recht, da sitzt eine ehrenwerthe Familie eben am Mittagsmahl. Wir erneuern blos eine alte Englische Bekanntschaft; vermissen aber durchaus deren Behaglichkeit, Weile und Eßsinnigkeit. Wie lästig muß den Dollarmännern doch dieß Geschäft sein, mit welcher hastigen Verdrießlichkeit schlingen und schlucken sie, und eilen mit der geschäftsstörenden Pause so schnell als möglich fer- tig zu werden. Es sind keine fünf Minuten vergangen, und schon steht Einer nach dem Andern eilfertig auf, und geht, noch käuend, ab.
Eilen wir, eben so schnell wieder nach Deutschland zurück- zukommen, und weder die Brasilianischen Riemen von, an der Sonne gedörrtem Büffelfleisch, noch das in Bärentalg und Hei- delbeeren gesottene Hundefleisch von Labrador sollen uns zu- rückhalten.
Möge jene Amerikanische freudlose Geldkümmerlichkeit sich nicht auch bei uns einnisten und uns ruhigen behaglichen Ge- nuß am Schönen und Geschmackvollen vergällen! Wollen wir doch, so viel an uns ist, dahin wirken, daß es uns und unseren Mitbrüdern auf Erden wieder schmeckt und immer besser schmeckt, trotz den zum Theil überstandenen, zum Theil noch drückenden Wirren, Zerrissenheiten und unvergnüglichen Lumpereien und Dummheiten aller Art! -- Da wir sahen, daß es dergleichen auf der Welt, und noch viel Lästigeres, giebt, schlägt's um so mehr in's Fach des sogenannten Deutschen Trostes. Eines schickt sich nicht für Alle, und jeder kann sich's schmecken lassen, wenn er's versteht, und Andere auch. Für die geringere Ver- dauungskraft Vieler schickt sich milde Pflanzenkost, Fastenspei- sen und Aehnliches; einem kräftigen Magen gehört sein angemes- senes Stück Braten.
Wir haben also das Ideal nicht gefunden. Es wär' auch dumm gewesen, es im Ernst als in Fleisch und Bein daseiend zu suchen. Gescheidt wär's aber, sich ihm dadurch zu nähern, daß wir das Gute und Geschmackvolle aller Nationen näher zu
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recht, da ſitzt eine ehrenwerthe Familie eben am Mittagsmahl. Wir erneuern blos eine alte Engliſche Bekanntſchaft; vermiſſen aber durchaus deren Behaglichkeit, Weile und Eßſinnigkeit. Wie laͤſtig muß den Dollarmaͤnnern doch dieß Geſchaͤft ſein, mit welcher haſtigen Verdrießlichkeit ſchlingen und ſchlucken ſie, und eilen mit der geſchaͤftsſtoͤrenden Pauſe ſo ſchnell als moͤglich fer- tig zu werden. Es ſind keine fuͤnf Minuten vergangen, und ſchon ſteht Einer nach dem Andern eilfertig auf, und geht, noch kaͤuend, ab.
Eilen wir, eben ſo ſchnell wieder nach Deutſchland zuruͤck- zukommen, und weder die Braſilianiſchen Riemen von, an der Sonne gedoͤrrtem Buͤffelfleiſch, noch das in Baͤrentalg und Hei- delbeeren geſottene Hundefleiſch von Labrador ſollen uns zu- ruͤckhalten.
