Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Oscar Linke. Im Herzen zutiefst, daß schwelgend es ruht Auf rosigem Pfühl, daß heller noch strahlt Das trotzige Aug', und laut es erklingt, Stolz leuchtenden Blick's: Ich habe das Höchste besessen! Horch, schwirr'n nicht über die Todesgefilde, die bleichen, Gleich Fliegengesumme die luftigen Schatten der Seelen, Wie ängstliches Kindergeflüster in dunkelnder Stille? Schwebt weiter ihr Schatten von Schatten, mit grausenerfülltem Abscheu euch wendend hinweg von dem riesigen Frevler, Dem Frevler -- so sagen sie wohl hier drunten und droben, Dem Undankbaren, dem Gast und der Himmlischen Liebling, Der schnöde begehrte die Gattin des Höchsten, des Zeus selbst, Wildwüthigen Rasens, die Augen, die Seele geblendet, Dem göttlich gelaunt zum Weib die Olympischen gaben Ein Rosengewölk in flammender Gluth zu umfangen, Eh' nach ihm folgte die dunkelbeflügelte Rache! So tönet es hier, so tönet es dort: Und du, mein Herz? du lächelst dazu! O rollendes Rad, noch brausender klingt's, Wild rauschender noch: Ich habe das Höchste besessen! Aufglänzt das große, das leuchtende Auge der Hera Von Neuem in mir, vor mir; beim Mahle der Götter Gewahr' ich mich selber, gelagert im hohen Olympos; Stumm seh' ich die edle Gestalt, von heimlichem Grame Gequält; ich denke wie sie an den frevelnden Leichtsinn Des lüsternen Gatten, und Mitleid, heiliges Mitleid Empfind' ich zu ihr, dem Weib in der herrlichen Göttin, Und was mich noch herrlicher däucht, theilnehmende Liebe. Da trifft mein Auge das ihre, und nimmer verbirgt mir Das Auge die glühende Sprache des Herzens, es reden Die Winke der Augen, es reden die zitternden Hände; Bis schwebte von dannen die glänzende, hohe Erscheinung. Still folgt' ich, und ob auch die Himmlischen rings Auflachten, zumal Aphrodite, mich trieb's Mit Sturmesgewalt der Vorschwebenden nach -- Lusttrunkenes Herz, Ich habe das Höchste besessen! Oscar Linke. Im Herzen zutiefſt, daß ſchwelgend es ruht Auf roſigem Pfühl, daß heller noch ſtrahlt Das trotzige Aug’, und laut es erklingt, Stolz leuchtenden Blick’s: Ich habe das Höchſte beſeſſen! Horch, ſchwirr’n nicht über die Todesgefilde, die bleichen, Gleich Fliegengeſumme die luftigen Schatten der Seelen, Wie ängſtliches Kindergeflüſter in dunkelnder Stille? Schwebt weiter ihr Schatten von Schatten, mit grauſenerfülltem Abſcheu euch wendend hinweg von dem rieſigen Frevler, Dem Frevler — ſo ſagen ſie wohl hier drunten und droben, Dem Undankbaren, dem Gaſt und der Himmliſchen Liebling, Der ſchnöde begehrte die Gattin des Höchſten, des Zeus ſelbſt, Wildwüthigen Raſens, die Augen, die Seele geblendet, Dem göttlich gelaunt zum Weib die Olympiſchen gaben Ein Roſengewölk in flammender Gluth zu umfangen, Eh’ nach ihm folgte die dunkelbeflügelte Rache! So tönet es hier, ſo tönet es dort: Und du, mein Herz? du lächelſt dazu! O rollendes Rad, noch brauſender klingt’s, Wild rauſchender noch: Ich habe das Höchſte beſeſſen! Aufglänzt das große, das leuchtende Auge der Hera Von Neuem in mir, vor mir; beim Mahle der Götter Gewahr’ ich mich ſelber, gelagert im hohen Olympos; Stumm ſeh’ ich die edle Geſtalt, von heimlichem Grame Gequält; ich denke wie ſie an den frevelnden Leichtſinn Des lüſternen Gatten, und Mitleid, heiliges Mitleid Empfind’ ich zu ihr, dem Weib in der herrlichen Göttin, Und was mich noch herrlicher däucht, theilnehmende Liebe. Da trifft mein Auge das ihre, und nimmer verbirgt mir Das Auge die glühende Sprache des Herzens, es reden Die Winke der Augen, es reden die zitternden Hände; Bis ſchwebte von dannen die glänzende, hohe Erſcheinung. Still folgt’ ich, und ob auch die Himmliſchen rings Auflachten, zumal Aphrodite, mich trieb’s Mit Sturmesgewalt der Vorſchwebenden nach — Luſttrunkenes Herz, Ich habe das Höchſte beſeſſen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0060" n="42"/> <fw place="top" type="header">Oscar Linke.</fw><lb/> <l>Im Herzen zutiefſt, daß ſchwelgend es ruht</l><lb/> <l>Auf roſigem Pfühl, daß heller noch ſtrahlt</l><lb/> <l>Das trotzige Aug’, und laut es erklingt,</l><lb/> <l>Stolz leuchtenden Blick’s:</l><lb/> <l>Ich habe das Höchſte beſeſſen!