Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dessen Zuhörer dabei in aller Freiheit das Ihre denken können. Arnim dagegen nimmt mehr als halben Ernstes unsern Glauben in Anspruch, wenn er Menschen von Fleisch und Bein mit dem Gespenst eines verstorbenen Bärenhäuters, einem Golem (zauberisch belebten Lehmbild) und einer zum Feldmarschall Cornelius Nepos beförderten Alraunwurzel die unsinnigste Wirthschaft führen läßt. Es ist noch gnädig, daß er einmal bemerkt: "Wie vergebens quält uns das Verhältniß zu manchem Menschen! könnten wir uns einbilden, er sei ein Todter, eine Erdscholle, eine Wurzel, unser Kummer und unser Zorn müßte verschwinden, wie aller Gram über unsere Zeit, wenn wir nur endlich gewiß wüßten, daß wir bloß träumten!" Allein dergleichen flüchtig hingeworfene und überdies noch sehr problematische Einfälle reichen nicht hin, uns mit Fratzen zu versöhnen, die weder Traum noch Wirklichkeit noch auch nur Allegorie, sondern von dem Allen ein verworrenes Gemengsel sind, worin eine Fülle schöner Erfindungen und tiefsinniger Gedanken beweinenswerth verkümmert. Fürwahr, ein Glücksfund ist es zu nennen, wenn aus dem gedankenvollen Hexensabbath Arnim's, aus der eulenspiegelischen Phantasterei Clemens Brentano's, wenn um gleich hier vorauszugreifen - aus E. Th. A. Hoffmann's geistig schwächeren, jedoch der Mache nach immer noch genießbareren Höllenbreugheleien etwas halbwegs Gesundes sich herausfinden und festhalten läßt. Denn auch diejenigen Wesen, die angeblich von Fleisch und Bein sein sollten, werden im Zauberspiegel dieser Romantik meist über kurz oder lang zu spukhaften Larven oder wenigstens zu gestaltlosen Schemen, zu unwirklichen Schattenspielfiguren verkehrt. Wer nun von den Arnim'schen Novellen einige dessen Zuhörer dabei in aller Freiheit das Ihre denken können. Arnim dagegen nimmt mehr als halben Ernstes unsern Glauben in Anspruch, wenn er Menschen von Fleisch und Bein mit dem Gespenst eines verstorbenen Bärenhäuters, einem Golem (zauberisch belebten Lehmbild) und einer zum Feldmarschall Cornelius Nepos beförderten Alraunwurzel die unsinnigste Wirthschaft führen läßt. Es ist noch gnädig, daß er einmal bemerkt: „Wie vergebens quält uns das Verhältniß zu manchem Menschen! könnten wir uns einbilden, er sei ein Todter, eine Erdscholle, eine Wurzel, unser Kummer und unser Zorn müßte verschwinden, wie aller Gram über unsere Zeit, wenn wir nur endlich gewiß wüßten, daß wir bloß träumten!“ Allein dergleichen flüchtig hingeworfene und überdies noch sehr problematische Einfälle reichen nicht hin, uns mit Fratzen zu versöhnen, die weder Traum noch Wirklichkeit noch auch nur Allegorie, sondern von dem Allen ein verworrenes Gemengsel sind, worin eine Fülle schöner Erfindungen und tiefsinniger Gedanken beweinenswerth verkümmert. Fürwahr, ein Glücksfund ist es zu nennen, wenn aus dem gedankenvollen Hexensabbath Arnim's, aus der eulenspiegelischen Phantasterei Clemens Brentano's, wenn um gleich hier vorauszugreifen - aus E. Th. A. Hoffmann's geistig schwächeren, jedoch der Mache nach immer noch genießbareren Höllenbreugheleien etwas halbwegs Gesundes sich herausfinden und festhalten läßt. Denn auch diejenigen Wesen, die angeblich von Fleisch und Bein sein sollten, werden im Zauberspiegel dieser Romantik meist über kurz oder lang zu spukhaften