Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dort wolle sie ihm ihr Kind und Geld zur Erziehung desselben übergeben, sie könne sich noch nicht von dem lieben Kinde trennen. Er versprach es ihr zögernd, nachdem er sich im Hause erkundigt hatte, ob er auch dort noch sicher gegen die Schüsse sei; denn sein Glaube, Teufel austreiben zu können, hatte sich in ihm ganz verloren; er gestand, was er bisher ausgetrieben hätte, möchte wohl der rechte Teufel nicht gewesen sein, sondern ein geringerer Spuk.

Rosalie kleidete ihr Kind noch einmal unter mancher Thräne weiß mit rothen Bandschleifen an, dann nahm sie es auf den Arm und ging schweigend die Treppe hinunter. Unten stand der alte Commandant und konnte ihr nur die Hand drücken und mußte sich umwenden, weil er sich der Thränen vor den Zuschauern schämte. So trat sie auf die Straße, Keiner wußte ihre Absicht, Vater Philipp blieb etwas zurück, weil er des Mitgehens gern überhoben gewesen, dann folgte die Menge müßiger Menschen auf den Straßen, die ihn fragten, was es bedeute? Viele fluchten auf Rosalien, weil sie Francoeur's Frau war, aber dieser Fluch berührte sie nicht.

Der Commandant führte unterdessen seine Leute auf verborgenen Wegen nach den Plätzen, von welchen der Sturm eröffnet werden sollte, wenn die Frau den Wahnsinn des Mannes nicht beschwören könnte.

Am Thore schon verließ die Menge Rosalien, denn Francoeur schoß von Zeit zu Zeit über diese Fläche; auch

dort wolle sie ihm ihr Kind und Geld zur Erziehung desselben übergeben, sie könne sich noch nicht von dem lieben Kinde trennen. Er versprach es ihr zögernd, nachdem er sich im Hause erkundigt hatte, ob er auch dort noch sicher gegen die Schüsse sei; denn sein Glaube, Teufel austreiben zu können, hatte sich in ihm ganz verloren; er gestand, was er bisher ausgetrieben hätte, möchte wohl der rechte Teufel nicht gewesen sein, sondern ein geringerer Spuk.

Rosalie kleidete ihr Kind noch einmal unter mancher Thräne weiß mit rothen Bandschleifen an, dann nahm sie es auf den Arm und ging schweigend die Treppe hinunter. Unten stand der alte Commandant und konnte ihr nur die Hand drücken und mußte sich umwenden, weil er sich der Thränen vor den Zuschauern schämte. So trat sie auf die Straße, Keiner wußte ihre Absicht, Vater Philipp blieb etwas zurück, weil er des Mitgehens gern überhoben gewesen, dann folgte die Menge müßiger Menschen auf den Straßen, die ihn fragten, was es bedeute? Viele fluchten auf Rosalien, weil sie Francoeur's Frau war, aber dieser Fluch berührte sie nicht.

Der Commandant führte unterdessen seine Leute auf verborgenen Wegen nach den Plätzen, von welchen der Sturm eröffnet werden sollte, wenn die Frau den Wahnsinn des Mannes nicht beschwören könnte.

Am Thore schon verließ die Menge Rosalien, denn Francoeur schoß von Zeit zu Zeit über diese Fläche; auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038"/>
dort                wolle sie ihm ihr Kind und Geld zur Erziehung desselben übergeben, sie könne sich                noch nicht von dem lieben Kinde trennen. Er versprach es ihr zögernd, nachdem er sich                im Hause erkundigt hatte, ob er auch dort noch sicher gegen die Schüsse sei; denn                sein Glaube, Teufel austreiben zu können, hatte sich in ihm ganz verloren; er                gestand, was er bisher ausgetrieben hätte, möchte wohl der rechte Teufel nicht                gewesen sein, sondern ein geringerer Spuk.</p><lb/>
        <p>Rosalie kleidete ihr Kind noch einmal unter mancher Thräne weiß mit rothen                Bandschleifen an, dann nahm sie es auf den Arm und ging schweigend die Treppe                hinunter. Unten stand der alte Commandant und konnte ihr nur die Hand drücken und                mußte sich umwenden, weil er sich der Thränen vor den Zuschauern schämte. So trat sie                auf die Straße, Keiner wußte ihre Absicht, Vater Philipp blieb etwas zurück, weil er                des Mitgehens gern überhoben gewesen, dann folgte die Menge müßiger Menschen auf den                Straßen, die ihn fragten, was es bedeute? Viele fluchten auf Rosalien, weil sie                Francoeur's Frau war, aber dieser Fluch berührte sie nicht.</p><lb/>
        <p>Der Commandant führte unterdessen seine Leute auf verborgenen Wegen nach den Plätzen,                von welchen der Sturm eröffnet werden sollte, wenn die Frau den Wahnsinn des Mannes                nicht beschwören könnte.</p><lb/>
        <p>Am Thore schon verließ die Menge Rosalien, denn Francoeur schoß von Zeit zu Zeit über                diese Fläche; auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0038] dort wolle sie ihm ihr Kind und Geld zur Erziehung desselben übergeben, sie könne sich noch nicht von dem lieben Kinde trennen. Er versprach es ihr zögernd, nachdem er sich im Hause erkundigt hatte, ob er auch dort noch sicher gegen die Schüsse sei; denn sein Glaube, Teufel austreiben zu können, hatte sich in ihm ganz verloren; er gestand, was er bisher ausgetrieben hätte, möchte wohl der rechte Teufel nicht gewesen sein, sondern ein geringerer Spuk. Rosalie kleidete ihr Kind noch einmal unter mancher Thräne weiß mit rothen Bandschleifen an, dann nahm sie es auf den Arm und ging schweigend die Treppe hinunter. Unten stand der alte Commandant und konnte ihr nur die Hand drücken und mußte sich umwenden, weil er sich der Thränen vor den Zuschauern schämte. So trat sie auf die Straße, Keiner wußte ihre Absicht, Vater Philipp blieb etwas zurück, weil er des Mitgehens gern überhoben gewesen, dann folgte die Menge müßiger Menschen auf den Straßen, die ihn fragten, was es bedeute? Viele fluchten auf Rosalien, weil sie Francoeur's Frau war, aber dieser Fluch berührte sie nicht. Der Commandant führte unterdessen seine Leute auf verborgenen Wegen nach den Plätzen, von welchen der Sturm eröffnet werden sollte, wenn die Frau den Wahnsinn des Mannes nicht beschwören könnte. Am Thore schon verließ die Menge Rosalien, denn Francoeur schoß von Zeit zu Zeit über diese Fläche; auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:48:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:48:52Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/38
Zitationshilfe: Arnim, Achim von: Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [163]–201. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_invalide_1910/38>, abgerufen am 23.11.2024.