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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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zum Nachbar, wohin er wegen seines angeborenen Widerwillens
gegen Zank und Streit schon lange nicht mehr gekommen war.

Er fand den Kuglerbauer allein am Tisch sitzen, und vor
ihm stand die Schnapsflasche. Nach einem herzlichen "Guten
Abend Jakob!" das mit einem ziemlich freundlichen: "Grüß dich
Gott!" erwiedert wurde, setzte sich Leonhard zu seinem alten
Freund, und that anfangs, als sähe er die Flasche gar nicht.
Er erkundigte sich theilnehmend nach Diesem und Jenem aus
seinem Hauswesen, und lobte den Stand seiner Felder und
Wiesen, so daß der Jakob anfing aufzuthauen, und wieder ein-
mal wie früher in gemüthliches Plaudern kam. Da dachte
Leonhard: "Jetzt ist der rechte Zeitpunkt, ein besserer kommt
vielleicht nie mehr." Somit begann er denn, indem er dem
Freund noch näher rückte: "Weißt du, Jakob, du allein von
deinem ganzen Haus machst mir manchmal Sorgen, denn du
schaust nicht mehr so gesund und fröhlich aus wie sonst, fehlt
dir vielleicht etwas?" -- "Das kommt von dem höllischen
Magendruck", war die Antwort. "Ei was Magendruck", meinte
Leonhard, "das hab' auch ich schon oft gespürt, und ist immer
von selber wieder vergangen. Aber ich fürcht', Jakob, du hast
zu viel in den Mond geschaut, weißt du auf den Mann mit
dem Branntweinglasl,*) der drin sitzt." -- Jetzt war die
brennende Lunte zum Pulver gekommen. Mit einem Fluche
schlug Jakob auf den Tisch, daß die Flasche darauf herum
tanzte. "Was, du falsche Schlang', hast du dich mit meinem
Weib verschworen, die mir auch keinen Tropfen gönnt für meine
Gesundheit?" "Aber Jakob", sagte Leonhard, "du wirst doch
noch einen Spaß verstehen? Wie werd' denn ich dir was nicht
gönnen, was dir wirklich gesund ist?" und mit sanfter Stimme
fügte er bei: "schau, sind wir denn nicht alte Kameraden, und
hab' ich's einmal schon schlecht gemeint mit dir? aber just des-
wegen möcht' ich, daß wir noch länger beieinander bleiben, und
wenn du so fort machst, Brüderl! so kriegst du den Magen-
brand und stirbst." -- "Leonhard, sag' kein Wort mehr", schrie

*) Volksthümlicher Ausdruck.

zum Nachbar, wohin er wegen ſeines angeborenen Widerwillens
gegen Zank und Streit ſchon lange nicht mehr gekommen war.

Er fand den Kuglerbauer allein am Tiſch ſitzen, und vor
ihm ſtand die Schnapsflaſche. Nach einem herzlichen „Guten
Abend Jakob!“ das mit einem ziemlich freundlichen: „Grüß dich
Gott!“ erwiedert wurde, ſetzte ſich Leonhard zu ſeinem alten
Freund, und that anfangs, als ſähe er die Flaſche gar nicht.
Er erkundigte ſich theilnehmend nach Dieſem und Jenem aus
ſeinem Hausweſen, und lobte den Stand ſeiner Felder und
Wieſen, ſo daß der Jakob anfing aufzuthauen, und wieder ein-
mal wie früher in gemüthliches Plaudern kam. Da dachte
Leonhard: „Jetzt iſt der rechte Zeitpunkt, ein beſſerer kommt
vielleicht nie mehr.“ Somit begann er denn, indem er dem
Freund noch näher rückte: „Weißt du, Jakob, du allein von
deinem ganzen Haus machſt mir manchmal Sorgen, denn du
ſchauſt nicht mehr ſo geſund und fröhlich aus wie ſonſt, fehlt
dir vielleicht etwas?“ — „Das kommt von dem hölliſchen
Magendruck“, war die Antwort. „Ei was Magendruck“, meinte
Leonhard, „das hab’ auch ich ſchon oft geſpürt, und iſt immer
von ſelber wieder vergangen. Aber ich fürcht’, Jakob, du haſt
zu viel in den Mond geſchaut, weißt du auf den Mann mit
dem Branntweinglasl,*) der drin ſitzt.“ — Jetzt war die
brennende Lunte zum Pulver gekommen. Mit einem Fluche
ſchlug Jakob auf den Tiſch, daß die Flaſche darauf herum
tanzte. „Was, du falſche Schlang’, haſt du dich mit meinem
Weib verſchworen, die mir auch keinen Tropfen gönnt für meine
Geſundheit?“ „Aber Jakob“, ſagte Leonhard, „du wirſt doch
noch einen Spaß verſtehen? Wie werd’ denn ich dir was nicht
gönnen, was dir wirklich geſund iſt?“ und mit ſanfter Stimme
fügte er bei: „ſchau, ſind wir denn nicht alte Kameraden, und
hab’ ich’s einmal ſchon ſchlecht gemeint mit dir? aber juſt des-
wegen möcht’ ich, daß wir noch länger beieinander bleiben, und
wenn du ſo fort machſt, Brüderl! ſo kriegſt du den Magen-
brand und ſtirbſt.“ — „Leonhard, ſag’ kein Wort mehr“, ſchrie

