Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Johannes Bohne. Gebet an den Sturm. Originalbeitrag. Hinaus aus meines Zimmers dumpfer Schwüle! Sieh draußen das Gewitter thronen! Erbrause Sturm, die heiße Stirn mir kühle, Dahinter rasen die Dämonen. Hei, wie die Blitze zucken durch die Nacht, Wie plötzlich sie mit jäher Flammenpracht Den Zorn des Ew'gen in die Wolken funkelnd schreiben Ob seiner Menschheit nicht'gem, blassem Treiben. So küsse mir vom Aug' die grauen Sorgen Und kose mir die glühenden Wangen, Und halte mich an deiner Brust geborgen In wildem, brausendem Umfangen. Aus deiner Flammenschrift, da lass' mich lesen Das große Weltgedicht von Uranfang gewesen, Die grimmen alten Lieder lass' im Donner hallen, Die alle Schöpfung singt und Menschenzungen lallen. Wenn du der Locken wall'nde Fluthen Um's Haupt dir schüttelst, hoch umwittert, Die Riesenfaust, in der die Blitze ruhten, Was ihr entgegentrat, voll Wuth zersplittert -- Dann jauchzt dir zu mein heißes, brünstiges Beten; Gieb mir von deiner Kraft, lass' mich zertreten, Was meine Seele hemmt, die Götzen mich zerschlagen! Erhör' mich, Geist des Sturms, bann' mir das kranke Zagen. -- Der du mit schwarzem Fittig durch die Nächte Dahinjagst unter Donner und Zerstörung, Dich, dessen einz'ger Blick den Tod mir brächte, Fleh' ich um gnädige Erhörung! O gieb mir Frieden, süßen Sturmesfrieden, Und banne mir des Herzens Eumeniden, Den wilden Schwarm der Furien, die noch keinen ließen, Die Grauen vor mir selbst mir in die Seele gießen. 8
Johannes Bohne. Gebet an den Sturm. Originalbeitrag. Hinaus aus meines Zimmers dumpfer Schwüle! Sieh draußen das Gewitter thronen! Erbrauſe Sturm, die heiße Stirn mir kühle, Dahinter raſen die Dämonen. Hei, wie die Blitze zucken durch die Nacht, Wie plötzlich ſie mit jäher Flammenpracht Den Zorn des Ew’gen in die Wolken funkelnd ſchreiben Ob ſeiner Menſchheit nicht’gem, blaſſem Treiben. So küſſe mir vom Aug’ die grauen Sorgen Und koſe mir die glühenden Wangen, Und halte mich an deiner Bruſt geborgen In wildem, brauſendem Umfangen. Aus deiner Flammenſchrift, da laſſ’ mich leſen Das große Weltgedicht von Uranfang geweſen, Die grimmen alten Lieder laſſ’ im Donner hallen, Die alle Schöpfung ſingt und Menſchenzungen lallen. Wenn du der Locken wall’nde Fluthen Um’s Haupt dir ſchüttelſt, hoch umwittert, Die Rieſenfauſt, in der die Blitze ruhten, Was ihr entgegentrat, voll Wuth zerſplittert — Dann jauchzt dir zu mein heißes, brünſtiges Beten; Gieb mir von deiner Kraft, laſſ’ mich zertreten, Was meine Seele hemmt, die Götzen mich zerſchlagen! Erhör’ mich, Geiſt des Sturms, bann’ mir das kranke Zagen. — Der du mit ſchwarzem Fittig durch die Nächte Dahinjagſt unter Donner und Zerſtörung, Dich, deſſen einz’ger Blick den Tod mir brächte, Fleh’ ich um gnädige Erhörung! O gieb mir Frieden, ſüßen Sturmesfrieden, Und banne mir des Herzens Eumeniden, Den wilden Schwarm der Furien, die noch keinen ließen, Die Grauen vor mir ſelbſt mir in die Seele gießen. 8
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Johannes Bohne.
Gebet an den Sturm.
Originalbeitrag.
Hinaus aus meines Zimmers dumpfer Schwüle!
Sieh draußen das Gewitter thronen!
Erbrauſe Sturm, die heiße Stirn mir kühle,
Dahinter raſen die Dämonen.
Hei, wie die Blitze zucken durch die Nacht,
Wie plötzlich ſie mit jäher Flammenpracht
Den Zorn des Ew’gen in die Wolken funkelnd ſchreiben
Ob ſeiner Menſchheit nicht’gem, blaſſem Treiben.
So küſſe mir vom Aug’ die grauen Sorgen
Und koſe mir die glühenden Wangen,
Und halte mich an deiner Bruſt geborgen
In wildem, brauſendem Umfangen.
Aus deiner Flammenſchrift, da laſſ’ mich leſen
Das große Weltgedicht von Uranfang geweſen,
Die grimmen alten Lieder laſſ’ im Donner hallen,
Die alle Schöpfung ſingt und Menſchenzungen lallen.
Wenn du der Locken wall’nde Fluthen
Um’s Haupt dir ſchüttelſt, hoch umwittert,
Die Rieſenfauſt, in der die Blitze ruhten,
Was ihr entgegentrat, voll Wuth zerſplittert —
Dann jauchzt dir zu mein heißes, brünſtiges Beten;
Gieb mir von deiner Kraft, laſſ’ mich zertreten,
Was meine Seele hemmt, die Götzen mich zerſchlagen!
Erhör’ mich, Geiſt des Sturms, bann’ mir das kranke Zagen. —
Der du mit ſchwarzem Fittig durch die Nächte
Dahinjagſt unter Donner und Zerſtörung,
Dich, deſſen einz’ger Blick den Tod mir brächte,
Fleh’ ich um gnädige Erhörung!
O gieb mir Frieden, ſüßen Sturmesfrieden,
Und banne mir des Herzens Eumeniden,
Den wilden Schwarm der Furien, die noch keinen ließen,
Die Grauen vor mir ſelbſt mir in die Seele gießen.
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