Moͤge jene Amerikaniſche freudloſe Geldkuͤmmerlichkeit ſich nicht auch bei uns einniſten und uns ruhigen behaglichen Ge- nuß am Schoͤnen und Geſchmackvollen vergaͤllen! Wollen wir doch, ſo viel an uns iſt, dahin wirken, daß es uns und unſeren Mitbruͤdern auf Erden wieder ſchmeckt und immer beſſer ſchmeckt, trotz den zum Theil uͤberſtandenen, zum Theil noch druͤckenden Wirren, Zerriſſenheiten und unvergnuͤglichen Lumpereien und Dummheiten aller Art! — Da wir ſahen, daß es dergleichen auf der Welt, und noch viel Laͤſtigeres, giebt, ſchlaͤgt’s um ſo mehr in’s Fach des ſogenannten Deutſchen Troſtes. Eines ſchickt ſich nicht fuͤr Alle, und jeder kann ſich’s ſchmecken laſſen, wenn er’s verſteht, und Andere auch. Fuͤr die geringere Ver- dauungskraft Vieler ſchickt ſich milde Pflanzenkoſt, Faſtenſpei- ſen und Aehnliches; einem kraͤftigen Magen gehoͤrt ſein angemeſ- ſenes Stuͤck Braten.
Wir haben alſo das Ideal nicht gefunden. Es waͤr’ auch dumm geweſen, es im Ernſt als in Fleiſch und Bein daſeiend zu ſuchen. Geſcheidt waͤr’s aber, ſich ihm dadurch zu naͤhern, daß wir das Gute und Geſchmackvolle aller Nationen naͤher zu
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recht, da ſitzt eine ehrenwerthe Familie eben am Mittagsmahl.
Wir erneuern blos eine alte Engliſche Bekanntſchaft; vermiſſen
aber durchaus deren Behaglichkeit, Weile und Eßſinnigkeit. Wie
laͤſtig muß den Dollarmaͤnnern doch dieß Geſchaͤft ſein, mit
welcher haſtigen Verdrießlichkeit ſchlingen und ſchlucken ſie, und
eilen mit der geſchaͤftsſtoͤrenden Pauſe ſo ſchnell als moͤglich fer-
tig zu werden. Es ſind keine fuͤnf Minuten vergangen, und
ſchon ſteht Einer nach dem Andern eilfertig auf, und geht, noch
kaͤuend, ab.
Eilen wir, eben ſo ſchnell wieder nach Deutſchland zuruͤck-
zukommen, und weder die Braſilianiſchen Riemen von, an der
Sonne gedoͤrrtem Buͤffelfleiſch, noch das in Baͤrentalg und Hei-
delbeeren geſottene Hundefleiſch von Labrador ſollen uns zu-
ruͤckhalten.
Moͤge jene Amerikaniſche freudloſe Geldkuͤmmerlichkeit ſich
nicht auch bei uns einniſten und uns ruhigen behaglichen Ge-
nuß am Schoͤnen und Geſchmackvollen vergaͤllen! Wollen wir
doch, ſo viel an uns iſt, dahin wirken, daß es uns und unſeren
Mitbruͤdern auf Erden wieder ſchmeckt und immer beſſer ſchmeckt,
trotz den zum Theil uͤberſtandenen, zum Theil noch druͤckenden
Wirren, Zerriſſenheiten und unvergnuͤglichen Lumpereien und
Dummheiten aller Art! — Da wir ſahen, daß es dergleichen
auf der Welt, und noch viel Laͤſtigeres, giebt, ſchlaͤgt’s um ſo
mehr in’s Fach des ſogenannten Deutſchen Troſtes. Eines
ſchickt ſich nicht fuͤr Alle, und jeder kann ſich’s ſchmecken laſſen,
wenn er’s verſteht, und Andere auch. Fuͤr die geringere Ver-
dauungskraft Vieler ſchickt ſich milde Pflanzenkoſt, Faſtenſpei-
ſen und Aehnliches; einem kraͤftigen Magen gehoͤrt ſein angemeſ-
ſenes Stuͤck Braten.
Wir haben alſo das Ideal nicht gefunden. Es waͤr’ auch
dumm geweſen, es im Ernſt als in Fleiſch und Bein daſeiend
zu ſuchen. Geſcheidt waͤr’s aber, ſich ihm dadurch zu naͤhern,
daß wir das Gute und Geſchmackvolle aller Nationen naͤher zu
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/81>, abgerufen am 23.07.2024.
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