Um ein fein Mädlein, das ist wahr, Er konnt sie nicht erfreien.
"Ey komm den Abend junger Knab, "Wenn finstre Nacht und Regen ist, "Wenn niemand auf der Gasse ist, "Herein will ich dich lassen."
Der Tag verging, der Abend kam, Der junge Knab geschlichen kam, Er klopfet leise an die Thür: "Steh auf, ich bin dafüre.
"Ich hab schon lang gestanden hier, "Ich stand allhier wohl sieben Jahr." "Hast lang gestanden, das ist nicht wahr, "Ich hab noch nicht geschlafen.
"Ich hab gelegn und hab gedacht, "Wo nur mein Schatz noch bleiben mag, "Er macht mir allzulang, zu lang, "Mir wird ganz angst und bange."
"Wo ich so lang geblieben bin, "Das darf dir wohl gesaget seyn, "Bey Bier und Wein, wo Jungfern seyn, "Da bin ich allzeit gerne."
Es war wohl um die Mitternacht, Der Wächter fing zu läuten an: "Steh auf, wer bey Feinsliebchen liegt, "Der Tag kommt angeschlichen."
Um ein fein Maͤdlein, das iſt wahr, Er konnt ſie nicht erfreien.
„Ey komm den Abend junger Knab, „Wenn finſtre Nacht und Regen iſt, „Wenn niemand auf der Gaſſe iſt, „Herein will ich dich laſſen.“
Der Tag verging, der Abend kam, Der junge Knab geſchlichen kam, Er klopfet leiſe an die Thuͤr: „Steh auf, ich bin dafuͤre.
„Ich hab ſchon lang geſtanden hier, „Ich ſtand allhier wohl ſieben Jahr.“ „Haſt lang geſtanden, das iſt nicht wahr, „Ich hab noch nicht geſchlafen.
„Ich hab gelegn und hab gedacht, „Wo nur mein Schatz noch bleiben mag, „Er macht mir allzulang, zu lang, „Mir wird ganz angſt und bange.“
„Wo ich ſo lang geblieben bin, „Das darf dir wohl geſaget ſeyn, „Bey Bier und Wein, wo Jungfern ſeyn, „Da bin ich allzeit gerne.“
Es war wohl um die Mitternacht, Der Waͤchter fing zu laͤuten an: „Steh auf, wer bey Feinsliebchen liegt, „Der Tag kommt angeſchlichen.“
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[318[328]/0337]
Um ein fein Maͤdlein, das iſt wahr,
Er konnt ſie nicht erfreien.
„Ey komm den Abend junger Knab,
„Wenn finſtre Nacht und Regen iſt,
„Wenn niemand auf der Gaſſe iſt,
„Herein will ich dich laſſen.“
Der Tag verging, der Abend kam,
Der junge Knab geſchlichen kam,
Er klopfet leiſe an die Thuͤr:
„Steh auf, ich bin dafuͤre.
„Ich hab ſchon lang geſtanden hier,
„Ich ſtand allhier wohl ſieben Jahr.“
„Haſt lang geſtanden, das iſt nicht wahr,
„Ich hab noch nicht geſchlafen.
„Ich hab gelegn und hab gedacht,
„Wo nur mein Schatz noch bleiben mag,
„Er macht mir allzulang, zu lang,
„Mir wird ganz angſt und bange.“
„Wo ich ſo lang geblieben bin,
„Das darf dir wohl geſaget ſeyn,
„Bey Bier und Wein, wo Jungfern ſeyn,
„Da bin ich allzeit gerne.“
Es war wohl um die Mitternacht,
Der Waͤchter fing zu laͤuten an:
„Steh auf, wer bey Feinsliebchen liegt,
„Der Tag kommt angeſchlichen.“
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 318[328]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/337>, abgerufen am 16.07.2024.
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