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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.

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stark gewürzten Wein, den ich bei dir getrunken habe.
Dagegen fällt jeder andre Rausch ab."

Laut sagte ich:

"Ich bin übrigens ganz unschuldig dran, daß ich
mich nicht einmal gehörig verliebe. Es ist sonderbar
genug."

"Das kommt, weil du malst, mein Kind," be¬
merkte die Mutter so resigniert, daß ich anfing zu lachen.

"Nun ja, wenn du nicht maltest, so würdest du
wohl verheiratet sein, -- und ich würde einen kleinen
Enkel haben!" fügte sie etwas verdrießlich hinzu.

Ich nahm sie beim Kopf und küßte sie.

"Ach, beim Malen ist man eigentlich immer etwas
verliebt. -- -- Man malt immer irgend etwas Ver¬
liebtes aus sich heraus, scheint mir. -- -- Aber all das
ist so fein und flüchtig und wunderlich, und heiraten läßt
es sich nicht. Wie schaff ich dir also einen kleinen
Enkel?"

Meine Mutter hatte brummend ihren Kopf frei¬
gemacht, sie seufzte nur, und sah schweigend nach dem
Kaffeetisch. In ihrem heimlichen Innern war sie so froh,
daß wir wieder zusammen dasaßen und unsern Morgen¬
kaffee tranken, daß ihr kein Unsinn, den ich sprach, etwas
anhaben konnte. Manchmal mochte sie allerdings ein wenig
verwirrt werden über das viele, was ich ihr schon vor¬
geredet hatte, und was von ihrer Mutterseele ganz fried¬
lich neben ihren eignen Ansichten und Auffassungen be¬
herbergt und verarbeitet wurde. Mutterboden mag wohl
ein fruchtbarer Boden sein, worauf die verschiedensten
Dinge durcheinander wachsen und gedeihen können, aber

ſtark gewürzten Wein, den ich bei dir getrunken habe.
Dagegen fällt jeder andre Rauſch ab.“

Laut ſagte ich:

„Ich bin übrigens ganz unſchuldig dran, daß ich
mich nicht einmal gehörig verliebe. Es iſt ſonderbar
genug.“

„Das kommt, weil du malſt, mein Kind,“ be¬
merkte die Mutter ſo reſigniert, daß ich anfing zu lachen.

„Nun ja, wenn du nicht malteſt, ſo würdeſt du
wohl verheiratet ſein, — und ich würde einen kleinen
Enkel haben!“ fügte ſie etwas verdrießlich hinzu.

Ich nahm ſie beim Kopf und küßte ſie.

„Ach, beim Malen iſt man eigentlich immer etwas
verliebt. — — Man malt immer irgend etwas Ver¬
liebtes aus ſich heraus, ſcheint mir. — — Aber all das
iſt ſo fein und flüchtig und wunderlich, und heiraten läßt
es ſich nicht. Wie ſchaff ich dir alſo einen kleinen
Enkel?“

Meine Mutter hatte brummend ihren Kopf frei¬
gemacht, ſie ſeufzte nur, und ſah ſchweigend nach dem
Kaffeetiſch. In ihrem heimlichen Innern war ſie ſo froh,
daß wir wieder zuſammen daſaßen und unſern Morgen¬
kaffee tranken, daß ihr kein Unſinn, den ich ſprach, etwas
anhaben konnte. Manchmal mochte ſie allerdings ein wenig
verwirrt werden über das viele, was ich ihr ſchon vor¬
geredet hatte, und was von ihrer Mutterſeele ganz fried¬
lich neben ihren eignen Anſichten und Auffaſſungen be¬
herbergt und verarbeitet wurde. Mutterboden mag wohl
ein fruchtbarer Boden ſein, worauf die verſchiedenſten
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[127/0131] — 127 — ſtark gewürzten Wein, den ich bei dir getrunken habe. Dagegen fällt jeder andre Rauſch ab.“ Laut ſagte ich: „Ich bin übrigens ganz unſchuldig dran, daß ich mich nicht einmal gehörig verliebe. Es iſt ſonderbar genug.“ „Das kommt, weil du malſt, mein Kind,“ be¬ merkte die Mutter ſo reſigniert, daß ich anfing zu lachen. „Nun ja, wenn du nicht malteſt, ſo würdeſt du wohl verheiratet ſein, — und ich würde einen kleinen Enkel haben!“ fügte ſie etwas verdrießlich hinzu. Ich nahm ſie beim Kopf und küßte ſie. „Ach, beim Malen iſt man eigentlich immer etwas verliebt. — — Man malt immer irgend etwas Ver¬ liebtes aus ſich heraus, ſcheint mir. — — Aber all das iſt ſo fein und flüchtig und wunderlich, und heiraten läßt es ſich nicht. Wie ſchaff ich dir alſo einen kleinen Enkel?“ Meine Mutter hatte brummend ihren Kopf frei¬ gemacht, ſie ſeufzte nur, und ſah ſchweigend nach dem Kaffeetiſch. In ihrem heimlichen Innern war ſie ſo froh, daß wir wieder zuſammen daſaßen und unſern Morgen¬ kaffee tranken, daß ihr kein Unſinn, den ich ſprach, etwas anhaben konnte. Manchmal mochte ſie allerdings ein wenig verwirrt werden über das viele, was ich ihr ſchon vor¬ geredet hatte, und was von ihrer Mutterſeele ganz fried¬ lich neben ihren eignen Anſichten und Auffaſſungen be¬ herbergt und verarbeitet wurde. Mutterboden mag wohl ein fruchtbarer Boden ſein, worauf die verſchiedenſten Dinge durcheinander wachſen und gedeihen können, aber

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Zitationshilfe: Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/131>, abgerufen am 24.11.2024.