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Horch, ſchwirr’n nicht über die Todesgefilde, die bleichen,</l><lb/> <l>Gleich Fliegengeſumme die luftigen Schatten der Seelen,</l><lb/> <l>Wie ängſtliches Kindergeflüſter in dunkelnder Stille?</l><lb/> <l>Schwebt weiter ihr Schatten von Schatten, mit grauſenerfülltem</l><lb/> <l>Abſcheu euch wendend hinweg von dem rieſigen Frevler,</l><lb/> <l>Dem Frevler — ſo ſagen ſie wohl hier drunten und droben,</l><lb/> <l>Dem Undankbaren, dem Gaſt und der Himmliſchen Liebling,</l><lb/> <l>Der ſchnöde begehrte die Gattin des Höchſten, des <hi rendition="#g">Zeus</hi> ſelbſt,</l><lb/> <l>Wildwüthigen Raſens, die Augen, die Seele geblendet,</l><lb/> <l>Dem göttlich gelaunt zum Weib die Olympiſchen gaben</l><lb/> <l>Ein Roſengewölk in flammender Gluth zu umfangen,</l><lb/> <l>Eh’ nach ihm folgte die <choice><sic>dunkelbeflügeltte</sic><corr>dunkelbeflügelte</corr></choice> Rache!</l><lb/> <l>So tönet es hier, ſo tönet es dort:</l><lb/> <l>Und du, mein Herz? du lächelſt dazu!</l><lb/> <l>O rollendes Rad, noch brauſender klingt’s,</l><lb/> <l>Wild rauſchender noch:</l><lb/> <l>Ich habe das Höchſte beſeſſen!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Aufglänzt das große, das leuchtende Auge der <hi rendition="#g">Hera</hi></l><lb/> <l>Von Neuem in mir, vor mir; beim Mahle der Götter</l><lb/> <l>Gewahr’ ich mich ſelber, gelagert im hohen Olympos;</l><lb/> <l>Stumm ſeh’ ich die edle Geſtalt, von heimlichem Grame</l><lb/> <l>Gequält; ich denke wie ſie an den frevelnden Leichtſinn</l><lb/> <l>Des lüſternen Gatten, und Mitleid, heiliges Mitleid</l><lb/> <l>Empfind’ ich zu ihr, dem Weib in der herrlichen Göttin,</l><lb/> <l>Und was mich noch herrlicher däucht, theilnehmende Liebe.</l><lb/> <l>Da trifft mein Auge das ihre, und nimmer verbirgt mir</l><lb/> <l>Das Auge die glühende Sprache des Herzens, es reden</l><lb/> <l>Die Winke der Augen, es reden die zitternden Hände;</l><lb/> <l>Bis ſchwebte von dannen die glänzende, hohe Erſcheinung.</l><lb/> <l>Still folgt’ ich, und ob auch die Himmliſchen rings</l><lb/> <l>Auflachten, zumal Aphrodite, mich trieb’s</l><lb/> <l>Mit Sturmesgewalt der Vorſchwebenden nach —</l><lb/> <l>Luſttrunkenes Herz,</l><lb/> <l>Ich habe das Höchſte beſeſſen!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0060]
Oscar Linke.
Im Herzen zutiefſt, daß ſchwelgend es ruht
Auf roſigem Pfühl, daß heller noch ſtrahlt
Das trotzige Aug’, und laut es erklingt,
Stolz leuchtenden Blick’s:
Ich habe das Höchſte beſeſſen!
Horch, ſchwirr’n nicht über die Todesgefilde, die bleichen,
Gleich Fliegengeſumme die luftigen Schatten der Seelen,
Wie ängſtliches Kindergeflüſter in dunkelnder Stille?
Schwebt weiter ihr Schatten von Schatten, mit grauſenerfülltem
Abſcheu euch wendend hinweg von dem rieſigen Frevler,
Dem Frevler — ſo ſagen ſie wohl hier drunten und droben,
Dem Undankbaren, dem Gaſt und der Himmliſchen Liebling,
Der ſchnöde begehrte die Gattin des Höchſten, des Zeus ſelbſt,
Wildwüthigen Raſens, die Augen, die Seele geblendet,
Dem göttlich gelaunt zum Weib die Olympiſchen gaben
Ein Roſengewölk in flammender Gluth zu umfangen,
Eh’ nach ihm folgte die dunkelbeflügelte Rache!
So tönet es hier, ſo tönet es dort:
Und du, mein Herz? du lächelſt dazu!
O rollendes Rad, noch brauſender klingt’s,
Wild rauſchender noch:
Ich habe das Höchſte beſeſſen!
Aufglänzt das große, das leuchtende Auge der Hera
Von Neuem in mir, vor mir; beim Mahle der Götter
Gewahr’ ich mich ſelber, gelagert im hohen Olympos;
Stumm ſeh’ ich die edle Geſtalt, von heimlichem Grame
Gequält; ich denke wie ſie an den frevelnden Leichtſinn
Des lüſternen Gatten, und Mitleid, heiliges Mitleid
Empfind’ ich zu ihr, dem Weib in der herrlichen Göttin,
Und was mich noch herrlicher däucht, theilnehmende Liebe.
Da trifft mein Auge das ihre, und nimmer verbirgt mir
Das Auge die glühende Sprache des Herzens, es reden
Die Winke der Augen, es reden die zitternden Hände;
Bis ſchwebte von dannen die glänzende, hohe Erſcheinung.
Still folgt’ ich, und ob auch die Himmliſchen rings
Auflachten, zumal Aphrodite, mich trieb’s
Mit Sturmesgewalt der Vorſchwebenden nach —
Luſttrunkenes Herz,
Ich habe das Höchſte beſeſſen!
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