Sie war von ihrer Jugend an Der Andacht also zugethan, Mit Beten, Singen allezeit Lobt sie die heilig' Dreifaltigkeit.
Wenn sie nur Jesum nennen hört, So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt, Auf Jesum war ihr Thun gericht, Zu seiner Braut sie sich verpflicht.
Ein edler Herr thät um sie freyn, Der Vater gab den Willen drein Die Mutter zu der Tochter spricht: "Mein Kind, nur diesen lasse nicht."
Die Tochter sprach: "Ach Mutter mein! "Das kann und mag ja nicht so seyn, "Mein Bräutigam ist schon bestellt, "Derselb' ist nicht auf dieser Welt."
Die Mutter sprach: "Ach Tochter mein! "Ach thu uns nicht zuwider seyn! "Wir sind nunmehr zwey alte Leut, "Mit Geld hat uns Gott auch erfreut."
Die Tochter fing zu weinen an: "Ich hab schon einen Bräutigam, "Dem ich mich hab versprochen ganz, "Zu tragen meinen Jungfernkranz."
Der Vater sprach: "Es kann nicht seyn, "Mein Kind, das bilde dir nicht ein,
5.
Sie war von ihrer Jugend an Der Andacht alſo zugethan, Mit Beten, Singen allezeit Lobt ſie die heilig' Dreifaltigkeit.
Wenn ſie nur Jeſum nennen hoͤrt, So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt, Auf Jeſum war ihr Thun gericht, Zu ſeiner Braut ſie ſich verpflicht.
Ein edler Herr thaͤt um ſie freyn, Der Vater gab den Willen drein Die Mutter zu der Tochter ſpricht: „Mein Kind, nur dieſen laſſe nicht.“
Die Tochter ſprach: „Ach Mutter mein! „Das kann und mag ja nicht ſo ſeyn, „Mein Braͤutigam iſt ſchon beſtellt, „Derſelb' iſt nicht auf dieſer Welt.“
Die Mutter ſprach: „Ach Tochter mein! „Ach thu uns nicht zuwider ſeyn! „Wir ſind nunmehr zwey alte Leut, „Mit Geld hat uns Gott auch erfreut.“
Die Tochter fing zu weinen an: „Ich hab ſchon einen Braͤutigam, „Dem ich mich hab verſprochen ganz, „Zu tragen meinen Jungfernkranz.“
Der Vater ſprach: „Es kann nicht ſeyn, „Mein Kind, das bilde dir nicht ein,
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Sie war von ihrer Jugend an
Der Andacht alſo zugethan,
Mit Beten, Singen allezeit
Lobt ſie die heilig' Dreifaltigkeit.
Wenn ſie nur Jeſum nennen hoͤrt,
So wurd ihr Lieb und Freud vermehrt,
Auf Jeſum war ihr Thun gericht,
Zu ſeiner Braut ſie ſich verpflicht.
Ein edler Herr thaͤt um ſie freyn,
Der Vater gab den Willen drein
Die Mutter zu der Tochter ſpricht:
„Mein Kind, nur dieſen laſſe nicht.“
Die Tochter ſprach: „Ach Mutter mein!
„Das kann und mag ja nicht ſo ſeyn,
„Mein Braͤutigam iſt ſchon beſtellt,
„Derſelb' iſt nicht auf dieſer Welt.“
Die Mutter ſprach: „Ach Tochter mein!
„Ach thu uns nicht zuwider ſeyn!
„Wir ſind nunmehr zwey alte Leut,
„Mit Geld hat uns Gott auch erfreut.“
Die Tochter fing zu weinen an:
„Ich hab ſchon einen Braͤutigam,
„Dem ich mich hab verſprochen ganz,
„Zu tragen meinen Jungfernkranz.“
Der Vater ſprach: „Es kann nicht ſeyn,
„Mein Kind, das bilde dir nicht ein,
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/74>, abgerufen am 22.02.2025.
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