"Lös mir auf Band und Stricke "Der edlen Venusin!" Und was ihr in dem Herzen lag, Das lag wohl auch dem Grafen Im Sinn bei Nacht und Tag.
Keins klagt dem andern offen, Was ihm am Herzen lag; Ein jeder thäte hoffen Einen guten Freudentag, Der doch zuletzt mit Jammer kam, Sie schrieben sich Liebesbriefelein, Ganz frei und ohne Scham.
Darin sie sich gemeldet Von einem Brunnen kalt, Der lag so weit im Felde, Vor einem grünen Wald, Wer ehe käm zu des Brunnens Fluß, Der sollte des andern warten; Also war ihr Beschluß.
Die Jungfrau thät sich zieren In einen Mantel weis, Ihre Brüst' thät sie einschnüren, Vermacht mit allem Fleis Auch sprach die edle Jungfrau schon: "Kein Mann soll mir's aufreißen, "Denn eines Grafen Sohn!"
„Loͤs mir auf Band und Stricke „Der edlen Venuſin!“ Und was ihr in dem Herzen lag, Das lag wohl auch dem Grafen Im Sinn bei Nacht und Tag.
Keins klagt dem andern offen, Was ihm am Herzen lag; Ein jeder thaͤte hoffen Einen guten Freudentag, Der doch zuletzt mit Jammer kam, Sie ſchrieben ſich Liebesbriefelein, Ganz frei und ohne Scham.
Darin ſie ſich gemeldet Von einem Brunnen kalt, Der lag ſo weit im Felde, Vor einem gruͤnen Wald, Wer ehe kaͤm zu des Brunnens Fluß, Der ſollte des andern warten; Alſo war ihr Beſchluß.
Die Jungfrau thaͤt ſich zieren In einen Mantel weis, Ihre Bruͤſt' thaͤt ſie einſchnuͤren, Vermacht mit allem Fleis Auch ſprach die edle Jungfrau ſchon: „Kein Mann ſoll mir's aufreißen, „Denn eines Grafen Sohn!“
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[266[276]/0285]
„Loͤs mir auf Band und Stricke
„Der edlen Venuſin!“
Und was ihr in dem Herzen lag,
Das lag wohl auch dem Grafen
Im Sinn bei Nacht und Tag.
Keins klagt dem andern offen,
Was ihm am Herzen lag;
Ein jeder thaͤte hoffen
Einen guten Freudentag,
Der doch zuletzt mit Jammer kam,
Sie ſchrieben ſich Liebesbriefelein,
Ganz frei und ohne Scham.
Darin ſie ſich gemeldet
Von einem Brunnen kalt,
Der lag ſo weit im Felde,
Vor einem gruͤnen Wald,
Wer ehe kaͤm zu des Brunnens Fluß,
Der ſollte des andern warten;
Alſo war ihr Beſchluß.
Die Jungfrau thaͤt ſich zieren
In einen Mantel weis,
Ihre Bruͤſt' thaͤt ſie einſchnuͤren,
Vermacht mit allem Fleis
Auch ſprach die edle Jungfrau ſchon:
„Kein Mann ſoll mir's aufreißen,
„Denn eines Grafen Sohn!“
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 266[276]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/285>, abgerufen am 26.11.2024.
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