einen Specksalat mit Eierkuchen essen? Daraus schloß ich denn ganz richtig, daß Hans ein Prinz von Meck- lenburg sei; denn wer hätte die schöne Geschichte nicht von deiner Mutter gehört, wie auf der Kaiserkrönung die jetzige Königin von Preußen, damals als junges Prinzessinnenkind und ihr Bruder, der Frau Rath zu- sahen, wie sie ein solches Gericht zu speisen im Begriff war, und daß dies ihren Appetit so reizte, daß sie es beide verzehrten, ohne ein Blatt zu lassen. Auch dies- mal wurde die Geschichte mit vielem Genuß vorgetra- gen und noch manche andre, z. B. wie sie den Prinzes- sinnen den Genuß verschaffte, sich im Hof am Brunnen recht satt Wasser zu pumpen, und die Hofmeisterin durch alle mögliche Argumente abhält, die Prinzessinnen abzurufen, und endlich, da diese nicht darauf Rücksicht nimmt, Gewalt braucht und sie im Zimmer einschließt. Denn: sagte die Mutter, ich hätte mir eher den ärgsten Verdruß über den Hals kommen lassen, als daß man sie in dem unschuldigen Vergnügungen gestört hätte, das ihnen nirgend wo gegönnt war, als in meinem Haus; auch haben sie mir's beim Abschied gesagt, das sie nie vergessen würden, wie glücklich und vergnügt sie bei mir waren. -- So könnte ich Dir noch ein paar Bogen voll schreiben von allen Rückerinnerungen!
einen Speckſalat mit Eierkuchen eſſen? Daraus ſchloß ich denn ganz richtig, daß Hans ein Prinz von Meck- lenburg ſei; denn wer hätte die ſchöne Geſchichte nicht von deiner Mutter gehört, wie auf der Kaiſerkrönung die jetzige Königin von Preußen, damals als junges Prinzeſſinnenkind und ihr Bruder, der Frau Rath zu- ſahen, wie ſie ein ſolches Gericht zu ſpeiſen im Begriff war, und daß dies ihren Appetit ſo reizte, daß ſie es beide verzehrten, ohne ein Blatt zu laſſen. Auch dies- mal wurde die Geſchichte mit vielem Genuß vorgetra- gen und noch manche andre, z. B. wie ſie den Prinzeſ- ſinnen den Genuß verſchaffte, ſich im Hof am Brunnen recht ſatt Waſſer zu pumpen, und die Hofmeiſterin durch alle mögliche Argumente abhält, die Prinzeſſinnen abzurufen, und endlich, da dieſe nicht darauf Rückſicht nimmt, Gewalt braucht und ſie im Zimmer einſchließt. Denn: ſagte die Mutter, ich hätte mir eher den ärgſten Verdruß über den Hals kommen laſſen, als daß man ſie in dem unſchuldigen Vergnügungen geſtört hätte, das ihnen nirgend wo gegönnt war, als in meinem Haus; auch haben ſie mir's beim Abſchied geſagt, das ſie nie vergeſſen würden, wie glücklich und vergnügt ſie bei mir waren. — So könnte ich Dir noch ein paar Bogen voll ſchreiben von allen Rückerinnerungen!
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einen Speckſalat mit Eierkuchen eſſen? Daraus ſchloß
ich denn ganz richtig, daß Hans ein Prinz von Meck-
lenburg ſei; denn wer hätte die ſchöne Geſchichte nicht
von deiner Mutter gehört, wie auf der Kaiſerkrönung
die jetzige Königin von Preußen, damals als junges
Prinzeſſinnenkind und ihr Bruder, der Frau Rath zu-
ſahen, wie ſie ein ſolches Gericht zu ſpeiſen im Begriff
war, und daß dies ihren Appetit ſo reizte, daß ſie es
beide verzehrten, ohne ein Blatt zu laſſen. Auch dies-
mal wurde die Geſchichte mit vielem Genuß vorgetra-
gen und noch manche andre, z. B. wie ſie den Prinzeſ-
ſinnen den Genuß verſchaffte, ſich im Hof am Brunnen
recht ſatt Waſſer zu pumpen, und die Hofmeiſterin
durch alle mögliche Argumente abhält, die Prinzeſſinnen
abzurufen, und endlich, da dieſe nicht darauf Rückſicht
nimmt, Gewalt braucht und ſie im Zimmer einſchließt.
Denn: ſagte die Mutter, ich hätte mir eher den ärgſten
Verdruß über den Hals kommen laſſen, als daß man
ſie in dem unſchuldigen Vergnügungen geſtört hätte,
das ihnen nirgend wo gegönnt war, als in meinem
Haus; auch haben ſie mir's beim Abſchied geſagt, das
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/228>, abgerufen am 22.11.2024.
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