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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Dagegen verdiente die Sitte, daß das Vorschneiden in
besonderen Schulen regelmäßig gelehrt wurde, bei uns wieder-
eingeführt zu werden. Daß aber bei großen Gastmählern die
Römischen Vorschneider nach dem Takt der Tafelmusik tran-
schirten, spricht wieder für jene gerügte Uebertreibung.

Man hat den Römern vorgeworfen, daß sie Ratten geges-
sen hätten. Winckelmann weist nach, daß es eine Art Feld-
mäuse gewesen sei, die sich in Kastanienwäldern aufhielten und
nährten, und welche überdieß noch in eigenen Behältnissen
(glinarium) gefüttert und fett gemacht wurden. Auch dieß
verdiente Wiedereinführung. Sonderbar ist's, was ebenfalls
Winckelmann darthut, daß nämlich die Zitronen von den
Römern nicht gegessen, überhaupt nicht zu Speisen verwendet
wurden. Doch ich beschränke mich hier billig, so leicht es mir
auch wäre, noch Unendliches aus den, speziell über antikes
Essen handelnden, Antiquaren Stuckius, Puteanus, Ma-
nelphus, Ursinus, Ciacconius, Bulengerus, Thoma-
sini, Lipsius, Framondus, Patius, Cornarius
und A.
anzuführen.

Die sehr passende Römische Eintheilung der Essenszeiten
in zwei Mahlzeiten, Dejeauner a la fourchette und Deiner, ist
meinem sehr verehrten Auditorium noch von der Schule her
hinlänglich bekannt, und ich will an den Umstand, daß dieselbe
Eintheilung, welche noch in's Mittelalter hinein sich erhielt,
später erlosch, und erst in der neueren Zeit von Franzosen und
Engländern und in der gebildeten Welt in großen Städten und
Häusern überhaupt nach Verdienst gewürdigt und wieder ein-
geführt wurde, nur die tröstliche Bemerkung knüpfen, daß,
wenn auch das Wahre zuweilen durch die Nacht einbrechender
Barbarei vernichtet scheint, doch immer wieder safranfarbige
morgenröthliche Tage einer neueren Zeit es von Frischem wecken
und reifen.

Ehe ich nun der dicken Nacht, oder, wie Andere lieber wollen:

3*

Dagegen verdiente die Sitte, daß das Vorſchneiden in
beſonderen Schulen regelmaͤßig gelehrt wurde, bei uns wieder-
eingefuͤhrt zu werden. Daß aber bei großen Gaſtmaͤhlern die
Roͤmiſchen Vorſchneider nach dem Takt der Tafelmuſik tran-
ſchirten, ſpricht wieder fuͤr jene geruͤgte Uebertreibung.

Man hat den Roͤmern vorgeworfen, daß ſie Ratten gegeſ-
ſen haͤtten. Winckelmann weiſt nach, daß es eine Art Feld-
maͤuſe geweſen ſei, die ſich in Kaſtanienwaͤldern aufhielten und
naͤhrten, und welche uͤberdieß noch in eigenen Behaͤltniſſen
(glinarium) gefuͤttert und fett gemacht wurden. Auch dieß
verdiente Wiedereinfuͤhrung. Sonderbar iſt’s, was ebenfalls
Winckelmann darthut, daß naͤmlich die Zitronen von den
Roͤmern nicht gegeſſen, uͤberhaupt nicht zu Speiſen verwendet
wurden. Doch ich beſchraͤnke mich hier billig, ſo leicht es mir
auch waͤre, noch Unendliches aus den, ſpeziell uͤber antikes
Eſſen handelnden, Antiquaren Stuckius, Puteanus, Ma-
nelphus, Urſinus, Ciacconius, Bulengerus, Thoma-
ſini, Lipſius, Framondus, Patius, Cornarius
und A.
anzufuͤhren.

Die ſehr paſſende Roͤmiſche Eintheilung der Eſſenszeiten
in zwei Mahlzeiten, Déjeûner à la fourchette und Dîner, iſt
meinem ſehr verehrten Auditorium noch von der Schule her
hinlaͤnglich bekannt, und ich will an den Umſtand, daß dieſelbe
Eintheilung, welche noch in’s Mittelalter hinein ſich erhielt,
ſpaͤter erloſch, und erſt in der neueren Zeit von Franzoſen und
Englaͤndern und in der gebildeten Welt in großen Staͤdten und
Haͤuſern uͤberhaupt nach Verdienſt gewuͤrdigt und wieder ein-
gefuͤhrt wurde, nur die troͤſtliche Bemerkung knuͤpfen, daß,
wenn auch das Wahre zuweilen durch die Nacht einbrechender
Barbarei vernichtet ſcheint, doch immer wieder ſafranfarbige
morgenroͤthliche Tage einer neueren Zeit es von Friſchem wecken
und reifen.

Ehe ich nun der dicken Nacht, oder, wie Andere lieber wollen:

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[35/0049] Dagegen verdiente die Sitte, daß das Vorſchneiden in beſonderen Schulen regelmaͤßig gelehrt wurde, bei uns wieder- eingefuͤhrt zu werden. Daß aber bei großen Gaſtmaͤhlern die Roͤmiſchen Vorſchneider nach dem Takt der Tafelmuſik tran- ſchirten, ſpricht wieder fuͤr jene geruͤgte Uebertreibung. Man hat den Roͤmern vorgeworfen, daß ſie Ratten gegeſ- ſen haͤtten. Winckelmann weiſt nach, daß es eine Art Feld- maͤuſe geweſen ſei, die ſich in Kaſtanienwaͤldern aufhielten und naͤhrten, und welche uͤberdieß noch in eigenen Behaͤltniſſen (glinarium) gefuͤttert und fett gemacht wurden. Auch dieß verdiente Wiedereinfuͤhrung. Sonderbar iſt’s, was ebenfalls Winckelmann darthut, daß naͤmlich die Zitronen von den Roͤmern nicht gegeſſen, uͤberhaupt nicht zu Speiſen verwendet wurden. Doch ich beſchraͤnke mich hier billig, ſo leicht es mir auch waͤre, noch Unendliches aus den, ſpeziell uͤber antikes Eſſen handelnden, Antiquaren Stuckius, Puteanus, Ma- nelphus, Urſinus, Ciacconius, Bulengerus, Thoma- ſini, Lipſius, Framondus, Patius, Cornarius und A. anzufuͤhren. Die ſehr paſſende Roͤmiſche Eintheilung der Eſſenszeiten in zwei Mahlzeiten, Déjeûner à la fourchette und Dîner, iſt meinem ſehr verehrten Auditorium noch von der Schule her hinlaͤnglich bekannt, und ich will an den Umſtand, daß dieſelbe Eintheilung, welche noch in’s Mittelalter hinein ſich erhielt, ſpaͤter erloſch, und erſt in der neueren Zeit von Franzoſen und Englaͤndern und in der gebildeten Welt in großen Staͤdten und Haͤuſern uͤberhaupt nach Verdienſt gewuͤrdigt und wieder ein- gefuͤhrt wurde, nur die troͤſtliche Bemerkung knuͤpfen, daß, wenn auch das Wahre zuweilen durch die Nacht einbrechender Barbarei vernichtet ſcheint, doch immer wieder ſafranfarbige morgenroͤthliche Tage einer neueren Zeit es von Friſchem wecken und reifen. Ehe ich nun der dicken Nacht, oder, wie Andere lieber wollen: 3*

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/49>, abgerufen am 21.11.2024.