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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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sah, den lezten Grus des Menschleins darin empfing, der e-
mals vom jubelnden Taktschlage der Janitscharen hingerisset,
einen Feind gegen sich den muthigen Freund neben sich glaubte,
der die Reiter auf Wolken gegen sich ansprengen sah, unwtier-
stehlig, wie ein Trompetenstoß den mächtigen Strom hemnte;
der etwa gar im Sonnenscheine einer Kriegsflotte Anker-Lichten
sah, wo wenige Augenblicke hinreichten voll Weben und Leben
auf Masten und Stangen, diese goldenen Schlösser und Galle-
rieen, alle wie Flossen eines Fisches ruhig in das luftbegrenzte
Meer hinschwinden zu sehen, alles Dinge, die uns umgeben,
uns begegnen, der muß an eine höhere Darstellung des Lebens,
an eine höhere Kunst glauben, als die uns umgiebt und be-
gegnet, an einen Sonntag nach sieben Werktagen *), den jeder
fühle, der jedem frommt. Und wären sie tausendmal nicht ge-
hört, es brauchen nur einmal, wenn dieser Tag gekommen, und
diese Morgenstunde, alle Thürmer herunterposaunen zu dem
Liede der Schüler, zu den Glocken, wie wir auch sanft ruhen,
wir werden doch lieber erwachen, da wird alles anspringen, da
wird die Last sich heben, wie die Anker bey dem einfachen Liede
der Matrosen, wenn sie nur alle zusammen singen. Was ich
hoffe ist kein leerer Traum, die Geschichte hat es so oft bewährt,
wie das reine Streben der Menschen in gewissen Perioden sie-
gend und singend hervortritt, Kunstwerke gefunden, erfunden
und höher verstanden werden! Wer kann sich enthalten, zu
glauben, wo er in eine heisse Glashütte tritt, einige rothe Netze
um ihn ziehen, andere mächtig das Glas für ihn aufblasen, was
da aus dem rothen Feuer durchsichtig werde, sey ein Jubelbe-

*) Der gewöhnliche Sonntag wird jezt auch in die Arbeit hinein gerissen,
darum sieben Werktage, der Kalender ist wirklich nicht in Frankreich
allein geändert.

ſah, den lezten Grus des Menſchleins darin empfing, der e-
mals vom jubelnden Taktſchlage der Janitſcharen hingeriſſet,
einen Feind gegen ſich den muthigen Freund neben ſich glaubte,
der die Reiter auf Wolken gegen ſich anſprengen ſah, unwtier-
ſtehlig, wie ein Trompetenſtoß den maͤchtigen Strom hemnte;
der etwa gar im Sonnenſcheine einer Kriegsflotte Anker-Lichten
ſah, wo wenige Augenblicke hinreichten voll Weben und Leben
auf Maſten und Stangen, dieſe goldenen Schloͤſſer und Galle-
rieen, alle wie Floſſen eines Fiſches ruhig in das luftbegrenzte
Meer hinſchwinden zu ſehen, alles Dinge, die uns umgeben,
uns begegnen, der muß an eine hoͤhere Darſtellung des Lebens,
an eine hoͤhere Kunſt glauben, als die uns umgiebt und be-
gegnet, an einen Sonntag nach ſieben Werktagen *), den jeder
fuͤhle, der jedem frommt. Und waͤren ſie tauſendmal nicht ge-
hoͤrt, es brauchen nur einmal, wenn dieſer Tag gekommen, und
dieſe Morgenſtunde, alle Thuͤrmer herunterpoſaunen zu dem
Liede der Schuͤler, zu den Glocken, wie wir auch ſanft ruhen,
wir werden doch lieber erwachen, da wird alles anſpringen, da
wird die Laſt ſich heben, wie die Anker bey dem einfachen Liede
der Matroſen, wenn ſie nur alle zuſammen ſingen. Was ich
hoffe iſt kein leerer Traum, die Geſchichte hat es ſo oft bewaͤhrt,
wie das reine Streben der Menſchen in gewiſſen Perioden ſie-
gend und ſingend hervortritt, Kunſtwerke gefunden, erfunden
und hoͤher verſtanden werden! Wer kann ſich enthalten, zu
glauben, wo er in eine heiſſe Glashuͤtte tritt, einige rothe Netze
um ihn ziehen, andere maͤchtig das Glas fuͤr ihn aufblaſen, was
da aus dem rothen Feuer durchſichtig werde, ſey ein Jubelbe-

*) Der gewoͤhnliche Sonntag wird jezt auch in die Arbeit hinein geriſſen,
darum ſieben Werktage, der Kalender iſt wirklich nicht in Frankreich
allein geaͤndert.
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[446[456]/0465] ſah, den lezten Grus des Menſchleins darin empfing, der e- mals vom jubelnden Taktſchlage der Janitſcharen hingeriſſet, einen Feind gegen ſich den muthigen Freund neben ſich glaubte, der die Reiter auf Wolken gegen ſich anſprengen ſah, unwtier- ſtehlig, wie ein Trompetenſtoß den maͤchtigen Strom hemnte; der etwa gar im Sonnenſcheine einer Kriegsflotte Anker-Lichten ſah, wo wenige Augenblicke hinreichten voll Weben und Leben auf Maſten und Stangen, dieſe goldenen Schloͤſſer und Galle- rieen, alle wie Floſſen eines Fiſches ruhig in das luftbegrenzte Meer hinſchwinden zu ſehen, alles Dinge, die uns umgeben, uns begegnen, der muß an eine hoͤhere Darſtellung des Lebens, an eine hoͤhere Kunſt glauben, als die uns umgiebt und be- gegnet, an einen Sonntag nach ſieben Werktagen *), den jeder fuͤhle, der jedem frommt. Und waͤren ſie tauſendmal nicht ge- hoͤrt, es brauchen nur einmal, wenn dieſer Tag gekommen, und dieſe Morgenſtunde, alle Thuͤrmer herunterpoſaunen zu dem Liede der Schuͤler, zu den Glocken, wie wir auch ſanft ruhen, wir werden doch lieber erwachen, da wird alles anſpringen, da wird die Laſt ſich heben, wie die Anker bey dem einfachen Liede der Matroſen, wenn ſie nur alle zuſammen ſingen. Was ich hoffe iſt kein leerer Traum, die Geſchichte hat es ſo oft bewaͤhrt, wie das reine Streben der Menſchen in gewiſſen Perioden ſie- gend und ſingend hervortritt, Kunſtwerke gefunden, erfunden und hoͤher verſtanden werden! Wer kann ſich enthalten, zu glauben, wo er in eine heiſſe Glashuͤtte tritt, einige rothe Netze um ihn ziehen, andere maͤchtig das Glas fuͤr ihn aufblaſen, was da aus dem rothen Feuer durchſichtig werde, ſey ein Jubelbe- *) Der gewoͤhnliche Sonntag wird jezt auch in die Arbeit hinein geriſſen, darum ſieben Werktage, der Kalender iſt wirklich nicht in Frankreich allein geaͤndert.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 446[456]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/465>, abgerufen am 22.11.2024.