hart herging'! —
Was hat Euch denn da ſo glücklich gemacht? — Er
lachte und ſchwieg, — wir landeten; ich beſtellte ihn zu
mir, daß er ſich ein Trinkgeld bei mir hole, weil ich
nichts bei mir hatte; er wollte aber nichts nehmen. Im
Nachhauſegehen überlegte ich, wie mein Glück ganz von
Dir ausgeht; wenn Du nicht wärſt, im langweiligen
Deutſchland, ſo möcht' ich wahrhaftig auch auf meinen
dünnen Rippen den unendlichen Rhein hinabſchwimmen.
Unſre Großmutter hat uns oft ſo erhabene Dinge geſagt
von Deutſchlands großen Geiſtern, aber Du warſt nicht
dabei, ſonſt hätt' ich mich vor Dir gehütet, und Du
wärſt meiner Begeiſtrung verluſtig geweſen. Im Ein-
ſchlafen fühlte ich mich noch immer gewiegt in ſüßer,
gedankloſer Zerſtreuung, und es war mir, als hab' ich
Dir große Dinge mitzutheilen, von denen ich glaubte,
ich dürfe nur wollen, ſo werde ſie der Mund meiner
Gedanken ausſprechen; jetzt aber, nach ausgeſchlafnem
Traumleben, weiß ich nichts als mich deinem Andenken,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0258" n="226"/>
ich dem ganzen Rhein hinunter&#x017F;chwimmen auf meinen<lb/>
dünnen Rippen, &#x017F;o muß ich fort aus einem Ort, wo's<lb/>
nichts zu lachen giebt und nichts zu &#x017F;eufzen. &#x2014; Ei, wo<lb/>
möchtet Ihr denn hin? &#x2014; Da, wo ich am mei&#x017F;ten aus-<lb/>
ge&#x017F;tanden habe, das war in Spanien; &#x2014; da möcht' ich<lb/>
wieder &#x017F;ein, und wenn's noch einmal &#x017F;o hart herging'! &#x2014;<lb/>
Was hat Euch denn da &#x017F;o glücklich gemacht? &#x2014; Er<lb/>
lachte und &#x017F;chwieg, &#x2014; wir landeten; ich be&#x017F;tellte ihn zu<lb/>
mir, daß er &#x017F;ich ein Trinkgeld bei mir hole, weil ich<lb/>
nichts bei mir hatte; er wollte aber nichts nehmen. Im<lb/>
Nachhau&#x017F;egehen überlegte ich, wie mein Glück ganz von<lb/>
Dir ausgeht; wenn Du nicht wär&#x017F;t, im langweiligen<lb/>
Deut&#x017F;chland, &#x017F;o möcht' ich wahrhaftig auch auf meinen<lb/>
dünnen Rippen den unendlichen Rhein hinab&#x017F;chwimmen.<lb/>
Un&#x017F;re Großmutter hat uns oft &#x017F;o erhabene Dinge ge&#x017F;agt<lb/>
von Deut&#x017F;chlands großen Gei&#x017F;tern, aber Du war&#x017F;t nicht<lb/>
dabei, &#x017F;on&#x017F;t hätt' ich mich vor Dir gehütet, und Du<lb/>
wär&#x017F;t meiner Begei&#x017F;trung verlu&#x017F;tig gewe&#x017F;en. Im Ein-<lb/>
&#x017F;chlafen fühlte ich mich noch immer gewiegt in &#x017F;üßer,<lb/>
gedanklo&#x017F;er Zer&#x017F;treuung, und es war mir, als hab' ich<lb/>
Dir große Dinge mitzutheilen, von denen ich glaubte,<lb/>
ich dürfe nur wollen, &#x017F;o werde &#x017F;ie der Mund meiner<lb/>
Gedanken aus&#x017F;prechen; jetzt aber, nach ausge&#x017F;chlafnem<lb/>
Traumleben, weiß ich nichts als mich deinem Andenken,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0258] ich dem ganzen Rhein hinunterſchwimmen auf meinen dünnen Rippen, ſo muß ich fort aus einem Ort, wo's nichts zu lachen giebt und nichts zu ſeufzen. — Ei, wo möchtet Ihr denn hin? — Da, wo ich am meiſten aus- geſtanden habe, das war in Spanien; — da möcht' ich wieder ſein, und wenn's noch einmal ſo hart herging'! — Was hat Euch denn da ſo glücklich gemacht? — Er lachte und ſchwieg, — wir landeten; ich beſtellte ihn zu mir, daß er ſich ein Trinkgeld bei mir hole, weil ich nichts bei mir hatte; er wollte aber nichts nehmen. Im Nachhauſegehen überlegte ich, wie mein Glück ganz von Dir ausgeht; wenn Du nicht wärſt, im langweiligen Deutſchland, ſo möcht' ich wahrhaftig auch auf meinen dünnen Rippen den unendlichen Rhein hinabſchwimmen. Unſre Großmutter hat uns oft ſo erhabene Dinge geſagt von Deutſchlands großen Geiſtern, aber Du warſt nicht dabei, ſonſt hätt' ich mich vor Dir gehütet, und Du wärſt meiner Begeiſtrung verluſtig geweſen. Im Ein- ſchlafen fühlte ich mich noch immer gewiegt in ſüßer, gedankloſer Zerſtreuung, und es war mir, als hab' ich Dir große Dinge mitzutheilen, von denen ich glaubte, ich dürfe nur wollen, ſo werde ſie der Mund meiner Gedanken ausſprechen; jetzt aber, nach ausgeſchlafnem Traumleben, weiß ich nichts als mich deinem Andenken,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/258
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/258>, abgerufen am 25.11.2024.