Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Julius Hart. Hört ihr es nicht? ... 1884. Originalbeitrag. Hört ihr es nicht? In meinem Ohre bang Ewig tönt herber dumpfer Trommelklang. In heller Lenznacht in der Nachtigall Verträumtes Lied rauscht schwerer Waffenschall. Der Sommer glüht in dunkler Rosen Duft -- Wie Rossestampfen schallt es durch die Luft. Und wenn der Wein im grünen Glase quillt, -- Hörst nicht das Schlachtwort, das so blutig schrillt? O Winternacht! Der Sturmwind heulend fährt, Die starrenden Wege leer sein Odem kehrt. Vergebens glüht am Feuerheerd der Rost, Stärker als Feuer brennt der kalte Frost. An Haus und Wand und an des Weg's Geleis' Fliegt Schnee und knarrt das demantharte Eis. O Winternacht! Durch Eis und fliegenden Schnee Lauter als Sturmgeist, schreit ein wildes Weh. Wie an dem Strand die wüste Woge hallt, Die Nacht hindurch Geschrei und Schlachtruf schallt. In dunklen Schaaren drängt es finster an, Mit Beil und Hammer wogt es dumpf heran. Zerlumpte Haufen, wie vom Sturm verwirrt, Das Eisen dröhnt, das blanke Messer klirrt. Das Angesicht, blaß wie ein Wintertag, Sagt, wie das Elend gar so fressen mag. Das Auge tief, die Wange hohl und schmal, Auf Stirn' und Wang' der Krankheit brand'ges Mal. 5*
Julius Hart. Hört ihr es nicht? … 1884. Originalbeitrag. Hört ihr es nicht? In meinem Ohre bang Ewig tönt herber dumpfer Trommelklang. In heller Lenznacht in der Nachtigall Verträumtes Lied rauſcht ſchwerer Waffenſchall. Der Sommer glüht in dunkler Roſen Duft — Wie Roſſeſtampfen ſchallt es durch die Luft. Und wenn der Wein im grünen Glaſe quillt, — Hörſt nicht das Schlachtwort, das ſo blutig ſchrillt? O Winternacht! Der Sturmwind heulend fährt, Die ſtarrenden Wege leer ſein Odem kehrt. Vergebens glüht am Feuerheerd der Roſt, Stärker als Feuer brennt der kalte Froſt. An Haus und Wand und an des Weg’s Geleiſ’ Fliegt Schnee und knarrt das demantharte Eis. O Winternacht! Durch Eis und fliegenden Schnee Lauter als Sturmgeiſt, ſchreit ein wildes Weh. Wie an dem Strand die wüſte Woge hallt, Die Nacht hindurch Geſchrei und Schlachtruf ſchallt. In dunklen Schaaren drängt es finſter an, Mit Beil und Hammer wogt es dumpf heran. Zerlumpte Haufen, wie vom Sturm verwirrt, Das Eiſen dröhnt, das blanke Meſſer klirrt. Das Angeſicht, blaß wie ein Wintertag, Sagt, wie das Elend gar ſo freſſen mag. Das Auge tief, die Wange hohl und ſchmal, Auf Stirn’ und Wang’ der Krankheit brand’ges Mal. 5*
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Julius Hart.
Hört ihr es nicht? …
1884.
Originalbeitrag.
Hört ihr es nicht? In meinem Ohre bang
Ewig tönt herber dumpfer Trommelklang.
In heller Lenznacht in der Nachtigall
Verträumtes Lied rauſcht ſchwerer Waffenſchall.
Der Sommer glüht in dunkler Roſen Duft —
Wie Roſſeſtampfen ſchallt es durch die Luft.
Und wenn der Wein im grünen Glaſe quillt, —
Hörſt nicht das Schlachtwort, das ſo blutig ſchrillt?
O Winternacht! Der Sturmwind heulend fährt,
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Das Angeſicht, blaß wie ein Wintertag,
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