Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.Ei Hirtlein, liebes Hirtlein mein, Was läutet man im Klösterlein, Läutet man um die Vesperzeit, Oder läutet man um eine Todten Leich? Man läutet um eine Todten Leich! Es ist dem jungen Markgrafen Sein Fräulein mit dem Kind entschlafen. Und als er zu dem Thor einritt, Und als er in den Hof einritt, Drei Lichter sieht er brennen, Drei Schüler Knaben singen. Und als er in die Stube kam Sein Fräulein in der Bahre lag, Das Kindlein in ihren Armen lag. Er küßt sie an ihren bleichen Mund, Jezt bist du todt und nimmer gesund. Er küßt sein Kindlein an ihrem Arm, Das Gott erbarm, das Gott erbarm. Die Mutter die war ganz allein, Die sezt sich an ein harten Stein, Vor Leid brach ihr das Herz entzwei. Da zog er aus sein glitzerich Schwerd, Und stachs sich selber durch sein Herz: Er sprach, ists nicht ein Straf von Gott, Vier Leichen in eines Fürsten Schloß. Es stand nicht länger als drei Tag, Drei Lilien wuchsen auf des Fräuleins Grab, Die erste weiß, die andre schwarz. Ei Hirtlein, liebes Hirtlein mein, Was laͤutet man im Kloͤſterlein, Laͤutet man um die Veſperzeit, Oder laͤutet man um eine Todten Leich? Man laͤutet um eine Todten Leich! Es iſt dem jungen Markgrafen Sein Fraͤulein mit dem Kind entſchlafen. Und als er zu dem Thor einritt, Und als er in den Hof einritt, Drei Lichter ſieht er brennen, Drei Schuͤler Knaben ſingen. Und als er in die Stube kam Sein Fraͤulein in der Bahre lag, Das Kindlein in ihren Armen lag. Er kuͤßt ſie an ihren bleichen Mund, Jezt biſt du todt und nimmer geſund. Er kuͤßt ſein Kindlein an ihrem Arm, Das Gott erbarm, das Gott erbarm. Die Mutter die war ganz allein, Die ſezt ſich an ein harten Stein, Vor Leid brach ihr das Herz entzwei. Da zog er aus ſein glitzerich Schwerd, Und ſtachs ſich ſelber durch ſein Herz: Er ſprach, iſts nicht ein Straf von Gott, Vier Leichen in eines Fuͤrſten Schloß. Es ſtand nicht laͤnger als drei Tag, Drei Lilien wuchſen auf des Fraͤuleins Grab, Die erſte weiß, die andre ſchwarz. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0263" n="251"/> <lg n="7"> <l>Ei Hirtlein, liebes Hirtlein mein,</l><lb/> <l>Was laͤutet man im Kloͤſterlein,</l><lb/> <l>Laͤutet man um die Veſperzeit,</l><lb/> <l>Oder laͤutet man um eine Todten Leich?</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Man laͤutet um eine Todten Leich!</l><lb/> <l>Es iſt dem jungen Markgrafen</l><lb/> <l>Sein Fraͤulein mit dem Kind entſchlafen.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Und als er zu dem Thor einritt,</l><lb/> <l>Und als er in den Hof einritt,</l><lb/> <l>Drei Lichter ſieht er brennen,</l><lb/> <l>Drei Schuͤler Knaben ſingen.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Und als er in die Stube kam</l><lb/> <l>Sein Fraͤulein in der Bahre lag,</l><lb/> <l>Das Kindlein in ihren Armen lag.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Er kuͤßt ſie an ihren bleichen Mund,</l><lb/> <l>Jezt biſt du todt und nimmer geſund.</l><lb/> <l>Er kuͤßt ſein Kindlein an ihrem Arm,</l><lb/> <l>Das Gott erbarm, das Gott erbarm.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Die Mutter die war ganz allein,</l><lb/> <l>Die ſezt ſich an ein harten Stein,</l><lb/> <l>Vor Leid brach ihr das Herz entzwei.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Da zog er aus ſein glitzerich Schwerd,</l><lb/> <l>Und ſtachs ſich ſelber durch ſein Herz:</l><lb/> <l>Er ſprach, iſts nicht ein Straf von Gott,</l><lb/> <l>Vier Leichen in eines Fuͤrſten Schloß.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Es ſtand nicht laͤnger als drei Tag,</l><lb/> <l>Drei Lilien wuchſen auf des Fraͤuleins Grab,</l><lb/> <l>Die erſte weiß, die andre ſchwarz.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [251/0263]
Ei Hirtlein, liebes Hirtlein mein,
Was laͤutet man im Kloͤſterlein,
Laͤutet man um die Veſperzeit,
Oder laͤutet man um eine Todten Leich?
Man laͤutet um eine Todten Leich!
Es iſt dem jungen Markgrafen
Sein Fraͤulein mit dem Kind entſchlafen.
Und als er zu dem Thor einritt,
Und als er in den Hof einritt,
Drei Lichter ſieht er brennen,
Drei Schuͤler Knaben ſingen.
Und als er in die Stube kam
Sein Fraͤulein in der Bahre lag,
Das Kindlein in ihren Armen lag.
Er kuͤßt ſie an ihren bleichen Mund,
Jezt biſt du todt und nimmer geſund.
Er kuͤßt ſein Kindlein an ihrem Arm,
Das Gott erbarm, das Gott erbarm.
Die Mutter die war ganz allein,
Die ſezt ſich an ein harten Stein,
Vor Leid brach ihr das Herz entzwei.
Da zog er aus ſein glitzerich Schwerd,
Und ſtachs ſich ſelber durch ſein Herz:
Er ſprach, iſts nicht ein Straf von Gott,
Vier Leichen in eines Fuͤrſten Schloß.
Es ſtand nicht laͤnger als drei Tag,
Drei Lilien wuchſen auf des Fraͤuleins Grab,
Die erſte weiß, die andre ſchwarz.
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