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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

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Dieweil du armer Schneider
In deinem Sack kein Brod.

Und als ich hungrig saß in meiner Zell und schreib,
Da stiegen durch die Decke
Drey junge schöne Weib,
Sie sangen mir vor
Wohl von der Ewigkeit,
Da hätt ich armer Schneider
Noch lange lange Zeit.
Gebt Brod mir armen Schneider,
Mein Weg ist noch gar weit.
Die Erste trug ein Speer, ein Saitenspiel
Die Dritt, ein Lorbeerzweig die Zweyt,
Das war die Ewigkeit.
Die erste sang mir vor:
"Der Speer in gutem Streit,
"Der trägt das Lorbeerzweiglein,
"Der trägt die Ewigkeit!"
O hätt ich armer Schneider
Ein Stärkung in dem Streit.
Des zürnt die alte Katz und knappet mit der Scheer,
Da steckt ich sie zum Fenster naus,
Auf meinem guten Speer,
Da las ich ihr vor:
"Dein schneller grimmer Tod,
"Trifft nicht mich tapfern Schneider,
"Ich fechte wohl um Gott,"

Dieweil du armer Schneider
In deinem Sack kein Brod.

Und als ich hungrig ſaß in meiner Zell und ſchreib,
Da ſtiegen durch die Decke
Drey junge ſchoͤne Weib,
Sie ſangen mir vor
Wohl von der Ewigkeit,
Da haͤtt ich armer Schneider
Noch lange lange Zeit.
Gebt Brod mir armen Schneider,
Mein Weg iſt noch gar weit.
Die Erſte trug ein Speer, ein Saitenſpiel
Die Dritt, ein Lorbeerzweig die Zweyt,
Das war die Ewigkeit.
Die erſte ſang mir vor:
„Der Speer in gutem Streit,
„Der traͤgt das Lorbeerzweiglein,
„Der traͤgt die Ewigkeit!“
O haͤtt ich armer Schneider
Ein Staͤrkung in dem Streit.
Des zuͤrnt die alte Katz und knappet mit der Scheer,
Da ſteckt ich ſie zum Fenſter naus,
Auf meinem guten Speer,
Da las ich ihr vor:
„Dein ſchneller grimmer Tod,
„Trifft nicht mich tapfern Schneider,
„Ich fechte wohl um Gott,“
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[419[429]/0438] Dieweil du armer Schneider In deinem Sack kein Brod. Und als ich hungrig ſaß in meiner Zell und ſchreib, Da ſtiegen durch die Decke Drey junge ſchoͤne Weib, Sie ſangen mir vor Wohl von der Ewigkeit, Da haͤtt ich armer Schneider Noch lange lange Zeit. Gebt Brod mir armen Schneider, Mein Weg iſt noch gar weit. Die Erſte trug ein Speer, ein Saitenſpiel Die Dritt, ein Lorbeerzweig die Zweyt, Das war die Ewigkeit. Die erſte ſang mir vor: „Der Speer in gutem Streit, „Der traͤgt das Lorbeerzweiglein, „Der traͤgt die Ewigkeit!“ O haͤtt ich armer Schneider Ein Staͤrkung in dem Streit. Des zuͤrnt die alte Katz und knappet mit der Scheer, Da ſteckt ich ſie zum Fenſter naus, Auf meinem guten Speer, Da las ich ihr vor: „Dein ſchneller grimmer Tod, „Trifft nicht mich tapfern Schneider, „Ich fechte wohl um Gott,“

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 419[429]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/438>, abgerufen am 24.11.2024.