*) Volksthümlicher Ausdruck.
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[0038] zum Nachbar, wohin er wegen ſeines angeborenen Widerwillens gegen Zank und Streit ſchon lange nicht mehr gekommen war. Er fand den Kuglerbauer allein am Tiſch ſitzen, und vor ihm ſtand die Schnapsflaſche. Nach einem herzlichen „Guten Abend Jakob!“ das mit einem ziemlich freundlichen: „Grüß dich Gott!“ erwiedert wurde, ſetzte ſich Leonhard zu ſeinem alten Freund, und that anfangs, als ſähe er die Flaſche gar nicht. Er erkundigte ſich theilnehmend nach Dieſem und Jenem aus ſeinem Hausweſen, und lobte den Stand ſeiner Felder und Wieſen, ſo daß der Jakob anfing aufzuthauen, und wieder ein- mal wie früher in gemüthliches Plaudern kam. Da dachte Leonhard: „Jetzt iſt der rechte Zeitpunkt, ein beſſerer kommt vielleicht nie mehr.“ Somit begann er denn, indem er dem Freund noch näher rückte: „Weißt du, Jakob, du allein von deinem ganzen Haus machſt mir manchmal Sorgen, denn du ſchauſt nicht mehr ſo geſund und fröhlich aus wie ſonſt, fehlt dir vielleicht etwas?“ — „Das kommt von dem hölliſchen Magendruck“, war die Antwort. „Ei was Magendruck“, meinte Leonhard, „das hab’ auch ich ſchon oft geſpürt, und iſt immer von ſelber wieder vergangen. Aber ich fürcht’, Jakob, du haſt zu viel in den Mond geſchaut, weißt du auf den Mann mit dem Branntweinglasl, *) der drin ſitzt.“ — Jetzt war die brennende Lunte zum Pulver gekommen. Mit einem Fluche ſchlug Jakob auf den Tiſch, daß die Flaſche darauf herum tanzte. „Was, du falſche Schlang’, haſt du dich mit meinem Weib verſchworen, die mir auch keinen Tropfen gönnt für meine Geſundheit?“ „Aber Jakob“, ſagte Leonhard, „du wirſt doch noch einen Spaß verſtehen? Wie werd’ denn ich dir was nicht gönnen, was dir wirklich geſund iſt?“ und mit ſanfter Stimme fügte er bei: „ſchau, ſind wir denn nicht alte Kameraden, und hab’ ich’s einmal ſchon ſchlecht gemeint mit dir? aber juſt des- wegen möcht’ ich, daß wir noch länger beieinander bleiben, und wenn du ſo fort machſt, Brüderl! ſo kriegſt du den Magen- brand und ſtirbſt.“ — „Leonhard, ſag’ kein Wort mehr“, ſchrie *) Volksthümlicher Ausdruck.

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/38>, abgerufen am 28.03.2024.