Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.kleinen Marmortische draußen, die auf dem Trottoir, Max Werner kam neben eine junge Russin zu sitzen, An Fenia fielen ihm nur die intelligenten braunen Aber dieses gradezu blaß gearbeitete, von Geistes¬ Anfangs sprachen sie kaum miteinander, denn im kleinen Marmortiſche draußen, die auf dem Trottoir, Max Werner kam neben eine junge Ruſſin zu ſitzen, An Fenia fielen ihm nur die intelligenten braunen Aber dieſes gradezu blaß gearbeitete, von Geiſtes¬ Anfangs ſprachen ſie kaum miteinander, denn im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="8"/><fw type="pageNum" place="top">— 8 —<lb/></fw>kleinen Marmortiſche draußen, die auf dem Trottoir,<lb/> mitten unter den Paſſanten, an den weitgeöffneten, hell¬<lb/> erleuchteten Fenſtern entlang ſtanden.</p><lb/> <p>Max Werner kam neben eine junge Ruſſin zu ſitzen,<lb/> die er zum erſtenmal ſah, — ihren langklingenden Namen<lb/> überhörte er bei der Vorſtellung, doch wurde ſie von den<lb/> anderen einfach als „Fenia“ oder „Fenitſchka“ angeredet.<lb/> In ihrem ſchwarzen nonnenhaften Kleidchen, das faſt<lb/> drollig unpariſeriſch ihre mittelgroße ganz unauffällige<lb/> Geſtalt umſchloß, und eine beliebte Tracht vieler Züricher<lb/> Studentinnen ſein ſollte, machte ſie zunächſt auf ihn kei¬<lb/> nerlei beſonderen Eindruck. Er muſterte ſie nur näher,<lb/> weil ihn im Grunde alle Frauen ein wenig intereſſierten,<lb/> wenn nicht den Mann, dann mindeſtens den Menſchen<lb/> in ihm, der ſeit einem Jahre doktoriert hatte, und nun<lb/> ein brennendes Verlangen beſaß, in der Welt der Wirk¬<lb/> lichkeit praktiſch Pſychologie zu lernen, ehe er von einem<lb/> Katheder herab welche las: was ihm einſtweilen noch keine<lb/> begehrenswerte Zukunft ſchien.</p><lb/> <p>An Fenia fielen ihm nur die intelligenten braunen<lb/> Augen auf, die jeden Gegenſtand eigentümlich ſeelen-offen<lb/> und klar — und jeden Menſchen wie einen Gegenſtand<lb/> — anſchauten, ſowie der ſlaviſche Schnitt des Geſichtes<lb/> mit der kurzen Naſe: einer von Max Werners Lieblings¬<lb/> naſen, die da vernünftigen Platz zum Kuſſe laſſen, —<lb/> was eine Naſe doch gewiß thun ſoll.</p><lb/> <p>Aber dieſes gradezu blaß gearbeitete, von Geiſtes¬<lb/> anſtrengungen zeugende Geſicht forderte ſo gar nicht zum<lb/> Küſſen auf.</p><lb/> <p>Anfangs ſprachen ſie kaum miteinander, denn im<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0012]
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kleinen Marmortiſche draußen, die auf dem Trottoir,
mitten unter den Paſſanten, an den weitgeöffneten, hell¬
erleuchteten Fenſtern entlang ſtanden.
Max Werner kam neben eine junge Ruſſin zu ſitzen,
die er zum erſtenmal ſah, — ihren langklingenden Namen
überhörte er bei der Vorſtellung, doch wurde ſie von den
anderen einfach als „Fenia“ oder „Fenitſchka“ angeredet.
In ihrem ſchwarzen nonnenhaften Kleidchen, das faſt
drollig unpariſeriſch ihre mittelgroße ganz unauffällige
Geſtalt umſchloß, und eine beliebte Tracht vieler Züricher
Studentinnen ſein ſollte, machte ſie zunächſt auf ihn kei¬
nerlei beſonderen Eindruck. Er muſterte ſie nur näher,
weil ihn im Grunde alle Frauen ein wenig intereſſierten,
wenn nicht den Mann, dann mindeſtens den Menſchen
in ihm, der ſeit einem Jahre doktoriert hatte, und nun
ein brennendes Verlangen beſaß, in der Welt der Wirk¬
lichkeit praktiſch Pſychologie zu lernen, ehe er von einem
Katheder herab welche las: was ihm einſtweilen noch keine
begehrenswerte Zukunft ſchien.
An Fenia fielen ihm nur die intelligenten braunen
Augen auf, die jeden Gegenſtand eigentümlich ſeelen-offen
und klar — und jeden Menſchen wie einen Gegenſtand
— anſchauten, ſowie der ſlaviſche Schnitt des Geſichtes
mit der kurzen Naſe: einer von Max Werners Lieblings¬
naſen, die da vernünftigen Platz zum Kuſſe laſſen, —
was eine Naſe doch gewiß thun ſoll.
Aber dieſes gradezu blaß gearbeitete, von Geiſtes¬
anſtrengungen zeugende Geſicht forderte ſo gar nicht zum
Küſſen auf.
Anfangs ſprachen ſie kaum miteinander, denn im
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