Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Heinrich Hart. Ich lausche den Todten Und horche, was sie verkünden, Und ich suche die Ungebornen, Daß ich wisse, Was war und was sein wird. Einsam, einsam Will ich wandeln und ziehen, Ob fiebernde Brunst auch Die Adern emporschwellt, -- Doch eines vergönn' mir, Allwaltende Weltmacht, Jedes Wort, das ich schmiede, Es werde zum Glied, Das die Menschheit verkettet, Jedes Lied, das ich singe, Wie Thau laß es fallen Auf die Herzen der Armen, Der Sünder und Buhlen -- Dann finde ich Frieden. An das 20. Jahrhundert. 1878. Deutsche Monatsbl. u. a. Wirf die Thore auf, Jahrhundert, Komm herab begrüßt, bewundert, Sonnenleuchtend, Morgenklar. Keine Krone trägst du golden, Doch ein Kranz von duftigholden Frühlingsrosen schmückt dein Haar. Ganz verwundet, ganz zerschlagen, Herz und Mund verdorrt von Klagen, Ziehn wir müd im Staub einher. Unser Aug' erlischt in Thränen, Unsre Seele siecht vor Sehnen, Unser Haupt glüht fieberschwer. Heinrich Hart. Ich lauſche den Todten Und horche, was ſie verkünden, Und ich ſuche die Ungebornen, Daß ich wiſſe, Was war und was ſein wird. Einſam, einſam Will ich wandeln und ziehen, Ob fiebernde Brunſt auch Die Adern emporſchwellt, — Doch eines vergönn’ mir, Allwaltende Weltmacht, Jedes Wort, das ich ſchmiede, Es werde zum Glied, Das die Menſchheit verkettet, Jedes Lied, das ich ſinge, Wie Thau laß es fallen Auf die Herzen der Armen, Der Sünder und Buhlen — Dann finde ich Frieden. An das 20. Jahrhundert. 1878. Deutſche Monatsbl. u. a. Wirf die Thore auf, Jahrhundert, Komm herab begrüßt, bewundert, Sonnenleuchtend, Morgenklar. Keine Krone trägſt du golden, Doch ein Kranz von duftigholden Frühlingsroſen ſchmückt dein Haar. Ganz verwundet, ganz zerſchlagen, Herz und Mund verdorrt von Klagen, Ziehn wir müd im Staub einher. Unſer Aug’ erliſcht in Thränen, Unſre Seele ſiecht vor Sehnen, Unſer Haupt glüht fieberſchwer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0199" n="181"/> <fw place="top" type="header">Heinrich Hart.</fw><lb/> <l>Ich lauſche den Todten</l><lb/> <l>Und horche, was ſie verkünden,</l><lb/> <l>Und ich ſuche die Ungebornen,</l><lb/> <l>Daß ich wiſſe,</l><lb/> <l>Was war und was ſein wird.</l><lb/> <l>Einſam, einſam</l><lb/> <l>Will ich wandeln und ziehen,</l><lb/> <l>Ob fiebernde Brunſt auch</l><lb/> <l>Die Adern emporſchwellt, —</l><lb/> <l>Doch eines vergönn’ mir,</l><lb/> <l>Allwaltende Weltmacht,</l><lb/> <l>Jedes Wort, das ich ſchmiede,</l><lb/> <l>Es werde zum Glied,</l><lb/> <l>Das die Menſchheit verkettet,</l><lb/> <l>Jedes Lied, das ich ſinge,</l><lb/> <l>Wie Thau laß es fallen</l><lb/> <l>Auf die Herzen der Armen,</l><lb/> <l>Der Sünder und Buhlen —</l><lb/> <l>Dann finde ich Frieden.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">An das 20. Jahrhundert.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">1878. Deutſche Monatsbl. u. a.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wirf die Thore auf, Jahrhundert,</l><lb/> <l>Komm herab begrüßt, bewundert,</l><lb/> <l>Sonnenleuchtend, Morgenklar.</l><lb/> <l>Keine Krone trägſt du golden,</l><lb/> <l>Doch ein Kranz von duftigholden</l><lb/> <l>Frühlingsroſen ſchmückt dein Haar.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ganz verwundet, ganz zerſchlagen,</l><lb/> <l>Herz und Mund verdorrt von Klagen,</l><lb/> <l>Ziehn wir müd im Staub einher.</l><lb/> <l>Unſer Aug’ erliſcht in Thränen,</l><lb/> <l>Unſre Seele ſiecht vor Sehnen,</l><lb/> <l>Unſer Haupt glüht fieberſchwer.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0199]
Heinrich Hart.
Ich lauſche den Todten
Und horche, was ſie verkünden,
Und ich ſuche die Ungebornen,
Daß ich wiſſe,
Was war und was ſein wird.
Einſam, einſam
Will ich wandeln und ziehen,
Ob fiebernde Brunſt auch
Die Adern emporſchwellt, —
Doch eines vergönn’ mir,
Allwaltende Weltmacht,
Jedes Wort, das ich ſchmiede,
Es werde zum Glied,
Das die Menſchheit verkettet,
Jedes Lied, das ich ſinge,
Wie Thau laß es fallen
Auf die Herzen der Armen,
Der Sünder und Buhlen —
Dann finde ich Frieden.
An das 20. Jahrhundert.
1878. Deutſche Monatsbl. u. a.
Wirf die Thore auf, Jahrhundert,
Komm herab begrüßt, bewundert,
Sonnenleuchtend, Morgenklar.
Keine Krone trägſt du golden,
Doch ein Kranz von duftigholden
Frühlingsroſen ſchmückt dein Haar.
Ganz verwundet, ganz zerſchlagen,
Herz und Mund verdorrt von Klagen,
Ziehn wir müd im Staub einher.
Unſer Aug’ erliſcht in Thränen,
Unſre Seele ſiecht vor Sehnen,
Unſer Haupt glüht fieberſchwer.
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