Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite

Denn die Rose und Viol
Wächst im Thal der niedern Seelen,
Die nichts hohes hier erwählen!

Mögst du nur so seyn demüthig,
Wie die niedre Sarons Blum,
Dennoch stehen ehrerbietig
Und vor Gott gebücket krumm:
Also mögst du bald die Gaben
Seines Geistes in dir haben.
Wenn dich aber hoch beflecket
Deiner Weisheit stolzer Witz,
Sich alsdann vor dir verstecket
Wahrer Wahrheit klarer Blitz:
Wenn der Buchstab dich gefangen,
Kannst du nicht zum Geist gelangen.
Werd ein Kind, werd arm und kleine,
Sey nicht hoch noch weis' bei dir,
Setze dich in Staub und weine,
Bis dich Gott zur Schule führt,
Da sein Geist die Arm' und Blöden
Weislich lehret von ihm reden.


Der ernsthafte Jäger.

Feiner Almanach I. B. S. 77.

Es wollt ein Jäger jagen
Ein Hirschlein oder ein Reh,

Denn die Roſe und Viol
Waͤchſt im Thal der niedern Seelen,
Die nichts hohes hier erwaͤhlen!

Moͤgſt du nur ſo ſeyn demuͤthig,
Wie die niedre Sarons Blum,
Dennoch ſtehen ehrerbietig
Und vor Gott gebuͤcket krumm:
Alſo moͤgſt du bald die Gaben
Seines Geiſtes in dir haben.
Wenn dich aber hoch beflecket
Deiner Weisheit ſtolzer Witz,
Sich alsdann vor dir verſtecket
Wahrer Wahrheit klarer Blitz:
Wenn der Buchſtab dich gefangen,
Kannſt du nicht zum Geiſt gelangen.
Werd ein Kind, werd arm und kleine,
Sey nicht hoch noch weiſ' bei dir,
Setze dich in Staub und weine,
Bis dich Gott zur Schule fuͤhrt,
Da ſein Geiſt die Arm' und Bloͤden
Weislich lehret von ihm reden.


Der ernſthafte Jaͤger.

Feiner Almanach I. B. S. 77.

Es wollt ein Jaͤger jagen
Ein Hirſchlein oder ein Reh,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0311" n="292[302]"/>
              <l>Denn die Ro&#x017F;e und Viol</l><lb/>
              <l>Wa&#x0364;ch&#x017F;t im Thal der niedern Seelen,</l><lb/>
              <l>Die nichts hohes hier erwa&#x0364;hlen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Mo&#x0364;g&#x017F;t du nur &#x017F;o &#x017F;eyn demu&#x0364;thig,</l><lb/>
              <l>Wie die niedre Sarons Blum,</l><lb/>
              <l>Dennoch &#x017F;tehen ehrerbietig</l><lb/>
              <l>Und vor Gott gebu&#x0364;cket krumm:</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o mo&#x0364;g&#x017F;t du bald die Gaben</l><lb/>
              <l>Seines Gei&#x017F;tes in dir haben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Wenn dich aber hoch beflecket</l><lb/>
              <l>Deiner Weisheit &#x017F;tolzer Witz,</l><lb/>
              <l>Sich alsdann vor dir ver&#x017F;tecket</l><lb/>
              <l>Wahrer Wahrheit klarer Blitz:</l><lb/>
              <l>Wenn der Buch&#x017F;tab dich gefangen,</l><lb/>
              <l>Kann&#x017F;t du nicht zum Gei&#x017F;t gelangen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Werd ein Kind, werd arm und kleine,</l><lb/>
              <l>Sey nicht hoch noch wei&#x017F;' bei dir,</l><lb/>
              <l>Setze dich in Staub und weine,</l><lb/>
              <l>Bis dich Gott zur Schule fu&#x0364;hrt,</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;ein Gei&#x017F;t die Arm' und Blo&#x0364;den</l><lb/>
              <l>Weislich lehret von ihm reden.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Der ern&#x017F;thafte Ja&#x0364;ger</hi>.</head><lb/>
          <p rendition="#c">Feiner Almanach <hi rendition="#aq">I.</hi> B. S. 77.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>s wollt ein Ja&#x0364;ger jagen</l><lb/>
              <l>Ein Hir&#x017F;chlein oder ein Reh,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292[302]/0311] Denn die Roſe und Viol Waͤchſt im Thal der niedern Seelen, Die nichts hohes hier erwaͤhlen! Moͤgſt du nur ſo ſeyn demuͤthig, Wie die niedre Sarons Blum, Dennoch ſtehen ehrerbietig Und vor Gott gebuͤcket krumm: Alſo moͤgſt du bald die Gaben Seines Geiſtes in dir haben. Wenn dich aber hoch beflecket Deiner Weisheit ſtolzer Witz, Sich alsdann vor dir verſtecket Wahrer Wahrheit klarer Blitz: Wenn der Buchſtab dich gefangen, Kannſt du nicht zum Geiſt gelangen. Werd ein Kind, werd arm und kleine, Sey nicht hoch noch weiſ' bei dir, Setze dich in Staub und weine, Bis dich Gott zur Schule fuͤhrt, Da ſein Geiſt die Arm' und Bloͤden Weislich lehret von ihm reden. Der ernſthafte Jaͤger. Feiner Almanach I. B. S. 77. Es wollt ein Jaͤger jagen Ein Hirſchlein oder ein Reh,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/311
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 292[302]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/311>, abgerufen am 23.11.2024.