Der mit Blumentöpfen, Mahlereien und Porzellan gezierte Saal enthält so viel Tafeln, als Gäste erscheinen sollen. Sel- ten werden, wegen der Menge der Eingeladenen, zwei, noch selt- ner drei Gäste an einen Tisch gesetzt. Diese stehen nach der Reihe an den Wänden und die Gäste sitzen einander gegenüber in Armstühlen. Jede Tafel ist, wie ein Altar, vorn mit einem gestickten seidenen Tuch behangen, und zwar weder mit Tisch- tüchern noch Servietten belegt, doch sehr schön lackirt. An bei- den Seiten stehen pyramidalische Schauessen.
So wie der Herr vom Hause seine Gäste in den Saal ge- führt hat, begrüßt er einen nach den andern, und nachdem er sich, in einer kostbaren Tasse, Wein hat bringen lassen, wendet er sich mit dem Gesichte gegen den großen Hof des Hauses, und geht nach dem Ende des Saales hin. Hier hebt er die Augen gen Himmel, und gießt etwas Wein auf den Boden, um damit anzuzeugen, daß er Alles, was er besitze, der Gunst des Himmels zu danken habe. Hierauf läßt er wieder eine große silberne oder porzellanene Schale mit Wein füllen und setzt sie auf den Tisch, der für ihn bestimmt ist. Vorher macht er aber dem Vornehmsten der Gesellschaft eine Verbeugung, und dieser erwiedert diese Höflichkeit damit, daß er außerordent- lich geschäftig thut, eine ähnliche Schale mit Wein zu füllen und diese auf den Tisch des Wirths, der allemal der niedrigste ist, zu setzen und ihn auf diese Art der Mühe zu überheben. Der Herr des Hauses hält ihn davon durch andere Compli- mente ab etc. etc.
Der Haushofmeister bringt sodann, statt der Gabeln, Stäbchen von Elfenbein und legt sie parallel auf jeden Tisch. Endlich führt der Herr des Hauses seinen vornehmsten Gast zu seinem, mit Auszeichnung verzierten, Lehnstuhl, und ladet ihn unter neuen Verbeugungen ein, sich darauf zu setzen. Dieser verbittet die Ehre und der Wirth will sie allen Anwesenden an-
Der mit Blumentoͤpfen, Mahlereien und Porzellan gezierte Saal enthaͤlt ſo viel Tafeln, als Gaͤſte erſcheinen ſollen. Sel- ten werden, wegen der Menge der Eingeladenen, zwei, noch ſelt- ner drei Gaͤſte an einen Tiſch geſetzt. Dieſe ſtehen nach der Reihe an den Waͤnden und die Gaͤſte ſitzen einander gegenuͤber in Armſtuͤhlen. Jede Tafel iſt, wie ein Altar, vorn mit einem geſtickten ſeidenen Tuch behangen, und zwar weder mit Tiſch- tuͤchern noch Servietten belegt, doch ſehr ſchoͤn lackirt. An bei- den Seiten ſtehen pyramidaliſche Schaueſſen.
So wie der Herr vom Hauſe ſeine Gaͤſte in den Saal ge- fuͤhrt hat, begruͤßt er einen nach den andern, und nachdem er ſich, in einer koſtbaren Taſſe, Wein hat bringen laſſen, wendet er ſich mit dem Geſichte gegen den großen Hof des Hauſes, und geht nach dem Ende des Saales hin. Hier hebt er die Augen gen Himmel, und gießt etwas Wein auf den Boden, um damit anzuzeugen, daß er Alles, was er beſitze, der Gunſt des Himmels zu danken habe. Hierauf laͤßt er wieder eine große ſilberne oder porzellanene Schale mit Wein fuͤllen und ſetzt ſie auf den Tiſch, der fuͤr ihn beſtimmt iſt. Vorher macht er aber dem Vornehmſten der Geſellſchaft eine Verbeugung, und dieſer erwiedert dieſe Hoͤflichkeit damit, daß er außerordent- lich geſchaͤftig thut, eine aͤhnliche Schale mit Wein zu fuͤllen und dieſe auf den Tiſch des Wirths, der allemal der niedrigſte iſt, zu ſetzen und ihn auf dieſe Art der Muͤhe zu uͤberheben. Der Herr des Hauſes haͤlt ihn davon durch andere Compli- mente ab ꝛc. ꝛc.
