Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
"Girsig, lieber Vater mein,
"Nur laß mich bei dem Leben sein;
"Ich will dirs immer gedenken,
"Mein Schweidnitz soll dein eigen seyn,
"Und Breslau will ich dir schenken."
"Schweig König Lasla! es mag nicht sein,
"Dein Schweidnitz ist vorhin schon mein,
"Breslau will ich gewinnen;
"Hilft mir das ganze Böhmerland,
"Ein König bin ich drinnen."
"Nun! schneid mir ein graue Kutten an,
"Ich will in ein Kloster gahn,
"Zu meines Vaters Ruhe;
"Es bleib ein König wer da will,
"Immer und ewigliche."
Sein guter Rath half ihm nicht sehr,
Sie hatten vergessen Treu und Ehr,
Die Herrn aus Böhmerlande,
Daß sie König Lasla getödtet han,
Das haben sie große Schande.
Auf die Erde haben sie ihn hingestreckt,
Mit einem Kissen haben sie ihn ersteckt,
Sein Genick haben sie ihm gebrochen.
Wer wollt nicht Gott vom Himmel klagen,
Er läßt nichts ungerochen.
Und da er nun gestorben war,
Es glühet als ein Rosen gar,
Wol unter seinen Augen,
„Girſig, lieber Vater mein,
„Nur laß mich bei dem Leben ſein;
„Ich will dirs immer gedenken,
„Mein Schweidnitz ſoll dein eigen ſeyn,
„Und Breslau will ich dir ſchenken.“
„Schweig Koͤnig Lasla! es mag nicht ſein,
„Dein Schweidnitz iſt vorhin ſchon mein,
„Breslau will ich gewinnen;
„Hilft mir das ganze Boͤhmerland,
„Ein Koͤnig bin ich drinnen.“
„Nun! ſchneid mir ein graue Kutten an,
„Ich will in ein Kloſter gahn,
„Zu meines Vaters Ruhe;
„Es bleib ein Koͤnig wer da will,
„Immer und ewigliche.“
Sein guter Rath half ihm nicht ſehr,
Sie hatten vergeſſen Treu und Ehr,
Die Herrn aus Boͤhmerlande,
Daß ſie Koͤnig Lasla getoͤdtet han,
Das haben ſie große Schande.
Auf die Erde haben ſie ihn hingeſtreckt,
Mit einem Kiſſen haben ſie ihn erſteckt,
Sein Genick haben ſie ihm gebrochen.
Wer wollt nicht Gott vom Himmel klagen,
Er laͤßt nichts ungerochen.
Und da er nun geſtorben war,
Es gluͤhet als ein Roſen gar,
Wol unter ſeinen Augen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0134" n="122"/>
            <lg n="13">
              <l>&#x201E;Gir&#x017F;ig, lieber Vater mein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Nur laß mich bei dem Leben &#x017F;ein;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich will dirs immer gedenken,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mein Schweidnitz &#x017F;oll dein eigen &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und Breslau will ich dir &#x017F;chenken.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>&#x201E;Schweig Ko&#x0364;nig Lasla! es mag nicht &#x017F;ein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Dein Schweidnitz i&#x017F;t vorhin &#x017F;chon mein,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Breslau will ich gewinnen;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Hilft mir das ganze Bo&#x0364;hmerland,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ein Ko&#x0364;nig bin ich drinnen.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>&#x201E;Nun! &#x017F;chneid mir ein graue Kutten an,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich will in ein Klo&#x017F;ter gahn,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zu meines Vaters Ruhe;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Es bleib ein Ko&#x0364;nig wer da will,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Immer und ewigliche.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>Sein guter Rath half ihm nicht &#x017F;ehr,</l><lb/>
              <l>Sie hatten verge&#x017F;&#x017F;en Treu und Ehr,</l><lb/>
              <l>Die Herrn aus Bo&#x0364;hmerlande,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie Ko&#x0364;nig Lasla geto&#x0364;dtet han,</l><lb/>
              <l>Das haben &#x017F;ie große Schande.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <l>Auf die Erde haben &#x017F;ie ihn hinge&#x017F;treckt,</l><lb/>
              <l>Mit einem Ki&#x017F;&#x017F;en haben &#x017F;ie ihn er&#x017F;teckt,</l><lb/>
              <l>Sein Genick haben &#x017F;ie ihm gebrochen.</l><lb/>
              <l>Wer wollt nicht Gott vom Himmel klagen,</l><lb/>
              <l>Er la&#x0364;ßt nichts ungerochen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Und da er nun ge&#x017F;torben war,</l><lb/>
              <l>Es glu&#x0364;het als ein Ro&#x017F;en gar,</l><lb/>
              <l>Wol unter &#x017F;einen Augen,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0134] „Girſig, lieber Vater mein, „Nur laß mich bei dem Leben ſein; „Ich will dirs immer gedenken, „Mein Schweidnitz ſoll dein eigen ſeyn, „Und Breslau will ich dir ſchenken.“ „Schweig Koͤnig Lasla! es mag nicht ſein, „Dein Schweidnitz iſt vorhin ſchon mein, „Breslau will ich gewinnen; „Hilft mir das ganze Boͤhmerland, „Ein Koͤnig bin ich drinnen.“ „Nun! ſchneid mir ein graue Kutten an, „Ich will in ein Kloſter gahn, „Zu meines Vaters Ruhe; „Es bleib ein Koͤnig wer da will, „Immer und ewigliche.“ Sein guter Rath half ihm nicht ſehr, Sie hatten vergeſſen Treu und Ehr, Die Herrn aus Boͤhmerlande, Daß ſie Koͤnig Lasla getoͤdtet han, Das haben ſie große Schande. Auf die Erde haben ſie ihn hingeſtreckt, Mit einem Kiſſen haben ſie ihn erſteckt, Sein Genick haben ſie ihm gebrochen. Wer wollt nicht Gott vom Himmel klagen, Er laͤßt nichts ungerochen. Und da er nun geſtorben war, Es gluͤhet als ein Roſen gar, Wol unter ſeinen Augen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/134
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/134>, abgerufen am 22.11.2024.