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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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Anspruch genommen, und ob sie sich's schon verspricht,
sich selber nicht zu umgehen; so hat sie sich am End'
durch das Gewebe der Zeiten durchgearbeitet, immer un-
ter der heimlichen Bedingung, einmal nur Rücksprache
zu nehmen mit dem Geliebten, aber die Stunden legen
im Vorüberschreiten jede ihre Bitten und Befehle dar;
und da ist ein übermächtiger Wille im Menschen, der
heißt ihn allem sich fügen; den läßt er über sich wal-
ten, wie das Opfer über sich walten läßt, das da weiß,
es wird zum Altar geführt. -- Und so entschläft die
Seele im Herrn, ermüdet von der ganzen Lebenszeit,
die ihr Tyrann war und jetzt den Szepter sinken läßt.
Da steigen göttliche Träume herauf, und nehmen sie in
ihren Schoos, und hüllen sie ein, und ihr magischer
Duft wird immer stärker und umnebelt die Seele, daß
sie nichts mehr von sich weiß; das ist die Ruhe im
Grabe; so steigen Träume herauf jede Nacht, wenn ich
mich besinnen will auf Dich, und ich lasse mich ohne
Widerstand einwiegen, denn ich fühle, daß mein Wol-
kenbett aufwärts mit mir steigt! --

Wenn Du diese Nacht auch wach gehalten bist, so
mußt Du doch einen Begriff haben von dem ungeheue-
ren Sturm. Eben wollte ich noch ganz stark sein und
mich gar nicht fürchten; da nahm aber der Wind einen

Anſpruch genommen, und ob ſie ſich's ſchon verſpricht,
ſich ſelber nicht zu umgehen; ſo hat ſie ſich am End'
durch das Gewebe der Zeiten durchgearbeitet, immer un-
ter der heimlichen Bedingung, einmal nur Rückſprache
zu nehmen mit dem Geliebten, aber die Stunden legen
im Vorüberſchreiten jede ihre Bitten und Befehle dar;
und da iſt ein übermächtiger Wille im Menſchen, der
heißt ihn allem ſich fügen; den läßt er über ſich wal-
ten, wie das Opfer über ſich walten läßt, das da weiß,
es wird zum Altar geführt. — Und ſo entſchläft die
Seele im Herrn, ermüdet von der ganzen Lebenszeit,
die ihr Tyrann war und jetzt den Szepter ſinken läßt.
Da ſteigen göttliche Träume herauf, und nehmen ſie in
ihren Schoos, und hüllen ſie ein, und ihr magiſcher
Duft wird immer ſtärker und umnebelt die Seele, daß
ſie nichts mehr von ſich weiß; das iſt die Ruhe im
Grabe; ſo ſteigen Träume herauf jede Nacht, wenn ich
mich beſinnen will auf Dich, und ich laſſe mich ohne
Widerſtand einwiegen, denn ich fühle, daß mein Wol-
kenbett aufwärts mit mir ſteigt! —

Wenn Du dieſe Nacht auch wach gehalten biſt, ſo
mußt Du doch einen Begriff haben von dem ungeheue-
ren Sturm. Eben wollte ich noch ganz ſtark ſein und
mich gar nicht fürchten; da nahm aber der Wind einen

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[148/0180] Anſpruch genommen, und ob ſie ſich's ſchon verſpricht, ſich ſelber nicht zu umgehen; ſo hat ſie ſich am End' durch das Gewebe der Zeiten durchgearbeitet, immer un- ter der heimlichen Bedingung, einmal nur Rückſprache zu nehmen mit dem Geliebten, aber die Stunden legen im Vorüberſchreiten jede ihre Bitten und Befehle dar; und da iſt ein übermächtiger Wille im Menſchen, der heißt ihn allem ſich fügen; den läßt er über ſich wal- ten, wie das Opfer über ſich walten läßt, das da weiß, es wird zum Altar geführt. — Und ſo entſchläft die Seele im Herrn, ermüdet von der ganzen Lebenszeit, die ihr Tyrann war und jetzt den Szepter ſinken läßt. Da ſteigen göttliche Träume herauf, und nehmen ſie in ihren Schoos, und hüllen ſie ein, und ihr magiſcher Duft wird immer ſtärker und umnebelt die Seele, daß ſie nichts mehr von ſich weiß; das iſt die Ruhe im Grabe; ſo ſteigen Träume herauf jede Nacht, wenn ich mich beſinnen will auf Dich, und ich laſſe mich ohne Widerſtand einwiegen, denn ich fühle, daß mein Wol- kenbett aufwärts mit mir ſteigt! — Wenn Du dieſe Nacht auch wach gehalten biſt, ſo mußt Du doch einen Begriff haben von dem ungeheue- ren Sturm. Eben wollte ich noch ganz ſtark ſein und mich gar nicht fürchten; da nahm aber der Wind einen

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/180>, abgerufen am 22.11.2024.