hilflichen (nicht culinarischen) lateinischen Terminus "Placenta" zu bezeichnen wage.
Zur augenfälligen Bestätigung des schon von Herrn von Rumohr ausgesprochnen Satzes: daß der Mensch ist wie er ißt, nenne ich nur noch die Ostjacken, die nicht einmal eine be- stimmte Zeit zum Essen haben, sondern sich, je nachdem dieser oder jener gerade Hunger, oder was zu essen hat, an dem im- mer in der Mitte der Hütte brennenden Feuer kochen oder bra- ten. Doch fressen sie ihre Fische, oder noch lieber deren Fett allein, auch häufig roh. Eben so: Hirn, Herz, Lunge, Leber und das Mark des erlegten Wildprets. Ihren Götterbildern schmieren sie das Maul mit Fischfett.
Ueber die Menschenfresser sage ich gar nichts. Wer recht deutlich hierüber, namentlich wie sehr man sich vor ihnen fürchten könnte, berichtet sein will, lese die berühmte Brasilia- nische Reise von Spix und Martius. Auch die Thon- und Erdenesser, so wie die Betelkauer verschiedener Nationen ver- dienen keine nähere Erwähnung.
Von Afrika erwähne ich nur, und zwar kurz, die civilisirte- ren südlichsten und nördlichsten Punkte. Entdeckungsreisen in's Innere von Afrika sind bekanntlich sehr mißlich, und würden uns auch zu geringe Resultate gewähren.
In Oran ißt man häufig Omelettes von Straußeneiern, und die Löwen und Schakalsbraten finden viele Liebhaber. Da- gegen sollen gebratene Affen ein ganz absonderliches Bild dar- bieten, und indem sie an einen heiligen Laurentius, Bartholo- mäus und andere schauderhaft entstellte Märtyrer erinnern, für feinere Geschmäcke sehr viel Abstoßendes haben.
Die wohlhabenderen Colonisten am Cap, besonders die Holländischen, zeichnen sich mehr durch die Frequenz ihrer Mahlzeiten, deren sie nicht weniger als sieben täglich zu halten pflegen, als durch irgend welche Besonderheiten der Speisen oder des Essens aus. Morgens um sechs Uhr wird Caffee mit
hilflichen (nicht culinariſchen) lateiniſchen Terminus „Placenta“ zu bezeichnen wage.
Zur augenfaͤlligen Beſtaͤtigung des ſchon von Herrn von Rumohr ausgeſprochnen Satzes: daß der Menſch iſt wie er ißt, nenne ich nur noch die Oſtjacken, die nicht einmal eine be- ſtimmte Zeit zum Eſſen haben, ſondern ſich, je nachdem dieſer oder jener gerade Hunger, oder was zu eſſen hat, an dem im- mer in der Mitte der Huͤtte brennenden Feuer kochen oder bra- ten. Doch freſſen ſie ihre Fiſche, oder noch lieber deren Fett allein, auch haͤufig roh. Eben ſo: Hirn, Herz, Lunge, Leber und das Mark des erlegten Wildprets. Ihren Goͤtterbildern ſchmieren ſie das Maul mit Fiſchfett.
Ueber die Menſchenfreſſer ſage ich gar nichts. Wer recht deutlich hieruͤber, namentlich wie ſehr man ſich vor ihnen fuͤrchten koͤnnte, berichtet ſein will, leſe die beruͤhmte Braſilia- niſche Reiſe von Spix und Martius. Auch die Thon- und Erdeneſſer, ſo wie die Betelkauer verſchiedener Nationen ver- dienen keine naͤhere Erwaͤhnung.
Von Afrika erwaͤhne ich nur, und zwar kurz, die civiliſirte- ren ſuͤdlichſten und noͤrdlichſten Punkte. Entdeckungsreiſen in’s Innere von Afrika ſind bekanntlich ſehr mißlich, und wuͤrden uns auch zu geringe Reſultate gewaͤhren.
In Oran ißt man haͤufig Omelettes von Straußeneiern, und die Loͤwen und Schakalsbraten finden viele Liebhaber. Da- gegen ſollen gebratene Affen ein ganz abſonderliches Bild dar- bieten, und indem ſie an einen heiligen Laurentius, Bartholo- maͤus und andere ſchauderhaft entſtellte Maͤrtyrer erinnern, fuͤr feinere Geſchmaͤcke ſehr viel Abſtoßendes haben.
Die wohlhabenderen Coloniſten am Cap, beſonders die Hollaͤndiſchen, zeichnen ſich mehr durch die Frequenz ihrer Mahlzeiten, deren ſie nicht weniger als ſieben taͤglich zu halten pflegen, als durch irgend welche Beſonderheiten der Speiſen oder des Eſſens aus. Morgens um ſechs Uhr wird Caffee mit
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hilflichen (nicht culinariſchen) lateiniſchen Terminus „Placenta“
zu bezeichnen wage.
Zur augenfaͤlligen Beſtaͤtigung des ſchon von Herrn von
Rumohr ausgeſprochnen Satzes: daß der Menſch iſt wie er
ißt, nenne ich nur noch die Oſtjacken, die nicht einmal eine be-
ſtimmte Zeit zum Eſſen haben, ſondern ſich, je nachdem dieſer
oder jener gerade Hunger, oder was zu eſſen hat, an dem im-
mer in der Mitte der Huͤtte brennenden Feuer kochen oder bra-
ten. Doch freſſen ſie ihre Fiſche, oder noch lieber deren Fett
allein, auch haͤufig roh. Eben ſo: Hirn, Herz, Lunge, Leber
und das Mark des erlegten Wildprets. Ihren Goͤtterbildern
ſchmieren ſie das Maul mit Fiſchfett.
Ueber die Menſchenfreſſer ſage ich gar nichts. Wer recht
deutlich hieruͤber, namentlich wie ſehr man ſich vor ihnen
fuͤrchten koͤnnte, berichtet ſein will, leſe die beruͤhmte Braſilia-
niſche Reiſe von Spix und Martius. Auch die Thon- und
Erdeneſſer, ſo wie die Betelkauer verſchiedener Nationen ver-
dienen keine naͤhere Erwaͤhnung.
Von Afrika erwaͤhne ich nur, und zwar kurz, die civiliſirte-
ren ſuͤdlichſten und noͤrdlichſten Punkte. Entdeckungsreiſen in’s
Innere von Afrika ſind bekanntlich ſehr mißlich, und wuͤrden
uns auch zu geringe Reſultate gewaͤhren.
In Oran ißt man haͤufig Omelettes von Straußeneiern,
und die Loͤwen und Schakalsbraten finden viele Liebhaber. Da-
gegen ſollen gebratene Affen ein ganz abſonderliches Bild dar-
bieten, und indem ſie an einen heiligen Laurentius, Bartholo-
maͤus und andere ſchauderhaft entſtellte Maͤrtyrer erinnern, fuͤr
feinere Geſchmaͤcke ſehr viel Abſtoßendes haben.
Die wohlhabenderen Coloniſten am Cap, beſonders die
Hollaͤndiſchen, zeichnen ſich mehr durch die Frequenz ihrer
Mahlzeiten, deren ſie nicht weniger als ſieben taͤglich zu halten
pflegen, als durch irgend welche Beſonderheiten der Speiſen
oder des Eſſens aus. Morgens um ſechs Uhr wird Caffee mit
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/67>, abgerufen am 23.07.2024.
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