Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Frau Burgarmeisterin alldort Stand in dem Stuhl an ihrem Ort, Die hat der Bock ersehen, Er gieng ganz traurig zu ihr hin, Und klagte ihr in seinem Sinn, Wie hart ihm wär geschehen. Er sprach: Ich habs nit bös gemeint, "Die weil die Schneider meine Freund, "Hab ich für Recht ermessen, "Daß ich mit Meister und Gesell "Mich bei dem Jahrstag auch einstell, "Bin grob doch eingesessen. "Die Maultasch hab ich nit erwart', "Hätt sonst mein Fell so rauch und hart "Gar wohl verschonen können, "Jezt habe ich die Stöß davon, "Die hängen mir mein Lebtag an, "Das fühl ich an dem Brennen. "Wenn ich aufs Jahr noch hier verbleib, "Bleib ich daheim und schick mein Weib, "Kanns leichter übertragen, "Die ist zumahl ein reine Geiß, "Wie sie und jedermann wohl weiß, "Die dürften sie nit schlagen. Die Frau sagt ihm auf sein Begehrn: "Geh nur mein Schatz, klags meinem Herrn, "Dem Schneider bringts nicht Rosen. Der Geisbock neiget sich vor ihr, Frau Burgarmeiſterin alldort Stand in dem Stuhl an ihrem Ort, Die hat der Bock erſehen, Er gieng ganz traurig zu ihr hin, Und klagte ihr in ſeinem Sinn, Wie hart ihm waͤr geſchehen. Er ſprach: Ich habs nit boͤs gemeint, „Die weil die Schneider meine Freund, „Hab ich fuͤr Recht ermeſſen, „Daß ich mit Meiſter und Geſell „Mich bei dem Jahrstag auch einſtell, „Bin grob doch eingeſeſſen. „Die Maultaſch hab ich nit erwart', „Haͤtt ſonſt mein Fell ſo rauch und hart „Gar wohl verſchonen koͤnnen, „Jezt habe ich die Stoͤß davon, „Die haͤngen mir mein Lebtag an, „Das fuͤhl ich an dem Brennen. „Wenn ich aufs Jahr noch hier verbleib, „Bleib ich daheim und ſchick mein Weib, „Kanns leichter uͤbertragen, „Die iſt zumahl ein reine Geiß, „Wie ſie und jedermann wohl weiß, „Die duͤrften ſie nit ſchlagen. Die Frau ſagt ihm auf ſein Begehrn: „Geh nur mein Schatz, klags meinem Herrn, „Dem Schneider bringts nicht Roſen. Der Geisbock neiget ſich vor ihr, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0374" n="362"/> <lg n="8"> <l>Frau Burgarmeiſterin alldort</l><lb/> <l>Stand in dem Stuhl an ihrem Ort,</l><lb/> <l>Die hat der Bock erſehen,</l><lb/> <l>Er gieng ganz traurig zu ihr hin,</l><lb/> <l>Und klagte ihr in ſeinem Sinn,</l><lb/> <l>Wie hart ihm waͤr geſchehen.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Er ſprach: Ich habs nit boͤs gemeint,</l><lb/> <l>„Die weil die Schneider meine Freund,</l><lb/> <l>„Hab ich fuͤr Recht ermeſſen,</l><lb/> <l>„Daß ich mit Meiſter und Geſell</l><lb/> <l>„Mich bei dem Jahrstag auch einſtell,</l><lb/> <l>„Bin grob doch eingeſeſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>„Die Maultaſch hab ich nit erwart',</l><lb/> <l>„Haͤtt ſonſt mein Fell ſo rauch und hart</l><lb/> <l>„Gar wohl verſchonen koͤnnen,</l><lb/> <l>„Jezt habe ich die Stoͤß davon,</l><lb/> <l>„Die haͤngen mir mein Lebtag an,</l><lb/> <l>„Das fuͤhl ich an dem Brennen.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>„Wenn ich aufs Jahr noch hier verbleib,</l><lb/> <l>„Bleib ich daheim und ſchick mein Weib,</l><lb/> <l>„Kanns leichter uͤbertragen,</l><lb/> <l>„Die iſt zumahl ein reine Geiß,</l><lb/> <l>„Wie ſie und jedermann wohl weiß,</l><lb/> <l>„Die duͤrften ſie nit ſchlagen.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Die Frau ſagt ihm auf ſein Begehrn:</l><lb/> <l>„Geh nur mein Schatz, klags meinem Herrn,</l><lb/> <l>„Dem Schneider bringts nicht Roſen.</l><lb/> <l>Der Geisbock neiget ſich vor ihr,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [362/0374]
Frau Burgarmeiſterin alldort
Stand in dem Stuhl an ihrem Ort,
Die hat der Bock erſehen,
Er gieng ganz traurig zu ihr hin,
Und klagte ihr in ſeinem Sinn,
Wie hart ihm waͤr geſchehen.
Er ſprach: Ich habs nit boͤs gemeint,
„Die weil die Schneider meine Freund,
„Hab ich fuͤr Recht ermeſſen,
„Daß ich mit Meiſter und Geſell
„Mich bei dem Jahrstag auch einſtell,
„Bin grob doch eingeſeſſen.
„Die Maultaſch hab ich nit erwart',
„Haͤtt ſonſt mein Fell ſo rauch und hart
„Gar wohl verſchonen koͤnnen,
„Jezt habe ich die Stoͤß davon,
„Die haͤngen mir mein Lebtag an,
„Das fuͤhl ich an dem Brennen.
„Wenn ich aufs Jahr noch hier verbleib,
„Bleib ich daheim und ſchick mein Weib,
„Kanns leichter uͤbertragen,
„Die iſt zumahl ein reine Geiß,
„Wie ſie und jedermann wohl weiß,
„Die duͤrften ſie nit ſchlagen.
Die Frau ſagt ihm auf ſein Begehrn:
„Geh nur mein Schatz, klags meinem Herrn,
„Dem Schneider bringts nicht Roſen.
Der Geisbock neiget ſich vor ihr,
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/374>, abgerufen am 16.07.2024. |