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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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kologischen Lehren vertraut sein wird, als der roh, ohne Sinn
und Bewußtsein Essende, der gar nicht recht sieht und schmeckt,
was er ißt, und sich so wenig für das interessirt, was darauf
Bezug hat.

Wichtig ist ferner die Pflege des Geruchssinnes, der zum
Eßgenuß so unbeschreiblich viel beiträgt. Wie weit man's in
diesem Fache bringen kann, beweist unter Anderen der Cardinal
Alexander Albani, welcher, nachdem er blind geworden war,
junge Damen von den alten durch den Geruch unterscheiden
konnte. Wenn man bedenkt, wie viel im Ausdruck: "ich rieche
den Braten" liegt, sollte man wohl auf Ausbildung einer
möglichst feinen Nase eifrigst bedacht sein. Man sollte daher
auch nicht schnupfen, am allerwenigsten während des Essens.
Doch erwiederte mir ein großer Eßliebhaber, -- dem zum vollen-
deten Eßkünstler nichts weiter fehlte, als etwas, was er zu viel
hatte, nämlich das Schnupfen, also das Nichtschnupfen -- als
ich ihm die Sache auseinander setzte: "ob ich gleich schnupfe,
so schmeckt mir doch das Essen um nichts weniger gut, und
selbst wenn ich diesen Einen Genuß durch Verzichten auf den
Andern zu erhöhen vermöchte, was ich noch als problematisch
betrachte, behalte ich sie doch lieber alle Beide bei.

Wenn sich Herz und Mund thut laben
Will die Nase auch was haben."

Gegen solche derb praktische Argumente, welche auf keine
Prinzipien eingehen, läßt sich nun nichts weiter erwiedern.

So viel von Zähnen, Zunge und Nase.

Was nun den gemein nützlichen Magen betrifft, -- dessen
natürliche Kraft, Capazität, Nachgiebigkeit und Güte als ab-
solut nothwendig vorausgesetzt wird -- so interessirt er den
Eßkünstler gleichwohl nur secundär und in untergeordneter
Weise, etwa wie einen Poeten seine Börse, in welche er die als
Honorar für ein Hochzeitcarmen empfangenen Thaler steckt.
Die Einnahme ist die Hauptsache. Es wird somit auch nicht

kologiſchen Lehren vertraut ſein wird, als der roh, ohne Sinn
und Bewußtſein Eſſende, der gar nicht recht ſieht und ſchmeckt,
was er ißt, und ſich ſo wenig fuͤr das intereſſirt, was darauf
Bezug hat.

Wichtig iſt ferner die Pflege des Geruchsſinnes, der zum
Eßgenuß ſo unbeſchreiblich viel beitraͤgt. Wie weit man’s in
dieſem Fache bringen kann, beweiſt unter Anderen der Cardinal
Alexander Albani, welcher, nachdem er blind geworden war,
junge Damen von den alten durch den Geruch unterſcheiden
konnte. Wenn man bedenkt, wie viel im Ausdruck: „ich rieche
den Braten“ liegt, ſollte man wohl auf Ausbildung einer
moͤglichſt feinen Naſe eifrigſt bedacht ſein. Man ſollte daher
auch nicht ſchnupfen, am allerwenigſten waͤhrend des Eſſens.
Doch erwiederte mir ein großer Eßliebhaber, — dem zum vollen-
deten Eßkuͤnſtler nichts weiter fehlte, als etwas, was er zu viel
hatte, naͤmlich das Schnupfen, alſo das Nichtſchnupfen — als
ich ihm die Sache auseinander ſetzte: „ob ich gleich ſchnupfe,
ſo ſchmeckt mir doch das Eſſen um nichts weniger gut, und
ſelbſt wenn ich dieſen Einen Genuß durch Verzichten auf den
Andern zu erhoͤhen vermoͤchte, was ich noch als problematiſch
betrachte, behalte ich ſie doch lieber alle Beide bei.

Wenn ſich Herz und Mund thut laben
Will die Naſe auch was haben.“

Gegen ſolche derb praktiſche Argumente, welche auf keine
Prinzipien eingehen, laͤßt ſich nun nichts weiter erwiedern.

So viel von Zaͤhnen, Zunge und Naſe.

Was nun den gemein nuͤtzlichen Magen betrifft, — deſſen
natuͤrliche Kraft, Capazitaͤt, Nachgiebigkeit und Guͤte als ab-
ſolut nothwendig vorausgeſetzt wird — ſo intereſſirt er den
Eßkuͤnſtler gleichwohl nur ſecundaͤr und in untergeordneter
Weiſe, etwa wie einen Poeten ſeine Boͤrſe, in welche er die als
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[128/0142] kologiſchen Lehren vertraut ſein wird, als der roh, ohne Sinn und Bewußtſein Eſſende, der gar nicht recht ſieht und ſchmeckt, was er ißt, und ſich ſo wenig fuͤr das intereſſirt, was darauf Bezug hat. Wichtig iſt ferner die Pflege des Geruchsſinnes, der zum Eßgenuß ſo unbeſchreiblich viel beitraͤgt. Wie weit man’s in dieſem Fache bringen kann, beweiſt unter Anderen der Cardinal Alexander Albani, welcher, nachdem er blind geworden war, junge Damen von den alten durch den Geruch unterſcheiden konnte. Wenn man bedenkt, wie viel im Ausdruck: „ich rieche den Braten“ liegt, ſollte man wohl auf Ausbildung einer moͤglichſt feinen Naſe eifrigſt bedacht ſein. Man ſollte daher auch nicht ſchnupfen, am allerwenigſten waͤhrend des Eſſens. Doch erwiederte mir ein großer Eßliebhaber, — dem zum vollen- deten Eßkuͤnſtler nichts weiter fehlte, als etwas, was er zu viel hatte, naͤmlich das Schnupfen, alſo das Nichtſchnupfen — als ich ihm die Sache auseinander ſetzte: „ob ich gleich ſchnupfe, ſo ſchmeckt mir doch das Eſſen um nichts weniger gut, und ſelbſt wenn ich dieſen Einen Genuß durch Verzichten auf den Andern zu erhoͤhen vermoͤchte, was ich noch als problematiſch betrachte, behalte ich ſie doch lieber alle Beide bei. Wenn ſich Herz und Mund thut laben Will die Naſe auch was haben.“ Gegen ſolche derb praktiſche Argumente, welche auf keine Prinzipien eingehen, laͤßt ſich nun nichts weiter erwiedern. So viel von Zaͤhnen, Zunge und Naſe. Was nun den gemein nuͤtzlichen Magen betrifft, — deſſen natuͤrliche Kraft, Capazitaͤt, Nachgiebigkeit und Guͤte als ab- ſolut nothwendig vorausgeſetzt wird — ſo intereſſirt er den Eßkuͤnſtler gleichwohl nur ſecundaͤr und in untergeordneter Weiſe, etwa wie einen Poeten ſeine Boͤrſe, in welche er die als Honorar fuͤr ein Hochzeitcarmen empfangenen Thaler ſteckt. Die Einnahme iſt die Hauptſache. Es wird ſomit auch nicht

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/142>, abgerufen am 25.11.2024.