"Weibchen, schick dich hin, und schick dich her, "Du sollst mit mir in grünen Wald gehn, "Zu deines Bruders Freunde."
Und als sie in den grünen Wald kamen, Drey Mörder unter dem Eichbaum standen, Die hatten drey bloße Messer.
Sie kriegten sie bey ihrem krausgelben Haar, Sie schwungen sie hin, sie schwungen sie her: "Jung Fräulein du must sterben."
Sie hatt' einen Bruder, war Jäger stolz, Er jug das Wild wohl aus dem Holz, Er hört' seiner Schwester Stimme.
Er kriegt sie bey ihrer schneeweißen Hand, Er führt sie in ihr Vaterland: "Darin sollst du mir bleiben."
Und als drey Tag herummer waren, Der Jäger den Müller zu Gaste ladet -- Zu Gast war der geladen. --
"Willkommen, willkommen lieb Schwägerlein, "Wo bleibet denn mein Schwesterlein? "Daß sie nicht mit ist kommen."
"Es ist ja heut der dritte Tag, "Daß man sie auf den Kirchhof trug, "Mit ihrem Kindlein kleine."
„Weibchen, ſchick dich hin, und ſchick dich her, „Du ſollſt mit mir in gruͤnen Wald gehn, „Zu deines Bruders Freunde.“
Und als ſie in den gruͤnen Wald kamen, Drey Moͤrder unter dem Eichbaum ſtanden, Die hatten drey bloße Meſſer.
Sie kriegten ſie bey ihrem krausgelben Haar, Sie ſchwungen ſie hin, ſie ſchwungen ſie her: „Jung Fraͤulein du muſt ſterben.“
Sie hatt' einen Bruder, war Jaͤger ſtolz, Er jug das Wild wohl aus dem Holz, Er hoͤrt' ſeiner Schweſter Stimme.
Er kriegt ſie bey ihrer ſchneeweißen Hand, Er fuͤhrt ſie in ihr Vaterland: „Darin ſollſt du mir bleiben.“
Und als drey Tag herummer waren, Der Jaͤger den Muͤller zu Gaſte ladet — Zu Gaſt war der geladen. —
„Willkommen, willkommen lieb Schwaͤgerlein, „Wo bleibet denn mein Schweſterlein? „Daß ſie nicht mit iſt kommen.“
„Es iſt ja heut der dritte Tag, „Daß man ſie auf den Kirchhof trug, „Mit ihrem Kindlein kleine.“
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„Weibchen, ſchick dich hin, und ſchick dich her,
„Du ſollſt mit mir in gruͤnen Wald gehn,
„Zu deines Bruders Freunde.“
Und als ſie in den gruͤnen Wald kamen,
Drey Moͤrder unter dem Eichbaum ſtanden,
Die hatten drey bloße Meſſer.
Sie kriegten ſie bey ihrem krausgelben Haar,
Sie ſchwungen ſie hin, ſie ſchwungen ſie her:
„Jung Fraͤulein du muſt ſterben.“
Sie hatt' einen Bruder, war Jaͤger ſtolz,
Er jug das Wild wohl aus dem Holz,
Er hoͤrt' ſeiner Schweſter Stimme.
Er kriegt ſie bey ihrer ſchneeweißen Hand,
Er fuͤhrt ſie in ihr Vaterland:
„Darin ſollſt du mir bleiben.“
Und als drey Tag herummer waren,
Der Jaͤger den Muͤller zu Gaſte ladet —
Zu Gaſt war der geladen. —
„Willkommen, willkommen lieb Schwaͤgerlein,
„Wo bleibet denn mein Schweſterlein?
„Daß ſie nicht mit iſt kommen.“
„Es iſt ja heut der dritte Tag,
„Daß man ſie auf den Kirchhof trug,
„Mit ihrem Kindlein kleine.“
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/228>, abgerufen am 16.02.2025.
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