kaum einer Erwähnung, wäre nicht in Semilasso's vorletztem Weltgang bemerkt, daß selbst an vielen Deutschen Höfen das Silbergeschirr, wegen Mangel des Putzens, oft wie Zinn aussähe.
In Berlin giebt man neuerdings zu Krebsen rosenfarbene Servietten. Wer die Klagen reinlicher Hausfrauen gehört, wie schwer weiße Servietten von allen Krebsfleckenspuren zu befreien sind, wird jene, und sich selbst dadurch, zu empfehlen wissen.
In Gasthäusern trifft man häufig den lobenswerthen Ge- brauch, daß Zahnstocher auf und in allerlei künstlichen, sinnigen Vorrichtungen, -- z. B. mit Zahnstochern gefüllte Köcher tra- genden Amoretten, Stachelschweinen und dergleichen -- zum Gebrauch der Gäste auf der Tafel stehen. Man giebt diese Zahnstocher auch aus wohlriechendem Holze. Ich halte das Einfachere für besser. Daß man aber Zahnstocher überhaupt zur Verfügung stellt, verdiente auch bei Privatgastmählern fleißigere Nachahmung. Der wahre Eßkünstler wird zwar eben so wenig jemals ohne Zahnstocher ausgehen, als der Trinker ohne Pfropfzieher, der Offizier ohne Degen, die Hoffnung ohne Anker oder mein Freund S. ohne Regenschirm; aber es ist ja nicht jeder, der ißt, ein Eßkünstler und "Superflua non nocent" sagt der Jurist.
So sollte man sich auch nicht damit begnügen, blos ein- fache Salzfässer auf den Tisch zu stellen, sondern wohlassortirte complete Gewürzbüchsen, die zwar nicht gerade von oder nach Benvenuto Cellini zu sein brauchen, aber doch sonst eine anmuthige Form haben sollten. Möge man diesen unmaß- geblichen Vorschlag nicht befremdlich finden, sondern lieber dar- auf eingehen. Der Eßkünstler wird sich zwar nur mit der höchsten Sparsamkeit der Gewürze bedienen, aber eben so ungern dieselben vermissen, wo er Einzelnes zu ergänzen, zu vervoll- ständigen, zu verbessern nöthig findet. Uebrigens stößt man
kaum einer Erwaͤhnung, waͤre nicht in Semilaſſo’s vorletztem Weltgang bemerkt, daß ſelbſt an vielen Deutſchen Hoͤfen das Silbergeſchirr, wegen Mangel des Putzens, oft wie Zinn ausſaͤhe.
In Berlin giebt man neuerdings zu Krebſen roſenfarbene Servietten. Wer die Klagen reinlicher Hausfrauen gehoͤrt, wie ſchwer weiße Servietten von allen Krebsfleckenſpuren zu befreien ſind, wird jene, und ſich ſelbſt dadurch, zu empfehlen wiſſen.
In Gaſthaͤuſern trifft man haͤufig den lobenswerthen Ge- brauch, daß Zahnſtocher auf und in allerlei kuͤnſtlichen, ſinnigen Vorrichtungen, — z. B. mit Zahnſtochern gefuͤllte Koͤcher tra- genden Amoretten, Stachelſchweinen und dergleichen — zum Gebrauch der Gaͤſte auf der Tafel ſtehen. Man giebt dieſe Zahnſtocher auch aus wohlriechendem Holze. Ich halte das Einfachere fuͤr beſſer. Daß man aber Zahnſtocher uͤberhaupt zur Verfuͤgung ſtellt, verdiente auch bei Privatgaſtmaͤhlern fleißigere Nachahmung. Der wahre Eßkuͤnſtler wird zwar eben ſo wenig jemals ohne Zahnſtocher ausgehen, als der Trinker ohne Pfropfzieher, der Offizier ohne Degen, die Hoffnung ohne Anker oder mein Freund S. ohne Regenſchirm; aber es iſt ja nicht jeder, der ißt, ein Eßkuͤnſtler und „Superflua non nocent“ ſagt der Juriſt.
So ſollte man ſich auch nicht damit begnuͤgen, blos ein- fache Salzfaͤſſer auf den Tiſch zu ſtellen, ſondern wohlaſſortirte complete Gewuͤrzbuͤchſen, die zwar nicht gerade von oder nach Benvenuto Cellini zu ſein brauchen, aber doch ſonſt eine anmuthige Form haben ſollten. Moͤge man dieſen unmaß- geblichen Vorſchlag nicht befremdlich finden, ſondern lieber dar- auf eingehen. Der Eßkuͤnſtler wird ſich zwar nur mit der hoͤchſten Sparſamkeit der Gewuͤrze bedienen, aber eben ſo ungern dieſelben vermiſſen, wo er Einzelnes zu ergaͤnzen, zu vervoll- ſtaͤndigen, zu verbeſſern noͤthig findet. Uebrigens ſtoͤßt man
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kaum einer Erwaͤhnung, waͤre nicht in Semilaſſo’s vorletztem
Weltgang bemerkt, daß ſelbſt an vielen Deutſchen Hoͤfen das
Silbergeſchirr, wegen Mangel des Putzens, oft wie Zinn
ausſaͤhe.
In Berlin giebt man neuerdings zu Krebſen roſenfarbene
Servietten. Wer die Klagen reinlicher Hausfrauen gehoͤrt,
wie ſchwer weiße Servietten von allen Krebsfleckenſpuren zu
befreien ſind, wird jene, und ſich ſelbſt dadurch, zu empfehlen
wiſſen.
In Gaſthaͤuſern trifft man haͤufig den lobenswerthen Ge-
brauch, daß Zahnſtocher auf und in allerlei kuͤnſtlichen, ſinnigen
Vorrichtungen, — z. B. mit Zahnſtochern gefuͤllte Koͤcher tra-
genden Amoretten, Stachelſchweinen und dergleichen — zum
Gebrauch der Gaͤſte auf der Tafel ſtehen. Man giebt dieſe
Zahnſtocher auch aus wohlriechendem Holze. Ich halte das
Einfachere fuͤr beſſer. Daß man aber Zahnſtocher uͤberhaupt
zur Verfuͤgung ſtellt, verdiente auch bei Privatgaſtmaͤhlern
fleißigere Nachahmung. Der wahre Eßkuͤnſtler wird zwar eben
ſo wenig jemals ohne Zahnſtocher ausgehen, als der Trinker
ohne Pfropfzieher, der Offizier ohne Degen, die Hoffnung ohne
Anker oder mein Freund S. ohne Regenſchirm; aber es iſt ja
nicht jeder, der ißt, ein Eßkuͤnſtler und „Superflua non nocent“
ſagt der Juriſt.
So ſollte man ſich auch nicht damit begnuͤgen, blos ein-
fache Salzfaͤſſer auf den Tiſch zu ſtellen, ſondern wohlaſſortirte
complete Gewuͤrzbuͤchſen, die zwar nicht gerade von oder nach
Benvenuto Cellini zu ſein brauchen, aber doch ſonſt eine
anmuthige Form haben ſollten. Moͤge man dieſen unmaß-
geblichen Vorſchlag nicht befremdlich finden, ſondern lieber dar-
auf eingehen. Der Eßkuͤnſtler wird ſich zwar nur mit der
hoͤchſten Sparſamkeit der Gewuͤrze bedienen, aber eben ſo ungern
dieſelben vermiſſen, wo er Einzelnes zu ergaͤnzen, zu vervoll-
ſtaͤndigen, zu verbeſſern noͤthig findet. Uebrigens ſtoͤßt man
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/217>, abgerufen am 23.07.2024.
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