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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Sollte Benno einmal -- du hast mir ja erzählt, weißt
du, gestern morgen wie wir aufstanden, daß Benno sich
Gedanken macht über mein Leben draußen. Nun, sollte
dir einmal vorkommen, als ob er das wirklich thue, so
achte nicht drauf. Laß ihn dabei, streite nicht mit
ihm, -- aber du, laß dich nicht davon anfechten."

Die Mutter hatte sich hastig aufgerichtet. Sie griff
ängstlich nach meinen Händen und zog sie an sich, wie
um mich zu schützen.

"-- Benno --? -- -- was ist geschehen? Sage
mir, was geschehen ist! Hat Benno dir unrecht gethan?!
Weintest du deshalb? Das darf er nicht! Sag es mir,
mein Kind. Wie darf er das thun! Kein Mensch soll
dir ein Haar krümmen, hörst du? Und ich -- ich lag
hier so getrost und ruhig, und als ich schlafen ging, da
dachte ich an euch beide, und ich dankte in meinem
Herzen Benno, und betete zu Gott für sein Glück, für
ihn und für dich. Und er -- er ging hin und that dir
unrecht!"

Ich legte leise meine Hand auf die Lippen der
Mutter und barg das Gesicht in dem Kissen neben ihrem
Kopf. Mir wurde plötzlich so klar, -- so ganz klar, daß
was ich Benno nur glauben ließ, ja doch eine Wahrheit
war, wenn nicht heute, so doch morgen, und daß, gleich¬
viel was ich als Künstlerin erreichen würde, aus meinem
Liebesleben, aus meinem Leben als Weib, der Ernst ver¬
loren gegangen war.

Und mich überkam heimlich und heiß eine kindische
Sehnsucht, mich zur Mutter zurückzuretten und zurück
in die erste Jugend, die nicht wiederkam.

Lou Andreas-Salom e, Fenitschka. 12

Sollte Benno einmal — du haſt mir ja erzählt, weißt
du, geſtern morgen wie wir aufſtanden, daß Benno ſich
Gedanken macht über mein Leben draußen. Nun, ſollte
dir einmal vorkommen, als ob er das wirklich thue, ſo
achte nicht drauf. Laß ihn dabei, ſtreite nicht mit
ihm, — aber du, laß dich nicht davon anfechten.“

Die Mutter hatte ſich haſtig aufgerichtet. Sie griff
ängſtlich nach meinen Händen und zog ſie an ſich, wie
um mich zu ſchützen.

„— Benno —? — — was iſt geſchehen? Sage
mir, was geſchehen iſt! Hat Benno dir unrecht gethan?!
Weinteſt du deshalb? Das darf er nicht! Sag es mir,
mein Kind. Wie darf er das thun! Kein Menſch ſoll
dir ein Haar krümmen, hörſt du? Und ich — ich lag
hier ſo getroſt und ruhig, und als ich ſchlafen ging, da
dachte ich an euch beide, und ich dankte in meinem
Herzen Benno, und betete zu Gott für ſein Glück, für
ihn und für dich. Und er — er ging hin und that dir
unrecht!“

Ich legte leiſe meine Hand auf die Lippen der
Mutter und barg das Geſicht in dem Kiſſen neben ihrem
Kopf. Mir wurde plötzlich ſo klar, — ſo ganz klar, daß
was ich Benno nur glauben ließ, ja doch eine Wahrheit
war, wenn nicht heute, ſo doch morgen, und daß, gleich¬
viel was ich als Künſtlerin erreichen würde, aus meinem
Liebesleben, aus meinem Leben als Weib, der Ernſt ver¬
loren gegangen war.

Und mich überkam heimlich und heiß eine kindiſche
Sehnſucht, mich zur Mutter zurückzuretten und zurück
in die erſte Jugend, die nicht wiederkam.

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[177/0181] — 177 — Sollte Benno einmal — du haſt mir ja erzählt, weißt du, geſtern morgen wie wir aufſtanden, daß Benno ſich Gedanken macht über mein Leben draußen. Nun, ſollte dir einmal vorkommen, als ob er das wirklich thue, ſo achte nicht drauf. Laß ihn dabei, ſtreite nicht mit ihm, — aber du, laß dich nicht davon anfechten.“ Die Mutter hatte ſich haſtig aufgerichtet. Sie griff ängſtlich nach meinen Händen und zog ſie an ſich, wie um mich zu ſchützen. „— Benno —? — — was iſt geſchehen? Sage mir, was geſchehen iſt! Hat Benno dir unrecht gethan?! Weinteſt du deshalb? Das darf er nicht! Sag es mir, mein Kind. Wie darf er das thun! Kein Menſch ſoll dir ein Haar krümmen, hörſt du? Und ich — ich lag hier ſo getroſt und ruhig, und als ich ſchlafen ging, da dachte ich an euch beide, und ich dankte in meinem Herzen Benno, und betete zu Gott für ſein Glück, für ihn und für dich. Und er — er ging hin und that dir unrecht!“ Ich legte leiſe meine Hand auf die Lippen der Mutter und barg das Geſicht in dem Kiſſen neben ihrem Kopf. Mir wurde plötzlich ſo klar, — ſo ganz klar, daß was ich Benno nur glauben ließ, ja doch eine Wahrheit war, wenn nicht heute, ſo doch morgen, und daß, gleich¬ viel was ich als Künſtlerin erreichen würde, aus meinem Liebesleben, aus meinem Leben als Weib, der Ernſt ver¬ loren gegangen war. Und mich überkam heimlich und heiß eine kindiſche Sehnſucht, mich zur Mutter zurückzuretten und zurück in die erſte Jugend, die nicht wiederkam. Lou Andreas-Salom é, Fenitſchka. 12

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/181>, abgerufen am 25.11.2024.