Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnds, Wilhelm Erasmus: Eines zehen-jährigen Knabens Christlieb Leberecht von Exter/ aus Zerbst/ Christlich geführter Lebens-Lauff. Halle (Saale), 1708.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahres Christenth. C. IX.
aus unserem Spruch/ daß wir im Geist-
lichen nach dem Fall gantz blind sind;
denn wenn uns Christus soll lehren und
sehend machen/ so müssen wir ja freylich
unwissend und blind seyn. Die sich a-
ber für wissend und sehend halten/ die
können nicht erleuchtet werden/ denn sie
sind ja schon (ihrem Verstande nach)
sehend. Ja wenn auch Christus sie schon
erleuchten will/ und sie nicht wollen/ wie
kan ihnen denn geholffen werden? Wenn
ein Krancker zum Artzt wolte sagen: ich
bin all gesund/ ich begehre eure Artzney
nicht; so wird ihm ja auch der Artzt mit
seiner Artzney nicht helffen/ noch helffen
können.

Wer nun also von Christo will ge-
lehret seyn/ der muß gewiß auch un-
wissend und mühselig seyn; denn also ste-
het geschrieben: Kommet her zu mir
alle/ die ihr
NB. mühselig und be-
laden seyd;
nicht/ die ihr euch schon für
weise/ aufgerichtet und nicht beladen
haltet. Und also können wir/ wenn

wir

Wahres Chriſtenth. C. IX.
aus unſerem Spruch/ daß wir im Geiſt-
lichen nach dem Fall gantz blind ſind;
denn wenn uns Chriſtus ſoll lehren und
ſehend machen/ ſo muͤſſen wir ja freylich
unwiſſend und blind ſeyn. Die ſich a-
ber fuͤr wiſſend und ſehend halten/ die
koͤnnen nicht erleuchtet werden/ denn ſie
ſind ja ſchon (ihrem Verſtande nach)
ſehend. Ja wenn auch Chriſtus ſie ſchon
erleuchten will/ und ſie nicht wollen/ wie
kan ihnen denn geholffen werden? Wenn
ein Krancker zum Artzt wolte ſagen: ich
bin all geſund/ ich begehre eure Artzney
nicht; ſo wird ihm ja auch der Artzt mit
ſeiner Artzney nicht helffen/ noch helffen
koͤnnen.

Wer nun alſo von Chriſto will ge-
lehret ſeyn/ der muß gewiß auch un-
wiſſend und muͤhſelig ſeyn; denn alſo ſte-
het geſchrieben: Kommet her zu mir
alle/ die ihr
NB. muͤhſelig und be-
laden ſeyd;
nicht/ die ihr euch ſchon fuͤr
weiſe/ aufgerichtet und nicht beladen
haltet. Und alſo koͤnnen wir/ wenn

wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0148" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Wahres Chri&#x017F;tenth.</hi><hi rendition="#aq">C. IX.</hi></fw><lb/>
aus un&#x017F;erem Spruch/ daß wir im Gei&#x017F;t-<lb/>
lichen nach dem Fall gantz blind &#x017F;ind;<lb/>
denn wenn uns Chri&#x017F;tus &#x017F;oll lehren und<lb/>
&#x017F;ehend machen/ &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir ja freylich<lb/>
unwi&#x017F;&#x017F;end und blind &#x017F;eyn. Die &#x017F;ich a-<lb/>
ber fu&#x0364;r wi&#x017F;&#x017F;end und &#x017F;ehend halten/ die<lb/>
ko&#x0364;nnen nicht erleuchtet werden/ denn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind ja &#x017F;chon (ihrem Ver&#x017F;tande nach)<lb/>
&#x017F;ehend. Ja wenn auch Chri&#x017F;tus &#x017F;ie &#x017F;chon<lb/>
erleuchten will/ und &#x017F;ie nicht wollen/ wie<lb/>
kan ihnen denn geholffen werden? Wenn<lb/>
ein Krancker zum Artzt wolte &#x017F;agen: ich<lb/>
bin all ge&#x017F;und/ ich begehre eure Artzney<lb/>
nicht; &#x017F;o wird ihm ja auch der Artzt mit<lb/>
&#x017F;einer Artzney nicht helffen/ noch helffen<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Wer nun al&#x017F;o von Chri&#x017F;to will ge-<lb/>
lehret &#x017F;eyn/ der muß gewiß auch un-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;end und mu&#x0364;h&#x017F;elig &#x017F;eyn; denn al&#x017F;o &#x017F;te-<lb/>
het ge&#x017F;chrieben: <hi rendition="#fr">Kommet her zu mir<lb/>
alle/ die ihr</hi> <hi rendition="#aq">NB.</hi> <hi rendition="#fr">mu&#x0364;h&#x017F;elig und be-<lb/>
laden &#x017F;eyd;</hi> nicht/ die ihr euch &#x017F;chon fu&#x0364;r<lb/>
wei&#x017F;e/ aufgerichtet und nicht beladen<lb/>
haltet. Und al&#x017F;o ko&#x0364;nnen wir/ wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0148] Wahres Chriſtenth. C. IX. aus unſerem Spruch/ daß wir im Geiſt- lichen nach dem Fall gantz blind ſind; denn wenn uns Chriſtus ſoll lehren und ſehend machen/ ſo muͤſſen wir ja freylich unwiſſend und blind ſeyn. Die ſich a- ber fuͤr wiſſend und ſehend halten/ die koͤnnen nicht erleuchtet werden/ denn ſie ſind ja ſchon (ihrem Verſtande nach) ſehend. Ja wenn auch Chriſtus ſie ſchon erleuchten will/ und ſie nicht wollen/ wie kan ihnen denn geholffen werden? Wenn ein Krancker zum Artzt wolte ſagen: ich bin all geſund/ ich begehre eure Artzney nicht; ſo wird ihm ja auch der Artzt mit ſeiner Artzney nicht helffen/ noch helffen koͤnnen. Wer nun alſo von Chriſto will ge- lehret ſeyn/ der muß gewiß auch un- wiſſend und muͤhſelig ſeyn; denn alſo ſte- het geſchrieben: Kommet her zu mir alle/ die ihr NB. muͤhſelig und be- laden ſeyd; nicht/ die ihr euch ſchon fuͤr weiſe/ aufgerichtet und nicht beladen haltet. Und alſo koͤnnen wir/ wenn wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arends_exter_1708
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arends_exter_1708/148
Zitationshilfe: Arnds, Wilhelm Erasmus: Eines zehen-jährigen Knabens Christlieb Leberecht von Exter/ aus Zerbst/ Christlich geführter Lebens-Lauff. Halle (Saale), 1708, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arends_exter_1708/148>, abgerufen am 21.11.2024.