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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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sammen und drehte sich so geschwind herum, daß der
kurze Mozartzopf in ihrem Nacken mitflog. Sie war eine
ganz allerliebste kleine Person von etwa achtzehn Jahren,
und der heiterste Uebermut blitzte aus ihren hübschen
Augen. Als ich sie herzlich begrüßte und sie fragte, ob
sie sich meiner auch noch erinnere, da sah sie mich mit
großen, listigen Augen an und atmete tief auf.

"O ja!" sagte sie, "aber damals waren Sie an¬
ders --. O, so wie Sie, -- ja, so möchte ich aussehen!"

"Aber warum denn, Mutchen? was ist denn mit
mir?" fragte ich verwundert über diesen Ton.

Sie flog auf mich zu, küßte mich und flüsterte
lachend:

"Ich meine nur, weil Sie so aussehen, daß jeder¬
mann -- jeder Mann -- Sie gern haben muß."

"Wirst du aufhören, mit solchen Dingen zu tän¬
deln!" rief Gabriele aufgebracht, die eben ihre Sachen
abgelegt und nur die letzten Worte recht gehört hatte, "du
bist das unnützeste Geschöpf auf der Welt. Es ist nicht
das geringste Vernünftige mit ihr aufzustellen," fügte sie
unwillig, zu mir gewandt, hinzu, während Mutchen
trällernd entfloh.

"Ich kann mir denken, daß sie dir auch jetzt noch
zu thun giebt," sagte ich, "überhaupt hab ich dich innig
nach dem Tode eurer Mutter bedauert. Denn nun bist
du natürlich hier gebundener als je. Und du hattest doch
ganz andre Pläne."

"Ich habe sie noch -- für einen gewissen Fall, wenn
der eintritt," antwortete Gabriele und setzte sich zu mir,
"aber es ist mir einstweilen recht, hier zu sein und den

ſammen und drehte ſich ſo geſchwind herum, daß der
kurze Mozartzopf in ihrem Nacken mitflog. Sie war eine
ganz allerliebſte kleine Perſon von etwa achtzehn Jahren,
und der heiterſte Uebermut blitzte aus ihren hübſchen
Augen. Als ich ſie herzlich begrüßte und ſie fragte, ob
ſie ſich meiner auch noch erinnere, da ſah ſie mich mit
großen, liſtigen Augen an und atmete tief auf.

„O ja!“ ſagte ſie, „aber damals waren Sie an¬
ders —. O, ſo wie Sie, — ja, ſo möchte ich ausſehen!“

„Aber warum denn, Mutchen? was iſt denn mit
mir?“ fragte ich verwundert über dieſen Ton.

Sie flog auf mich zu, küßte mich und flüſterte
lachend:

„Ich meine nur, weil Sie ſo ausſehen, daß jeder¬
mann — jeder Mann — Sie gern haben muß.“

„Wirſt du aufhören, mit ſolchen Dingen zu tän¬
deln!“ rief Gabriele aufgebracht, die eben ihre Sachen
abgelegt und nur die letzten Worte recht gehört hatte, „du
biſt das unnützeſte Geſchöpf auf der Welt. Es iſt nicht
das geringſte Vernünftige mit ihr aufzuſtellen,“ fügte ſie
unwillig, zu mir gewandt, hinzu, während Mutchen
trällernd entfloh.

„Ich kann mir denken, daß ſie dir auch jetzt noch
zu thun giebt,“ ſagte ich, „überhaupt hab ich dich innig
nach dem Tode eurer Mutter bedauert. Denn nun biſt
du natürlich hier gebundener als je. Und du hatteſt doch
ganz andre Pläne.“

„Ich habe ſie noch — für einen gewiſſen Fall, wenn
der eintritt,“ antwortete Gabriele und ſetzte ſich zu mir,
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[137/0141] — 137 — ſammen und drehte ſich ſo geſchwind herum, daß der kurze Mozartzopf in ihrem Nacken mitflog. Sie war eine ganz allerliebſte kleine Perſon von etwa achtzehn Jahren, und der heiterſte Uebermut blitzte aus ihren hübſchen Augen. Als ich ſie herzlich begrüßte und ſie fragte, ob ſie ſich meiner auch noch erinnere, da ſah ſie mich mit großen, liſtigen Augen an und atmete tief auf. „O ja!“ ſagte ſie, „aber damals waren Sie an¬ ders —. O, ſo wie Sie, — ja, ſo möchte ich ausſehen!“ „Aber warum denn, Mutchen? was iſt denn mit mir?“ fragte ich verwundert über dieſen Ton. Sie flog auf mich zu, küßte mich und flüſterte lachend: „Ich meine nur, weil Sie ſo ausſehen, daß jeder¬ mann — jeder Mann — Sie gern haben muß.“ „Wirſt du aufhören, mit ſolchen Dingen zu tän¬ deln!“ rief Gabriele aufgebracht, die eben ihre Sachen abgelegt und nur die letzten Worte recht gehört hatte, „du biſt das unnützeſte Geſchöpf auf der Welt. Es iſt nicht das geringſte Vernünftige mit ihr aufzuſtellen,“ fügte ſie unwillig, zu mir gewandt, hinzu, während Mutchen trällernd entfloh. „Ich kann mir denken, daß ſie dir auch jetzt noch zu thun giebt,“ ſagte ich, „überhaupt hab ich dich innig nach dem Tode eurer Mutter bedauert. Denn nun biſt du natürlich hier gebundener als je. Und du hatteſt doch ganz andre Pläne.“ „Ich habe ſie noch — für einen gewiſſen Fall, wenn der eintritt,“ antwortete Gabriele und ſetzte ſich zu mir, „aber es iſt mir einſtweilen recht, hier zu ſein und den

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/141>, abgerufen am 22.11.2024.