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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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Er blickte bei seinen Worten um sich, ob der kleinen
Gesellschaft, die längst zu andern Gesprächsstoffen über¬
gegangen war, die Unterhaltung vernehmbar sei, und
beugte sich näher zu Fenia, um mit gedämpfterer Stimme
fortfahren zu können.

"Es ist auch gar nicht so verwunderlich, wie es
Ihnen vielleicht scheint," bemerkte er, "denn Sie dürfen
nicht vergessen, daß es sich dabei nur um eine diesen
Wesen ganz geläufige Verkehrsform handelt, -- um eine
so gewohnte und geläufige, daß sie in ihr unwillkürlich
alles und jedes zum Ausdruck bringen, auch Seelen¬
regungen der Freundschaft, Dankbarkeit oder Sympathie,
die in die sinnliche Aeußerungsform nicht genau hinein¬
passen. Es ist eben ihre Art von Sprache geworden."

Auch die vertrauliche Nähe, in der er das zu Fenia
sagte, und sie gleichsam mit sich isolierte, störte sie augen¬
scheinlich nicht; sie senkte den Kopf und schien nach¬
zudenken.

Nach einer kurzen Pause fragte sie lebhaft:

"Sie meinen also, auch diese Mädchen hegen oft
rein kameradschaftliche Gesinnungen Männern gegenüber
und äußern sie nur -- nur -- sozusagen nur falsch?
Das kann ich mir schwer vorstellen. Denn wenn es auch
die ihnen gewohnteste Sprache ist, worin sie alles und
jedes ausdrücken, -- alle Menschen haben doch verschie¬
dene Bezeichnungen für total verschiedene Dinge."

"Glauben Sie? Ich meinerseits glaube viel eher,
daß auch in unsern Ständen sich eine ganz ähnliche Be¬
obachtung machen läßt. Unsre Mädchen und Frauen
werden so daran gewöhnt, mit den Männern ihrer Um¬

Er blickte bei ſeinen Worten um ſich, ob der kleinen
Geſellſchaft, die längſt zu andern Geſprächsſtoffen über¬
gegangen war, die Unterhaltung vernehmbar ſei, und
beugte ſich näher zu Fenia, um mit gedämpfterer Stimme
fortfahren zu können.

„Es iſt auch gar nicht ſo verwunderlich, wie es
Ihnen vielleicht ſcheint,“ bemerkte er, „denn Sie dürfen
nicht vergeſſen, daß es ſich dabei nur um eine dieſen
Weſen ganz geläufige Verkehrsform handelt, — um eine
ſo gewohnte und geläufige, daß ſie in ihr unwillkürlich
alles und jedes zum Ausdruck bringen, auch Seelen¬
regungen der Freundſchaft, Dankbarkeit oder Sympathie,
die in die ſinnliche Aeußerungsform nicht genau hinein¬
paſſen. Es iſt eben ihre Art von Sprache geworden.“

Auch die vertrauliche Nähe, in der er das zu Fenia
ſagte, und ſie gleichſam mit ſich iſolierte, ſtörte ſie augen¬
ſcheinlich nicht; ſie ſenkte den Kopf und ſchien nach¬
zudenken.

Nach einer kurzen Pauſe fragte ſie lebhaft:

„Sie meinen alſo, auch dieſe Mädchen hegen oft
rein kameradſchaftliche Geſinnungen Männern gegenüber
und äußern ſie nur — nur — ſozuſagen nur falſch?
Das kann ich mir ſchwer vorſtellen. Denn wenn es auch
die ihnen gewohnteſte Sprache iſt, worin ſie alles und
jedes ausdrücken, — alle Menſchen haben doch verſchie¬
dene Bezeichnungen für total verſchiedene Dinge.“

„Glauben Sie? Ich meinerſeits glaube viel eher,
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[14/0018] — 14 — Er blickte bei ſeinen Worten um ſich, ob der kleinen Geſellſchaft, die längſt zu andern Geſprächsſtoffen über¬ gegangen war, die Unterhaltung vernehmbar ſei, und beugte ſich näher zu Fenia, um mit gedämpfterer Stimme fortfahren zu können. „Es iſt auch gar nicht ſo verwunderlich, wie es Ihnen vielleicht ſcheint,“ bemerkte er, „denn Sie dürfen nicht vergeſſen, daß es ſich dabei nur um eine dieſen Weſen ganz geläufige Verkehrsform handelt, — um eine ſo gewohnte und geläufige, daß ſie in ihr unwillkürlich alles und jedes zum Ausdruck bringen, auch Seelen¬ regungen der Freundſchaft, Dankbarkeit oder Sympathie, die in die ſinnliche Aeußerungsform nicht genau hinein¬ paſſen. Es iſt eben ihre Art von Sprache geworden.“ Auch die vertrauliche Nähe, in der er das zu Fenia ſagte, und ſie gleichſam mit ſich iſolierte, ſtörte ſie augen¬ ſcheinlich nicht; ſie ſenkte den Kopf und ſchien nach¬ zudenken. Nach einer kurzen Pauſe fragte ſie lebhaft: „Sie meinen alſo, auch dieſe Mädchen hegen oft rein kameradſchaftliche Geſinnungen Männern gegenüber und äußern ſie nur — nur — ſozuſagen nur falſch? Das kann ich mir ſchwer vorſtellen. Denn wenn es auch die ihnen gewohnteſte Sprache iſt, worin ſie alles und jedes ausdrücken, — alle Menſchen haben doch verſchie¬ dene Bezeichnungen für total verſchiedene Dinge.“ „Glauben Sie? Ich meinerſeits glaube viel eher, daß auch in unſern Ständen ſich eine ganz ähnliche Be¬ obachtung machen läßt. Unſre Mädchen und Frauen werden ſo daran gewöhnt, mit den Männern ihrer Um¬

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/18>, abgerufen am 25.11.2024.