Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898."Aber Dienchen! so sündhafte Scherze soll man Das Dienstmädchen kam herein und brachte die ein¬ "Ich möchte wohl wissen, warum die Anna immer so "Sie ist krank gewesen. Das ist ihr von der Krank¬ "Was -- die Feierlichkeit?" "Die Wahnvorstellung, als ob alles, was sie thut, "Und das nennt man nun Wahnsinn!" sagte ich "Aber, Kind! Du redest ja schon den reinen Wahn¬ Ich legte die Arme auf den Tisch und den Kopf Lou Andreas-Salome, Fenitschka. 11
„Aber Dienchen! ſo ſündhafte Scherze ſoll man Das Dienſtmädchen kam herein und brachte die ein¬ „Ich möchte wohl wiſſen, warum die Anna immer ſo „Sie iſt krank geweſen. Das iſt ihr von der Krank¬ „Was — die Feierlichkeit?“ „Die Wahnvorſtellung, als ob alles, was ſie thut, „Und das nennt man nun Wahnſinn!“ ſagte ich „Aber, Kind! Du redeſt ja ſchon den reinen Wahn¬ Ich legte die Arme auf den Tiſch und den Kopf Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 11
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„Aber Dienchen! ſo ſündhafte Scherze ſoll man
nicht machen.“
Das Dienſtmädchen kam herein und brachte die ein¬
gelaufene Poſt. Sie überreichte die paar Kartenbriefe
mit einer Würde auf dem Präſentierteller, als wären es
mindeſtens hochwichtige Depeſchen.
„Ich möchte wohl wiſſen, warum die Anna immer ſo
feierlich thut,“ bemerkte ich, nachdem ſie wieder hinaus¬
gegangen war, „wenn ſie abends die Lampe bringt,
trägt ſie ſie auch vor ſich her wie eine Gottesfackel.“
„Sie iſt krank geweſen. Das iſt ihr von der Krank¬
heit verblieben.“
„Was — die Feierlichkeit?“
„Die Wahnvorſtellung, als ob alles, was ſie thut,
die feierlichſte Bedeutung hätte. In ihrer Geiſteskrank¬
heit war ſie nämlich ganz glückſelig. Da hat ſie gemeint,
beim Kaiſer von China zu dienen. Das kann ſie ſich in
ihren Manieren noch nicht recht abgewöhnen. Aber Benno
meint, das ſchade nichts.“
„Und das nennt man nun Wahnſinn!“ ſagte ich
ſeufzend. „Eine Fähigkeit, ſo beglückende Illuſionen ein¬
fach feſtzuhalten. Ich glaube, Mama, ich wünſche mir
zu Weihnachten außer dem Buckel auch noch einen ganz
niedlichen kleinen Wahnſinn.“
„Aber, Kind! Du redeſt ja ſchon den reinen Wahn¬
ſinn!“ meinte die Mutter unwillig, und las ihre Karten¬
briefe.
Ich legte die Arme auf den Tiſch und den Kopf
darauf. Der Kopf war mir ſo leer, und das Herz
ſo ſchwer, wie nach einer Vergeudung und Erſchöpfung
Lou Andreas-Salomé, Fenitſchka. 11
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