Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.Eine der Damen mißverstand ihren ernsthaften Ge¬ "Ja, cherie, eine ziemlich unerbetene und unbequeme "Das brauchen Sie nicht zu fürchten," widersprach "Ich würde sie aber gern wiedersehen!" sagte Fenia "Um was zu thun?" "Ich weiß es nicht. Aber was mich vorhin so ent¬ Eine der Damen mißverſtand ihren ernſthaften Ge¬ „Ja, chérie, eine ziemlich unerbetene und unbequeme „Das brauchen Sie nicht zu fürchten,“ widerſprach „Ich würde ſie aber gern wiederſehen!“ ſagte Fenia „Um was zu thun?“ „Ich weiß es nicht. Aber was mich vorhin ſo ent¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0016" n="12"/> <fw type="pageNum" place="top">— 12 —<lb/></fw> <p>Eine der Damen mißverſtand ihren ernſthaften Ge¬<lb/> ſichtsausdruck und bemerkte:</p><lb/> <p>„Ja, <hi rendition="#aq">chérie</hi>, eine ziemlich unerbetene und unbequeme<lb/> Freundſchaft! Sie könnte Ihnen eines ſchönen Tages<lb/> recht peinlich werden, wenn dies Weſen Sie irgendwo<lb/> auf der Straße wiederfindet und Sie auf das intimſte<lb/> begrüßt, — zur Ueberraſchung derer, die vielleicht mit<lb/> Ihnen gehen.“</p><lb/> <p>„Das brauchen Sie nicht zu fürchten,“ widerſprach<lb/> Max Werner raſch, „ich wette darauf, daß dieſes Mäd¬<lb/> chen ohne merkbaren Gruß an Ihnen vorübergehen wird,<lb/> falls es Ihnen je begegnet. Anderswo würden Sie<lb/> vielleicht von ihrer Dankbarkeit verfolgt werden, — die<lb/> Franzöſin würde es für eine ſchlechte Dankbarkeit halten,<lb/> Sie eventuell dadurch zu kompromittieren. Das iſt der<lb/> franzöſiſche Takt, — der Takt einer alten Kultur, die<lb/> allmählich bis in alle Schichten eines Volkes durch¬<lb/> dringt und ihm ſeine faſt inſtinktive Intelligenz giebt.“</p><lb/> <p>„Ich würde ſie aber gern wiederſehen!“ ſagte Fenia<lb/> leiſe.</p><lb/> <p>„Um was zu thun?“</p><lb/> <p>„Ich weiß es nicht. Aber was mich vorhin ſo ent¬<lb/> ſetzte, das war das Gefühl, als ob dieſe Mädchen gleich¬<lb/> mäßig ſowohl von den Männern wie von den Genoſ¬<lb/> ſinnen preisgegeben würden, — als ob ſie gradezu wie<lb/> in Feindesland lebten. — Ich habe noch nie ſo viel höh¬<lb/> niſche Verachtung geſehen, wie in den Mienen der Män¬<lb/> ner, — ſo viel höhniſche Schadenfreude wie in den Blicken<lb/> der andern Mädchen. — Und das iſt hier im Lokal,<lb/> wo ſie ſozuſagen bei ſich iſt, unter den Ihrigen. — Außer¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0016]
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Eine der Damen mißverſtand ihren ernſthaften Ge¬
ſichtsausdruck und bemerkte:
„Ja, chérie, eine ziemlich unerbetene und unbequeme
Freundſchaft! Sie könnte Ihnen eines ſchönen Tages
recht peinlich werden, wenn dies Weſen Sie irgendwo
auf der Straße wiederfindet und Sie auf das intimſte
begrüßt, — zur Ueberraſchung derer, die vielleicht mit
Ihnen gehen.“
„Das brauchen Sie nicht zu fürchten,“ widerſprach
Max Werner raſch, „ich wette darauf, daß dieſes Mäd¬
chen ohne merkbaren Gruß an Ihnen vorübergehen wird,
falls es Ihnen je begegnet. Anderswo würden Sie
vielleicht von ihrer Dankbarkeit verfolgt werden, — die
Franzöſin würde es für eine ſchlechte Dankbarkeit halten,
Sie eventuell dadurch zu kompromittieren. Das iſt der
franzöſiſche Takt, — der Takt einer alten Kultur, die
allmählich bis in alle Schichten eines Volkes durch¬
dringt und ihm ſeine faſt inſtinktive Intelligenz giebt.“
„Ich würde ſie aber gern wiederſehen!“ ſagte Fenia
leiſe.
„Um was zu thun?“
„Ich weiß es nicht. Aber was mich vorhin ſo ent¬
ſetzte, das war das Gefühl, als ob dieſe Mädchen gleich¬
mäßig ſowohl von den Männern wie von den Genoſ¬
ſinnen preisgegeben würden, — als ob ſie gradezu wie
in Feindesland lebten. — Ich habe noch nie ſo viel höh¬
niſche Verachtung geſehen, wie in den Mienen der Män¬
ner, — ſo viel höhniſche Schadenfreude wie in den Blicken
der andern Mädchen. — Und das iſt hier im Lokal,
wo ſie ſozuſagen bei ſich iſt, unter den Ihrigen. — Außer¬
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