So verbiet ich euren Augen Ihr wunder schönes Weib! Daß sie nach mir nicht weinen, Ich komm her wieder in kurzer Zeit. Und siehst du dort mein Rößlein Nach dem Zügel schlagen, Das soll uns, mein allerliebstes Lieb! Aus größten Nöthen tragen.
Da hub sich in der Burge, Wol wunder großer Schall, Der Wächter an der Zinne, Der sang: die Burg ist aufgethan! Hat jemand hier verloren, Der soll sein nehmen wahr. Da sprach der Edel von Kerenstein: Ich hab mein' schöne Tochter verloren, Darum so hast du Wächter genommen das rote Gold, Darum so must du leiden den bittern Tod.
Nun weiß es Christ vom Himmel wol Daß ich unschuldig bin, Und ist mein schön Jungfraue, Mit einem andern dahin, Das war ihr beider Wille, Sie waren einander lieb. Der Wächter an der Zinne, Der sang so wol ein Tagelied.
So verbiet ich euren Augen Ihr wunder ſchoͤnes Weib! Daß ſie nach mir nicht weinen, Ich komm her wieder in kurzer Zeit. Und ſiehſt du dort mein Roͤßlein Nach dem Zuͤgel ſchlagen, Das ſoll uns, mein allerliebſtes Lieb! Aus groͤßten Noͤthen tragen.
Da hub ſich in der Burge, Wol wunder großer Schall, Der Waͤchter an der Zinne, Der ſang: die Burg iſt aufgethan! Hat jemand hier verloren, Der ſoll ſein nehmen wahr. Da ſprach der Edel von Kerenſtein: Ich hab mein' ſchoͤne Tochter verloren, Darum ſo haſt du Waͤchter genommen das rote Gold, Darum ſo muſt du leiden den bittern Tod.
Nun weiß es Chriſt vom Himmel wol Daß ich unſchuldig bin, Und iſt mein ſchoͤn Jungfraue, Mit einem andern dahin, Das war ihr beider Wille, Sie waren einander lieb. Der Waͤchter an der Zinne, Der ſang ſo wol ein Tagelied.
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So verbiet ich euren Augen
Ihr wunder ſchoͤnes Weib!
Daß ſie nach mir nicht weinen,
Ich komm her wieder in kurzer Zeit.
Und ſiehſt du dort mein Roͤßlein
Nach dem Zuͤgel ſchlagen,
Das ſoll uns, mein allerliebſtes Lieb!
Aus groͤßten Noͤthen tragen.
Da hub ſich in der Burge,
Wol wunder großer Schall,
Der Waͤchter an der Zinne,
Der ſang: die Burg iſt aufgethan!
Hat jemand hier verloren,
Der ſoll ſein nehmen wahr.
Da ſprach der Edel von Kerenſtein:
Ich hab mein' ſchoͤne Tochter verloren,
Darum ſo haſt du Waͤchter genommen das rote
Gold,
Darum ſo muſt du leiden den bittern Tod.
Nun weiß es Chriſt vom Himmel wol
Daß ich unſchuldig bin,
Und iſt mein ſchoͤn Jungfraue,
Mit einem andern dahin,
Das war ihr beider Wille,
Sie waren einander lieb.
Der Waͤchter an der Zinne,
Der ſang ſo wol ein Tagelied.
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/296>, abgerufen am 16.07.2024.
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