Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.hier ist niemand, der Sie beunruhigen oder belauschen Damit hatte er das richtige Wort getroffen. Sie "Ist ,sie' hier? Wo?" fragte sie leise. "Nein, sie selbst nicht. Aber dort im Handkoffer, -- "Ja, ja!" fiel Fenia etwas hastig ein, -- "genau "Haben Sie ihn hier in Rußland getroffen?" "Nein. Er ist mir hierher nachgereist." "Also kein Russe." Sie sah erstaunt auf. "Kein Russe?! -- -- Ach so, -- ja, warum sollten "Sie haben doch aber mit Ausländern schon so früh und hier iſt niemand, der Sie beunruhigen oder belauſchen Damit hatte er das richtige Wort getroffen. Sie „Iſt ‚ſie’ hier? Wo?“ fragte ſie leiſe. „Nein, ſie ſelbſt nicht. Aber dort im Handkoffer, — „Ja, ja!“ fiel Fenia etwas haſtig ein, — „genau „Haben Sie ihn hier in Rußland getroffen?“ „Nein. Er iſt mir hierher nachgereiſt.“ „Alſo kein Ruſſe.“ Sie ſah erſtaunt auf. „Kein Ruſſe?! — — Ach ſo, — ja, warum ſollten „Sie haben doch aber mit Ausländern ſchon ſo früh und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0068" n="64"/><fw type="pageNum" place="top">— 64 —<lb/></fw>hier iſt niemand, der Sie beunruhigen oder belauſchen<lb/> kann, — denken Sie ſich, Sie ſeien ruhig zu Hauſe. — —<lb/> Und wiſſen Sie, daß in dieſem ſelben Zimmer Ihnen<lb/> jemand nahe iſt, der auch ‚das Grauſen‘ hat überwin¬<lb/> den müſſen — um meinetwillen, Fenia, — jemand, den<lb/> Sie innig lieben würden.“</p><lb/> <p>Damit hatte er das richtige Wort getroffen. Sie<lb/> ſetzte ſich wieder und blickte ihn erſtaunt und erwartungs¬<lb/> voll an, — für den Augenblick von ſich ſelbſt abgelenkt —.</p><lb/> <p>„Iſt ‚ſie’ hier? Wo?“ fragte ſie leiſe.</p><lb/> <p>„Nein, ſie ſelbſt nicht. Aber dort im Handkoffer, —<lb/> da liegen wohlverſchloſſen in einer Kaſſette alle ihre Briefe.<lb/> Und ſo ſind Sie hier in feiner, lieber Menſchennähe,<lb/> Fenia, das dürfen Sie glauben. Dieſe Briefe würden<lb/> Ihnen erzählen, wie gern auch ſie offen gegen alle Welt<lb/> wäre, — und es doch nicht darf.“</p><lb/> <p>„Ja, ja!“ fiel Fenia etwas haſtig ein, — „genau<lb/> ſo iſt es eigentlich auch bei uns.“</p><lb/> <p>„Haben Sie ihn hier in Rußland getroffen?“</p><lb/> <p>„Nein. Er iſt mir hierher nachgereiſt.“</p><lb/> <p>„Alſo kein Ruſſe.“</p><lb/> <p>Sie ſah erſtaunt auf.</p><lb/> <p>„Kein Ruſſe?! — — Ach ſo, — ja, warum ſollten<lb/> Sie nicht meinen, daß es ein Ausländer ſein könnte — —.<lb/> Kein Ruſſe! nein, das wäre mir unfaßlich. Für mich<lb/> liegt eine ganze Welt darin, daß er ein Ruſſe, —<lb/> mein Landsmann, mein Bruder, ein Stück von meines¬<lb/> gleichen iſt.“</p><lb/> <p>„Sie haben doch aber mit Ausländern ſchon ſo früh und<lb/> ſo vertraut verkehrt, ſtudiert, — wie leicht hätte einer —“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [64/0068]
— 64 —
hier iſt niemand, der Sie beunruhigen oder belauſchen
kann, — denken Sie ſich, Sie ſeien ruhig zu Hauſe. — —
Und wiſſen Sie, daß in dieſem ſelben Zimmer Ihnen
jemand nahe iſt, der auch ‚das Grauſen‘ hat überwin¬
den müſſen — um meinetwillen, Fenia, — jemand, den
Sie innig lieben würden.“
Damit hatte er das richtige Wort getroffen. Sie
ſetzte ſich wieder und blickte ihn erſtaunt und erwartungs¬
voll an, — für den Augenblick von ſich ſelbſt abgelenkt —.
„Iſt ‚ſie’ hier? Wo?“ fragte ſie leiſe.
„Nein, ſie ſelbſt nicht. Aber dort im Handkoffer, —
da liegen wohlverſchloſſen in einer Kaſſette alle ihre Briefe.
Und ſo ſind Sie hier in feiner, lieber Menſchennähe,
Fenia, das dürfen Sie glauben. Dieſe Briefe würden
Ihnen erzählen, wie gern auch ſie offen gegen alle Welt
wäre, — und es doch nicht darf.“
„Ja, ja!“ fiel Fenia etwas haſtig ein, — „genau
ſo iſt es eigentlich auch bei uns.“
„Haben Sie ihn hier in Rußland getroffen?“
„Nein. Er iſt mir hierher nachgereiſt.“
„Alſo kein Ruſſe.“
Sie ſah erſtaunt auf.
„Kein Ruſſe?! — — Ach ſo, — ja, warum ſollten
Sie nicht meinen, daß es ein Ausländer ſein könnte — —.
Kein Ruſſe! nein, das wäre mir unfaßlich. Für mich
liegt eine ganze Welt darin, daß er ein Ruſſe, —
mein Landsmann, mein Bruder, ein Stück von meines¬
gleichen iſt.“
„Sie haben doch aber mit Ausländern ſchon ſo früh und
ſo vertraut verkehrt, ſtudiert, — wie leicht hätte einer —“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |