Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Wilhelm Arent. Im Zecherkreis. Aus tiefster Seele S. 60. Nacht ist's. Trüb' flackert der Ampeln Licht, Des Mondes Schein durch die Fenster bricht. Wir sitzen im Kreis beim festlichen Mahl, Von Hand zu Hand geht der duftige Pokal. Wild-üppige Zecher sind wir zumeist, Manches Witzwort sprüht von Geist zu Geist. Dazwischen tönt der Dirnen Gelach, Das klingt so gell, das klingt so jach ... O tolles Schwelgen im Ueberfluß! Immer süßer berauscht uns der Dämon Genuß. Ob auch in nächster Stunde vielleicht Der Tod über unsere Häupter streicht: Uns kümmert es nicht. Brust wogend an Brust -- So lasst uns sterben im Taumel der Lust! Fragment. Aus tiefster Seele S. 59. Ich lehne träumend am Brückenrand, Das Aug' zu des Stromes Tiefen gewandt. Wie Schatten huscht es an mir vorbei, Nur halb noch hör' ich verworr'nes Geschrei. Der Abend dämmert mählich herein ... Plötzlich ergießt sich trübfahler Schein: Jäh' trifft mein Blick die Menschen all', Die vorüberfluthen in wirrem Schwall. Ich sehe Karossen stolz und reich, Daneben die Armuth kummerbleich. Zumeist grub tiefe Linien die Noth, Das Laster, die Sorge um Leben und Brot. Verrohung spiegelt gar mancher Zug, Unselige Selbstsucht, Lug und Trug. Keinem Auge entsprüh't des Daseins Lust -- Weltscheue Schwermuth füllt meine Brust. Unendliches Weh und unendlicher Groll: Was all' das tolle Treiben soll! Wilhelm Arent. Im Zecherkreis. Aus tiefſter Seele S. 60. Nacht iſt’s. Trüb’ flackert der Ampeln Licht, Des Mondes Schein durch die Fenſter bricht. Wir ſitzen im Kreis beim feſtlichen Mahl, Von Hand zu Hand geht der duftige Pokal. Wild-üppige Zecher ſind wir zumeiſt, Manches Witzwort ſprüht von Geiſt zu Geiſt. Dazwiſchen tönt der Dirnen Gelach, Das klingt ſo gell, das klingt ſo jach … O tolles Schwelgen im Ueberfluß! Immer ſüßer berauſcht uns der Dämon Genuß. Ob auch in nächſter Stunde vielleicht Der Tod über unſere Häupter ſtreicht: Uns kümmert es nicht. Bruſt wogend an Bruſt — So laſſt uns ſterben im Taumel der Luſt! Fragment. Aus tiefſter Seele S. 59. Ich lehne träumend am Brückenrand, Das Aug’ zu des Stromes Tiefen gewandt. Wie Schatten huſcht es an mir vorbei, Nur halb noch hör’ ich verworr’nes Geſchrei. Der Abend dämmert mählich herein … Plötzlich ergießt ſich trübfahler Schein: Jäh’ trifft mein Blick die Menſchen all’, Die vorüberfluthen in wirrem Schwall. Ich ſehe Karoſſen ſtolz und reich, Daneben die Armuth kummerbleich. Zumeiſt grub tiefe Linien die Noth, Das Laſter, die Sorge um Leben und Brot. Verrohung ſpiegelt gar mancher Zug, Unſelige Selbſtſucht, Lug und Trug. Keinem Auge entſprüh’t des Daſeins Luſt — Weltſcheue Schwermuth füllt meine Bruſt. Unendliches Weh und unendlicher Groll: Was all’ das tolle Treiben ſoll! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026" n="8"/> <fw place="top" type="header">Wilhelm Arent.</fw><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Im Zecherkreis.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Aus tiefſter Seele S. 60.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nacht iſt’s. Trüb’ flackert der Ampeln Licht,</l><lb/> <l>Des Mondes Schein durch die Fenſter bricht.