Der Haushofmeiſter bringt ſodann, ſtatt der Gabeln, Staͤbchen von Elfenbein und legt ſie parallel auf jeden Tiſch. Endlich fuͤhrt der Herr des Hauſes ſeinen vornehmſten Gaſt zu ſeinem, mit Auszeichnung verzierten, Lehnſtuhl, und ladet ihn unter neuen Verbeugungen ein, ſich darauf zu ſetzen. Dieſer verbittet die Ehre und der Wirth will ſie allen Anweſenden an-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0059"n="45"/><p>Der mit Blumentoͤpfen, Mahlereien und Porzellan gezierte<lb/>
Saal enthaͤlt ſo viel Tafeln, als Gaͤſte erſcheinen ſollen. Sel-<lb/>
ten werden, wegen der Menge der Eingeladenen, zwei, noch ſelt-<lb/>
ner drei Gaͤſte an einen Tiſch geſetzt. Dieſe ſtehen nach der<lb/>
Reihe an den Waͤnden und die Gaͤſte ſitzen einander gegenuͤber<lb/>
in Armſtuͤhlen. Jede Tafel iſt, wie ein Altar, vorn mit einem<lb/>
geſtickten ſeidenen Tuch behangen, und zwar weder mit Tiſch-<lb/>
tuͤchern noch Servietten belegt, doch ſehr ſchoͤn lackirt. An bei-<lb/>
den Seiten ſtehen pyramidaliſche Schaueſſen.</p><lb/><p>So wie der Herr vom Hauſe ſeine Gaͤſte in den Saal ge-<lb/>
fuͤhrt hat, begruͤßt er einen nach den andern, und nachdem er<lb/>ſich, in einer koſtbaren Taſſe, Wein hat bringen laſſen, wendet<lb/>
er ſich mit dem Geſichte gegen den großen Hof des Hauſes,<lb/>
und geht nach dem Ende des Saales hin. Hier hebt er die<lb/>
Augen gen Himmel, und gießt etwas Wein auf den Boden,<lb/>
um damit anzuzeugen, daß er Alles, was er beſitze, der Gunſt<lb/>
des Himmels zu danken habe. Hierauf laͤßt er wieder eine<lb/>
große ſilberne oder porzellanene Schale mit Wein fuͤllen und<lb/>ſetzt ſie auf den Tiſch, der fuͤr ihn beſtimmt iſt. Vorher macht<lb/>
er aber dem Vornehmſten der Geſellſchaft eine Verbeugung,<lb/>
und dieſer erwiedert dieſe Hoͤflichkeit damit, daß er außerordent-<lb/>
lich geſchaͤftig thut, eine aͤhnliche Schale mit Wein zu fuͤllen<lb/>
und dieſe auf den Tiſch des Wirths, der allemal der niedrigſte<lb/>
iſt, zu ſetzen und ihn auf dieſe Art der Muͤhe zu uͤberheben.<lb/>
Der Herr des Hauſes haͤlt ihn davon durch andere Compli-<lb/>
mente ab ꝛc. ꝛc.</p><lb/><p>Der Haushofmeiſter bringt ſodann, ſtatt der Gabeln,<lb/>
Staͤbchen von Elfenbein und legt ſie parallel auf jeden Tiſch.<lb/>
Endlich fuͤhrt der Herr des Hauſes ſeinen vornehmſten Gaſt zu<lb/>ſeinem, mit Auszeichnung verzierten, Lehnſtuhl, und ladet ihn<lb/>
unter neuen Verbeugungen ein, ſich darauf zu ſetzen. Dieſer<lb/>
verbittet die Ehre und der Wirth will ſie allen Anweſenden an-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[45/0059]
Der mit Blumentoͤpfen, Mahlereien und Porzellan gezierte
Saal enthaͤlt ſo viel Tafeln, als Gaͤſte erſcheinen ſollen. Sel-
ten werden, wegen der Menge der Eingeladenen, zwei, noch ſelt-
ner drei Gaͤſte an einen Tiſch geſetzt. Dieſe ſtehen nach der
Reihe an den Waͤnden und die Gaͤſte ſitzen einander gegenuͤber
in Armſtuͤhlen. Jede Tafel iſt, wie ein Altar, vorn mit einem
geſtickten ſeidenen Tuch behangen, und zwar weder mit Tiſch-
tuͤchern noch Servietten belegt, doch ſehr ſchoͤn lackirt. An bei-
den Seiten ſtehen pyramidaliſche Schaueſſen.
So wie der Herr vom Hauſe ſeine Gaͤſte in den Saal ge-
fuͤhrt hat, begruͤßt er einen nach den andern, und nachdem er
ſich, in einer koſtbaren Taſſe, Wein hat bringen laſſen, wendet
er ſich mit dem Geſichte gegen den großen Hof des Hauſes,
und geht nach dem Ende des Saales hin. Hier hebt er die
Augen gen Himmel, und gießt etwas Wein auf den Boden,
um damit anzuzeugen, daß er Alles, was er beſitze, der Gunſt
des Himmels zu danken habe. Hierauf laͤßt er wieder eine
große ſilberne oder porzellanene Schale mit Wein fuͤllen und
ſetzt ſie auf den Tiſch, der fuͤr ihn beſtimmt iſt. Vorher macht
er aber dem Vornehmſten der Geſellſchaft eine Verbeugung,
und dieſer erwiedert dieſe Hoͤflichkeit damit, daß er außerordent-
lich geſchaͤftig thut, eine aͤhnliche Schale mit Wein zu fuͤllen
und dieſe auf den Tiſch des Wirths, der allemal der niedrigſte
iſt, zu ſetzen und ihn auf dieſe Art der Muͤhe zu uͤberheben.
Der Herr des Hauſes haͤlt ihn davon durch andere Compli-
mente ab ꝛc. ꝛc.
Der Haushofmeiſter bringt ſodann, ſtatt der Gabeln,
Staͤbchen von Elfenbein und legt ſie parallel auf jeden Tiſch.
Endlich fuͤhrt der Herr des Hauſes ſeinen vornehmſten Gaſt zu
ſeinem, mit Auszeichnung verzierten, Lehnſtuhl, und ladet ihn
unter neuen Verbeugungen ein, ſich darauf zu ſetzen. Dieſer
verbittet die Ehre und der Wirth will ſie allen Anweſenden an-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/59>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.