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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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du dich schon noch länger gedulden, bis du auf meiner Hochzeit
tanzen kannst." "Nun, so soll halt bald was recht Besonders ge-
schehen," wünschte ihr der Wastel, und mit dem Abschiedsgruß:
"behüt' Gott, bis wir uns einander wiedersehen," sprang er zum
Haus hinaus, und ein lustiges Schnadahipfel pfeifend, wanderte
er wohlgemuth der Glashütte zu.

8. Was ein König kann.

Sonderbarer Weise ist es dem König eben so ergangen
wie der Resl; auch er hatte sich beim Festschießen so gut unter-
halten, daß er bei sich beschloß, recht bald wieder ein ländliches
Fest ansagen zu lassen. Bei solcher Gelegenheit, dachte er, lerne
man dieses prächtige Volk am Besten kennen, und seine unge-
wöhnliche Kraft zeige sich da im schönsten Lichte. Am Meisten
neigte sich sein Sinn zu einer der verschiedenen Arten von Wett-
ringen. Einer der beschwerlichsten Kraftmesser war das soge-
nannte Ziegelsteintragen. Jeder Bursche trägt mit abwärts-
gezogenen Armen in jeder Hand einen Ziegelstein. Nicht selten
entsteht dadurch Krampf in den Händen, so daß der Träger,
ohne es zu fühlen, den Stein fallen läßt, und nun zu großer
Belustigung der Zuschauer, in der Meinung, er trage den Stein,
ohne denselben das Ziel zu erringen sucht.

Malerischer und poetischer ist das altherkömmliche See-
rennen, wobei die Burschen ihre Kraft im Rudern und ihre
Geschicklichkeit im Lenken der Schiffe zeigen können. Tegernsee
gegenüber liegt der Ort Abwinkel. Dort warten auf den Knall
eines Böllerschusses 30 und noch mehr Schiffe, welche mit
Blumen und flatternden Fahnen geschmückt sind. Jst der Schuß
erfolgt, so setzen sich mit einemmal die für diesen Tag beson-
ders hübschen Ruder in Bewegung, und nach dem Gesetz der
vorgeschriebenen Ordnung fliegen die Schifflein dem Ziel und
dem Preis entgegen. Die gewöhnliche Fahrzeit von einer halben
Stunde wurde schon in 10 Minuten dabei zurückgelegt, und
der Preisträger sprang jubelnd unter dem Zujauchzen des Volkes
an's Land. Was sollte nun der König wählen?

du dich ſchon noch länger gedulden, bis du auf meiner Hochzeit
tanzen kannſt.“ „Nun, ſo ſoll halt bald was recht Beſonders ge-
ſchehen,“ wünſchte ihr der Waſtel, und mit dem Abſchiedsgruß:
behüt’ Gott, bis wir uns einander wiederſehen,“ ſprang er zum
Haus hinaus, und ein luſtiges Schnadahipfel pfeifend, wanderte
er wohlgemuth der Glashütte zu.

8. Was ein König kann.

Sonderbarer Weiſe iſt es dem König eben ſo ergangen
wie der Resl; auch er hatte ſich beim Feſtſchießen ſo gut unter-
halten, daß er bei ſich beſchloß, recht bald wieder ein ländliches
Feſt anſagen zu laſſen. Bei ſolcher Gelegenheit, dachte er, lerne
man dieſes prächtige Volk am Beſten kennen, und ſeine unge-
wöhnliche Kraft zeige ſich da im ſchönſten Lichte. Am Meiſten
neigte ſich ſein Sinn zu einer der verſchiedenen Arten von Wett-
ringen. Einer der beſchwerlichſten Kraftmeſſer war das ſoge-
nannte Ziegelſteintragen. Jeder Burſche trägt mit abwärts-
gezogenen Armen in jeder Hand einen Ziegelſtein. Nicht ſelten
entſteht dadurch Krampf in den Händen, ſo daß der Träger,
ohne es zu fühlen, den Stein fallen läßt, und nun zu großer
Beluſtigung der Zuſchauer, in der Meinung, er trage den Stein,
ohne denſelben das Ziel zu erringen ſucht.

Maleriſcher und poetiſcher iſt das altherkömmliche See-
rennen, wobei die Burſchen ihre Kraft im Rudern und ihre
Geſchicklichkeit im Lenken der Schiffe zeigen können. Tegernſee
gegenüber liegt der Ort Abwinkel. Dort warten auf den Knall
eines Böllerſchuſſes 30 und noch mehr Schiffe, welche mit
Blumen und flatternden Fahnen geſchmückt ſind. Jſt der Schuß
erfolgt, ſo ſetzen ſich mit einemmal die für dieſen Tag beſon-
ders hübſchen Ruder in Bewegung, und nach dem Geſetz der
vorgeſchriebenen Ordnung fliegen die Schifflein dem Ziel und
dem Preis entgegen. Die gewöhnliche Fahrzeit von einer halben
Stunde wurde ſchon in 10 Minuten dabei zurückgelegt, und
der Preisträger ſprang jubelnd unter dem Zujauchzen des Volkes
an’s Land. Was ſollte nun der König wählen?

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/25>, abgerufen am 29.03.2024.