Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
An Goethe.


Kannst Du dir keinen Begriff machen, mit welchem
Jubel die Mutter mich aufnahm! so wie ich hereinkam,
jagte sie alle fort, die bei ihr waren. Nun, Ihr Her-
ren, sagte sie, hier kommt jemand, der mit mir zu spre-
chen hat, und so mußten alle zum Tempel hinaus. Wie
wir allein waren sollte ich erzählen, -- da wußt' ich
nichts. Aber wie war's wie Du ankamst? -- ganz mi-
serabel Wetter; -- vom Wetter will ich nichts wissen;
-- vom Wolfgang, wie war's, wie Du hereinkamst?
Ich kam nicht, er kam; -- nun wohin? -- in den Ele-
phanten, um Mitternacht drei Treppen hoch; alles schlief
schon fest, die Lampen auf dem Flur ausgelöscht, das
Thor verschlossen, und der Wirth hatte den Schlüssel
schon unterm Kopfkissen, und schnarchte tüchtig. -- Nun
wie kam er denn da herein? -- Er klingelte zwei-
mal, und wie er zum drittenmal recht lang an der
Glocke zog, da machten sie ihm auf. -- Und Du? --
ich in meiner Dachstube merkte nichts davon; Meline
lag schon lange und schlief im Alkoven mit vorgezog-
nen Vorhängen; ich lag auf dem Sopha, und hatte die
Hände über'm Kopf gefaltet, und sah, wie der Schein

An Goethe.


Kannſt Du dir keinen Begriff machen, mit welchem
Jubel die Mutter mich aufnahm! ſo wie ich hereinkam,
jagte ſie alle fort, die bei ihr waren. Nun, Ihr Her-
ren, ſagte ſie, hier kommt jemand, der mit mir zu ſpre-
chen hat, und ſo mußten alle zum Tempel hinaus. Wie
wir allein waren ſollte ich erzählen, — da wußt' ich
nichts. Aber wie war's wie Du ankamſt? — ganz mi-
ſerabel Wetter; — vom Wetter will ich nichts wiſſen;
— vom Wolfgang, wie war's, wie Du hereinkamſt?
Ich kam nicht, er kam; — nun wohin? — in den Ele-
phanten, um Mitternacht drei Treppen hoch; alles ſchlief
ſchon feſt, die Lampen auf dem Flur ausgelöſcht, das
Thor verſchloſſen, und der Wirth hatte den Schlüſſel
ſchon unterm Kopfkiſſen, und ſchnarchte tüchtig. — Nun
wie kam er denn da herein? — Er klingelte zwei-
mal, und wie er zum drittenmal recht lang an der
Glocke zog, da machten ſie ihm auf. — Und Du? —
ich in meiner Dachſtube merkte nichts davon; Meline
lag ſchon lange und ſchlief im Alkoven mit vorgezog-
nen Vorhängen; ich lag auf dem Sopha, und hatte die
Hände über'm Kopf gefaltet, und ſah, wie der Schein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0193" n="161"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Goethe.</salute><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">Am 21&#x017F;ten Augu&#x017F;t.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Kann&#x017F;t Du dir keinen Begriff machen, mit welchem<lb/>
Jubel die Mutter mich aufnahm! &#x017F;o wie ich hereinkam,<lb/>
jagte &#x017F;ie alle fort, die bei ihr waren. Nun, Ihr Her-<lb/>
ren, &#x017F;agte &#x017F;ie, hier kommt jemand, der mit mir zu &#x017F;pre-<lb/>
chen hat, und &#x017F;o mußten alle zum Tempel hinaus. Wie<lb/>
wir allein waren &#x017F;ollte ich erzählen, &#x2014; da wußt' ich<lb/>
nichts. Aber wie war's wie Du ankam&#x017F;t? &#x2014; ganz mi-<lb/>
&#x017F;erabel Wetter; &#x2014; vom Wetter will ich nichts wi&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
&#x2014; vom Wolfgang, wie war's, wie Du hereinkam&#x017F;t?<lb/>
Ich kam nicht, <hi rendition="#g">er</hi> kam; &#x2014; nun wohin? &#x2014; in den Ele-<lb/>
phanten, um Mitternacht drei Treppen hoch; alles &#x017F;chlief<lb/>
&#x017F;chon fe&#x017F;t, die Lampen auf dem Flur ausgelö&#x017F;cht, das<lb/>
Thor ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und der Wirth hatte den Schlü&#x017F;&#x017F;el<lb/>
&#x017F;chon unterm Kopfki&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;chnarchte tüchtig. &#x2014; Nun<lb/>
wie kam er denn da herein? &#x2014; Er klingelte zwei-<lb/>
mal, und wie er zum drittenmal recht lang an der<lb/>
Glocke zog, da machten &#x017F;ie ihm auf. &#x2014; Und Du? &#x2014;<lb/>
ich in meiner Dach&#x017F;tube merkte nichts davon; Meline<lb/>
lag &#x017F;chon lange und &#x017F;chlief im Alkoven mit vorgezog-<lb/>
nen Vorhängen; ich lag auf dem Sopha, und hatte die<lb/>
Hände über'm Kopf gefaltet, und &#x017F;ah, wie der Schein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0193] An Goethe. Am 21ſten Auguſt. Kannſt Du dir keinen Begriff machen, mit welchem Jubel die Mutter mich aufnahm! ſo wie ich hereinkam, jagte ſie alle fort, die bei ihr waren. Nun, Ihr Her- ren, ſagte ſie, hier kommt jemand, der mit mir zu ſpre- chen hat, und ſo mußten alle zum Tempel hinaus. Wie wir allein waren ſollte ich erzählen, — da wußt' ich nichts. Aber wie war's wie Du ankamſt? — ganz mi- ſerabel Wetter; — vom Wetter will ich nichts wiſſen; — vom Wolfgang, wie war's, wie Du hereinkamſt? Ich kam nicht, er kam; — nun wohin? — in den Ele- phanten, um Mitternacht drei Treppen hoch; alles ſchlief ſchon feſt, die Lampen auf dem Flur ausgelöſcht, das Thor verſchloſſen, und der Wirth hatte den Schlüſſel ſchon unterm Kopfkiſſen, und ſchnarchte tüchtig. — Nun wie kam er denn da herein? — Er klingelte zwei- mal, und wie er zum drittenmal recht lang an der Glocke zog, da machten ſie ihm auf. — Und Du? — ich in meiner Dachſtube merkte nichts davon; Meline lag ſchon lange und ſchlief im Alkoven mit vorgezog- nen Vorhängen; ich lag auf dem Sopha, und hatte die Hände über'm Kopf gefaltet, und ſah, wie der Schein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/193
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/193>, abgerufen am 22.11.2024.