Larven oder wenigstens zu gestaltlosen Schemen, zu unwirklichen Schattenspielfiguren verkehrt. Wer nun von den Arnim'schen Novellen einige <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0009"/> dessen Zuhörer dabei in aller Freiheit das Ihre denken können. Arnim dagegen nimmt mehr als halben Ernstes unsern Glauben in Anspruch, wenn er Menschen von Fleisch und Bein mit dem Gespenst eines verstorbenen Bärenhäuters, einem Golem (zauberisch belebten Lehmbild) und einer zum Feldmarschall Cornelius Nepos beförderten Alraunwurzel die unsinnigste Wirthschaft führen läßt. Es ist noch gnädig, daß er einmal bemerkt: „Wie vergebens quält uns das Verhältniß zu manchem Menschen! könnten wir uns einbilden, er sei ein Todter, eine Erdscholle, eine Wurzel, unser Kummer und unser Zorn müßte verschwinden, wie aller Gram über unsere Zeit, wenn wir nur endlich gewiß wüßten, daß wir bloß träumten!“ Allein dergleichen flüchtig hingeworfene und überdies noch sehr problematische Einfälle reichen nicht hin, uns mit Fratzen zu versöhnen, die weder Traum noch Wirklichkeit noch auch nur Allegorie, sondern von dem Allen ein verworrenes Gemengsel sind, worin eine Fülle schöner Erfindungen und tiefsinniger Gedanken beweinenswerth verkümmert.</p><lb/> <p>Fürwahr, ein Glücksfund ist es zu nennen, wenn aus dem gedankenvollen Hexensabbath Arnim's, aus der eulenspiegelischen Phantasterei Clemens Brentano's, wenn um gleich hier vorauszugreifen - aus E. Th. A. 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dessen Zuhörer dabei in aller Freiheit das Ihre denken können. Arnim dagegen nimmt mehr als halben Ernstes unsern Glauben in Anspruch, wenn er Menschen von Fleisch und Bein mit dem Gespenst eines verstorbenen Bärenhäuters, einem Golem (zauberisch belebten Lehmbild) und einer zum Feldmarschall Cornelius Nepos beförderten Alraunwurzel die unsinnigste Wirthschaft führen läßt. Es ist noch gnädig, daß er einmal bemerkt: „Wie vergebens quält uns das Verhältniß zu manchem Menschen! könnten wir uns einbilden, er sei ein Todter, eine Erdscholle, eine Wurzel, unser Kummer und unser Zorn müßte verschwinden, wie aller Gram über unsere Zeit, wenn wir nur endlich gewiß wüßten, daß wir bloß träumten!“ Allein dergleichen flüchtig hingeworfene und überdies noch sehr problematische Einfälle reichen nicht hin, uns mit Fratzen zu versöhnen, die weder Traum noch Wirklichkeit noch auch nur Allegorie, sondern von dem Allen ein verworrenes Gemengsel sind, worin eine Fülle schöner Erfindungen und tiefsinniger Gedanken beweinenswerth verkümmert.
Fürwahr, ein Glücksfund ist es zu nennen, wenn aus dem gedankenvollen Hexensabbath Arnim's, aus der eulenspiegelischen Phantasterei Clemens Brentano's, wenn um gleich hier vorauszugreifen - aus E. Th. A. Hoffmann's geistig schwächeren, jedoch der Mache nach immer noch genießbareren Höllenbreugheleien etwas halbwegs Gesundes sich herausfinden und festhalten läßt. Denn auch diejenigen Wesen, die angeblich von Fleisch und Bein sein sollten, werden im Zauberspiegel dieser Romantik meist über kurz oder lang zu spukhaften Larven oder wenigstens zu gestaltlosen Schemen, zu unwirklichen Schattenspielfiguren verkehrt.
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Zitationshilfe: | Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/9>, abgerufen am 05.07.2024. |