</l><lb/> <l>Wir ſitzen im Kreis beim feſtlichen Mahl,</l><lb/> <l>Von Hand zu Hand geht der duftige Pokal.</l><lb/> <l>Wild-üppige Zecher ſind wir zumeiſt,</l><lb/> <l>Manches Witzwort ſprüht von Geiſt zu Geiſt.</l><lb/> <l>Dazwiſchen tönt der Dirnen Gelach,</l><lb/> <l>Das klingt ſo gell, das klingt ſo jach …</l><lb/> <l>O tolles Schwelgen im Ueberfluß!</l><lb/> <l>Immer ſüßer berauſcht uns der Dämon Genuß.</l><lb/> <l>Ob auch in nächſter Stunde vielleicht</l><lb/> <l>Der Tod über unſere Häupter ſtreicht:</l><lb/> <l>Uns kümmert es nicht. Bruſt wogend an Bruſt —</l><lb/> <l>So laſſt uns ſterben im Taumel der Luſt!</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Fragment.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Aus tiefſter Seele S. 59.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich lehne träumend am Brückenrand,</l><lb/> <l>Das Aug’ zu des Stromes Tiefen gewandt.</l><lb/> <l>Wie Schatten huſcht es an mir vorbei,</l><lb/> <l>Nur halb noch hör’ ich verworr’nes Geſchrei.</l><lb/> <l>Der Abend dämmert mählich herein …</l><lb/> <l>Plötzlich ergießt ſich trübfahler Schein:</l><lb/> <l>Jäh’ trifft mein Blick die Menſchen all’,</l><lb/> <l>Die vorüberfluthen in wirrem Schwall.</l><lb/> <l>Ich ſehe Karoſſen ſtolz und reich,</l><lb/> <l>Daneben die Armuth kummerbleich.</l><lb/> <l>Zumeiſt grub tiefe Linien die Noth,</l><lb/> <l>Das Laſter, die Sorge um Leben und Brot.</l><lb/> <l>Verrohung ſpiegelt gar mancher Zug,</l><lb/> <l>Unſelige Selbſtſucht, Lug und Trug.</l><lb/> <l>Keinem Auge entſprüh’t des Daſeins Luſt —</l><lb/> <l>Weltſcheue Schwermuth füllt meine Bruſt.</l><lb/> <l>Unendliches Weh und unendlicher Groll:</l><lb/> <l>Was all’ das tolle Treiben ſoll!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0026]
Wilhelm Arent.
Im Zecherkreis.
Aus tiefſter Seele S. 60.
Nacht iſt’s. Trüb’ flackert der Ampeln Licht,
Des Mondes Schein durch die Fenſter bricht.
Wir ſitzen im Kreis beim feſtlichen Mahl,
Von Hand zu Hand geht der duftige Pokal.
Wild-üppige Zecher ſind wir zumeiſt,
Manches Witzwort ſprüht von Geiſt zu Geiſt.
Dazwiſchen tönt der Dirnen Gelach,
Das klingt ſo gell, das klingt ſo jach …
O tolles Schwelgen im Ueberfluß!
Immer ſüßer berauſcht uns der Dämon Genuß.
Ob auch in nächſter Stunde vielleicht
Der Tod über unſere Häupter ſtreicht:
Uns kümmert es nicht. Bruſt wogend an Bruſt —
So laſſt uns ſterben im Taumel der Luſt!
Fragment.
Aus tiefſter Seele S. 59.
Ich lehne träumend am Brückenrand,
Das Aug’ zu des Stromes Tiefen gewandt.
Wie Schatten huſcht es an mir vorbei,
Nur halb noch hör’ ich verworr’nes Geſchrei.
Der Abend dämmert mählich herein …
Plötzlich ergießt ſich trübfahler Schein:
Jäh’ trifft mein Blick die Menſchen all’,
Die vorüberfluthen in wirrem Schwall.
Ich ſehe Karoſſen ſtolz und reich,
Daneben die Armuth kummerbleich.
Zumeiſt grub tiefe Linien die Noth,
Das Laſter, die Sorge um Leben und Brot.
Verrohung ſpiegelt gar mancher Zug,
Unſelige Selbſtſucht, Lug und Trug.
Keinem Auge entſprüh’t des Daſeins Luſt —
Weltſcheue Schwermuth füllt meine Bruſt.
Unendliches Weh und unendlicher Groll:
Was all’ das tolle Treiben ſoll!
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