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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Simultan-Essen von selbst. Doch läßt sich nicht läugnen,
daß das Spezifische klarer und bestimmter dann hervortritt,
wenn man jedes zunächst für sich mit je darauf folgendem
Gegensatze kaut, wodurch zugleich die erfreulichste Abwechslung
gegeben wird. Ißt man z. B. ein Hühnerflügelchen und läßt
erst, nachdem dieses gekostet und gekaut ist, eine Gabel Salat
folgen, so hat man klar und entschieden den spezifischen Ge-
schmack eines jeden dieser Gegensätze, während beides zumal
und zugleich gekaut weder recht Eins noch das Andere, sondern
ein Drittes, Vermischtes, eine Art trübes Grau giebt. Dagegen
wäre es z. B. -- schon wegen der Indifferenz der Butter an
sich -- kaum zu rechtfertigen, wenn jemand Butter und Brod,
jedes für sich, äße.

Das Verhältniß der besprochnen Gegensätze hat Brousso-
net
dahin bestimmt, daß, nach der Beschaffenheit und Zahl der
für Animalisches zunächst bestimmten Schneide- und Eckzähne,
und der zum Kauen des Vegetabilischen eingerichteten Backen-
zähne, die Menge der animalischen Speisen zu der Menge der
vegetabilischen, also wie 12 zu 20 sich verhalten müsse. --
Das ist so spitzig, daß man sich die Zähne damit ausstochern
könnte.

So viel nun, um nicht durch zu viele Beispiele zu er-
müden, von den einfachen Gegensätzen. Indem ich nun zur
Steigerung der Gegensätze durch weitere Zusammensetzung über-
gehe, behalte ich des Zusammenhanges und größerer Anschau-
lichkeit wegen, meistens die schon gegebenen Objekte bei.

Werfen wir einen Blick auf eine der genannten einfachen
Suppen, und vergleichen wir damit eine, in Deutschland
fälschlich Olla potrida genannte, Vielerleisuppe damit, so tritt
uns die Gehäuftheit der Gegensätze bis zum Staunen entgegen.
Ich nenne nur folgende Bestandtheile, ohne auf die Composi-
tion der einzelnen Klößchen, Rafiolen etc. Rücksicht zu nehmen.


Simultan-Eſſen von ſelbſt. Doch laͤßt ſich nicht laͤugnen,
daß das Spezifiſche klarer und beſtimmter dann hervortritt,
wenn man jedes zunaͤchſt fuͤr ſich mit je darauf folgendem
Gegenſatze kaut, wodurch zugleich die erfreulichſte Abwechslung
gegeben wird. Ißt man z. B. ein Huͤhnerfluͤgelchen und laͤßt
erſt, nachdem dieſes gekoſtet und gekaut iſt, eine Gabel Salat
folgen, ſo hat man klar und entſchieden den ſpezifiſchen Ge-
ſchmack eines jeden dieſer Gegenſaͤtze, waͤhrend beides zumal
und zugleich gekaut weder recht Eins noch das Andere, ſondern
ein Drittes, Vermiſchtes, eine Art truͤbes Grau giebt. Dagegen
waͤre es z. B. — ſchon wegen der Indifferenz der Butter an
ſich — kaum zu rechtfertigen, wenn jemand Butter und Brod,
jedes fuͤr ſich, aͤße.

Das Verhaͤltniß der beſprochnen Gegenſaͤtze hat Brouſſo-
net
dahin beſtimmt, daß, nach der Beſchaffenheit und Zahl der
fuͤr Animaliſches zunaͤchſt beſtimmten Schneide- und Eckzaͤhne,
und der zum Kauen des Vegetabiliſchen eingerichteten Backen-
zaͤhne, die Menge der animaliſchen Speiſen zu der Menge der
vegetabiliſchen, alſo wie 12 zu 20 ſich verhalten muͤſſe. —
Das iſt ſo ſpitzig, daß man ſich die Zaͤhne damit ausſtochern
koͤnnte.

So viel nun, um nicht durch zu viele Beiſpiele zu er-
muͤden, von den einfachen Gegenſaͤtzen. Indem ich nun zur
Steigerung der Gegenſaͤtze durch weitere Zuſammenſetzung uͤber-
gehe, behalte ich des Zuſammenhanges und groͤßerer Anſchau-
lichkeit wegen, meiſtens die ſchon gegebenen Objekte bei.

Werfen wir einen Blick auf eine der genannten einfachen
Suppen, und vergleichen wir damit eine, in Deutſchland
faͤlſchlich Olla potrida genannte, Vielerleiſuppe damit, ſo tritt
uns die Gehaͤuftheit der Gegenſaͤtze bis zum Staunen entgegen.
Ich nenne nur folgende Beſtandtheile, ohne auf die Compoſi-
tion der einzelnen Kloͤßchen, Rafiolen ꝛc. Ruͤckſicht zu nehmen.


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[156/0170] Simultan-Eſſen von ſelbſt. Doch laͤßt ſich nicht laͤugnen, daß das Spezifiſche klarer und beſtimmter dann hervortritt, wenn man jedes zunaͤchſt fuͤr ſich mit je darauf folgendem Gegenſatze kaut, wodurch zugleich die erfreulichſte Abwechslung gegeben wird. Ißt man z. B. ein Huͤhnerfluͤgelchen und laͤßt erſt, nachdem dieſes gekoſtet und gekaut iſt, eine Gabel Salat folgen, ſo hat man klar und entſchieden den ſpezifiſchen Ge- ſchmack eines jeden dieſer Gegenſaͤtze, waͤhrend beides zumal und zugleich gekaut weder recht Eins noch das Andere, ſondern ein Drittes, Vermiſchtes, eine Art truͤbes Grau giebt. Dagegen waͤre es z. B. — ſchon wegen der Indifferenz der Butter an ſich — kaum zu rechtfertigen, wenn jemand Butter und Brod, jedes fuͤr ſich, aͤße. Das Verhaͤltniß der beſprochnen Gegenſaͤtze hat Brouſſo- net dahin beſtimmt, daß, nach der Beſchaffenheit und Zahl der fuͤr Animaliſches zunaͤchſt beſtimmten Schneide- und Eckzaͤhne, und der zum Kauen des Vegetabiliſchen eingerichteten Backen- zaͤhne, die Menge der animaliſchen Speiſen zu der Menge der vegetabiliſchen, alſo wie 12 zu 20 ſich verhalten muͤſſe. — Das iſt ſo ſpitzig, daß man ſich die Zaͤhne damit ausſtochern koͤnnte. So viel nun, um nicht durch zu viele Beiſpiele zu er- muͤden, von den einfachen Gegenſaͤtzen. Indem ich nun zur Steigerung der Gegenſaͤtze durch weitere Zuſammenſetzung uͤber- gehe, behalte ich des Zuſammenhanges und groͤßerer Anſchau- lichkeit wegen, meiſtens die ſchon gegebenen Objekte bei. Werfen wir einen Blick auf eine der genannten einfachen Suppen, und vergleichen wir damit eine, in Deutſchland faͤlſchlich Olla potrida genannte, Vielerleiſuppe damit, ſo tritt uns die Gehaͤuftheit der Gegenſaͤtze bis zum Staunen entgegen. Ich nenne nur folgende Beſtandtheile, ohne auf die Compoſi- tion der einzelnen Kloͤßchen, Rafiolen ꝛc. Ruͤckſicht zu nehmen.

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/170>, abgerufen am 28.11.2024.