Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Carl Bleibtreu. Ich bin der Schönheit bester Theil. Trifft mich des Grames giftiger Pfeil, Sing' ich noch süßre Schwanenlieder. Ich schütte Blumen auf die Gruft, Ich stürze aus bewölkter Luft Als Blitzstrahl der Begeistrung nieder. Ich wetterleuchte rings umher; Und wie die Perle schläft im Meer, Birgt mich des Herzens tiefste Kammer. Bin Taube, die den Oelzweig bringt; Bin Regenbogen, der sich schlingt Versöhnend ob der Sündfluth Jammer. Sieh hier mein Diadem: Zumal Ein Sonnen- und ein Mondenstrahl Dafür mir schenkten ihr Gefunkel. Denn wie die Sonne leite ich Und sanften Zauber spreite ich Dem Mond gleich über's Lebensdunkel. Wir wissen nichts, stets weicht zurück Die Wahrheit vor des Forschers Blick, Fata Morgana täuscht so sinnig -- Schau hier in meines Schildes Rund: Dort spiegeln wieder, reich und bunt, Sich alle Lebensfarben innig. Mit dieser Mischung reinstem Strahl Mal' ich das Luftschloß Ideal. Ich bin auch deines Lebens Leuchte. Ich bin die Muse Poesie." Die Visionen schwanden, wie Mein Auge sank, das thränenfeuchte. Druck von Julius Bahlke, Berlin, Stallschreiberstr. 4. Carl Bleibtreu. Ich bin der Schönheit beſter Theil. Trifft mich des Grames giftiger Pfeil, Sing’ ich noch ſüßre Schwanenlieder. Ich ſchütte Blumen auf die Gruft, Ich ſtürze aus bewölkter Luft Als Blitzſtrahl der Begeiſtrung nieder. Ich wetterleuchte rings umher; Und wie die Perle ſchläft im Meer, Birgt mich des Herzens tiefſte Kammer. Bin Taube, die den Oelzweig bringt; Bin Regenbogen, der ſich ſchlingt Verſöhnend ob der Sündfluth Jammer. Sieh hier mein Diadem: Zumal Ein Sonnen- und ein Mondenſtrahl Dafür mir ſchenkten ihr Gefunkel. Denn wie die Sonne leite ich Und ſanften Zauber ſpreite ich Dem Mond gleich über’s Lebensdunkel. Wir wiſſen nichts, ſtets weicht zurück Die Wahrheit vor des Forſchers Blick, Fata Morgana täuſcht ſo ſinnig — Schau hier in meines Schildes Rund: Dort ſpiegeln wieder, reich und bunt, Sich alle Lebensfarben innig. Mit dieſer Miſchung reinſtem Strahl Mal’ ich das Luftſchloß Ideal. Ich bin auch deines Lebens Leuchte. Ich bin die Muſe Poeſie.“ Die Viſionen ſchwanden, wie Mein Auge ſank, das thränenfeuchte. Druck von Julius Bahlke, Berlin, Stallſchreiberſtr. 4. <TEI> <text> <back> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0338" n="16"/> <fw place="top" type="header">Carl Bleibtreu.</fw><lb/> <lg n="9"> <l>Ich bin der Schönheit beſter Theil.</l><lb/> <l>Trifft mich des Grames giftiger Pfeil,</l><lb/> <l>Sing’ ich noch ſüßre Schwanenlieder.</l><lb/> <l>Ich ſchütte Blumen auf die Gruft,</l><lb/> <l>Ich ſtürze aus bewölkter Luft</l><lb/> <l>Als Blitzſtrahl der Begeiſtrung nieder.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ich wetterleuchte rings umher;</l><lb/> <l>Und wie die Perle ſchläft im Meer,</l><lb/> <l>Birgt mich des Herzens tiefſte Kammer.</l><lb/> <l>Bin Taube, die den Oelzweig bringt;</l><lb/> <l>Bin Regenbogen, der ſich ſchlingt</l><lb/> <l>Verſöhnend ob der Sündfluth Jammer.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Sieh hier mein Diadem: Zumal</l><lb/> <l>Ein Sonnen- und ein Mondenſtrahl</l><lb/> <l>Dafür mir ſchenkten ihr Gefunkel.</l><lb/> <l>Denn wie die Sonne leite ich</l><lb/> <l>Und ſanften Zauber ſpreite ich</l><lb/> <l>Dem Mond gleich über’s Lebensdunkel.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Wir wiſſen nichts, ſtets weicht zurück</l><lb/> <l>Die Wahrheit vor des Forſchers Blick,</l><lb/> <l>Fata Morgana täuſcht ſo ſinnig —</l><lb/> <l>Schau hier in meines Schildes Rund:</l><lb/> <l>Dort ſpiegeln wieder, reich und bunt,</l><lb/> <l>Sich alle Lebensfarben innig.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Mit dieſer Miſchung reinſtem Strahl</l><lb/> <l>Mal’ ich das Luftſchloß <hi rendition="#g">Ideal</hi>.</l><lb/> <l>Ich bin auch deines Lebens Leuchte.</l><lb/> <l>Ich bin die Muſe <hi rendition="#g">Poeſie</hi>.“</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Die Viſionen ſchwanden, wie</l><lb/> <l>Mein Auge ſank, das thränenfeuchte.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> <div type="imprint"> <p> <hi rendition="#c">Druck von <hi rendition="#g">Julius Bahlke</hi>, Berlin, Stallſchreiberſtr. 4.</hi> </p> </div><lb/> </back> </text> </TEI> [16/0338]
Carl Bleibtreu.
Ich bin der Schönheit beſter Theil.
Trifft mich des Grames giftiger Pfeil,
Sing’ ich noch ſüßre Schwanenlieder.
Ich ſchütte Blumen auf die Gruft,
Ich ſtürze aus bewölkter Luft
Als Blitzſtrahl der Begeiſtrung nieder.
Ich wetterleuchte rings umher;
Und wie die Perle ſchläft im Meer,
Birgt mich des Herzens tiefſte Kammer.
Bin Taube, die den Oelzweig bringt;
Bin Regenbogen, der ſich ſchlingt
Verſöhnend ob der Sündfluth Jammer.
Sieh hier mein Diadem: Zumal
Ein Sonnen- und ein Mondenſtrahl
Dafür mir ſchenkten ihr Gefunkel.
Denn wie die Sonne leite ich
Und ſanften Zauber ſpreite ich
Dem Mond gleich über’s Lebensdunkel.
Wir wiſſen nichts, ſtets weicht zurück
Die Wahrheit vor des Forſchers Blick,
Fata Morgana täuſcht ſo ſinnig —
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Sich alle Lebensfarben innig.
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