Durch diese gewaltsame Unterordnung unter ihn vermischte sich in meiner Leidenschaft das Süßeste mit dem Schmerzlichsten, fast mit dem Grauen. Das ist ja gewiß nicht der Fall, wo ein Weib schon an sich viel untergeordneter ist als der Mann. Sonst aber kann es zu einer furchtbaren Würze der Liebe werden, zu einer so ungeheuren Aufpeitschung der Nerven, daß das seelische Gleichgewicht notwendig verloren gehen muß.
Oft wenn ich abends schon zur Ruhe gegangen war, hörte ich an den gedämpften Stimmen, die bis zu mir herübertönten, wie Benno und meine Mutter noch lange im Zwiegespräch bei einander blieben. Ich ahnte nicht, was sie miteinander berieten. Ich erfuhr es erst, als ge¬ schah, was endlich geschehen mußte: als Benno unsre Verlobung auflöste.
Seltsamerweise habe ich von diesem entscheidenden Vorgang keine bis in die Einzelheiten präzise Erinnerung behalten. Kaum weiß ich noch, was er mir sagte, -- nur meine eigne Stimme höre ich noch, und wie ich auf¬ schrie in Schmerz und Entsetzen, wie ich niederstürzte vor ihm und die Hände zu ihm aufhob --.
Von jener Stunde aber ging zwingend eine Macht aus, die in meiner Phantasie Bennos Bild übertrieb und fälschte, die ihn hart und grausam, streng und stark bis zur Ueberlebensgröße erscheinen ließ. Konnte es anders sein? Wär er sonst dazu imstande gewesen, mich trotz aller meiner demütigen Bemühungen unwürdig zu befin¬ den und hinwegzustoßen?
Meine Mutter weinte viel, gab ihm jedoch in allen Stücken recht, und reiste mit mir ins Ausland, wo ich
Durch dieſe gewaltſame Unterordnung unter ihn vermiſchte ſich in meiner Leidenſchaft das Süßeſte mit dem Schmerzlichſten, faſt mit dem Grauen. Das iſt ja gewiß nicht der Fall, wo ein Weib ſchon an ſich viel untergeordneter iſt als der Mann. Sonſt aber kann es zu einer furchtbaren Würze der Liebe werden, zu einer ſo ungeheuren Aufpeitſchung der Nerven, daß das ſeeliſche Gleichgewicht notwendig verloren gehen muß.
Oft wenn ich abends ſchon zur Ruhe gegangen war, hörte ich an den gedämpften Stimmen, die bis zu mir herübertönten, wie Benno und meine Mutter noch lange im Zwiegeſpräch bei einander blieben. Ich ahnte nicht, was ſie miteinander berieten. Ich erfuhr es erſt, als ge¬ ſchah, was endlich geſchehen mußte: als Benno unſre Verlobung auflöſte.
Seltſamerweiſe habe ich von dieſem entſcheidenden Vorgang keine bis in die Einzelheiten präziſe Erinnerung behalten. Kaum weiß ich noch, was er mir ſagte, — nur meine eigne Stimme höre ich noch, und wie ich auf¬ ſchrie in Schmerz und Entſetzen, wie ich niederſtürzte vor ihm und die Hände zu ihm aufhob —.
Von jener Stunde aber ging zwingend eine Macht aus, die in meiner Phantaſie Bennos Bild übertrieb und fälſchte, die ihn hart und grauſam, ſtreng und ſtark bis zur Ueberlebensgröße erſcheinen ließ. Konnte es anders ſein? Wär er ſonſt dazu imſtande geweſen, mich trotz aller meiner demütigen Bemühungen unwürdig zu befin¬ den und hinwegzuſtoßen?
Meine Mutter weinte viel, gab ihm jedoch in allen Stücken recht, und reiſte mit mir ins Ausland, wo ich
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Durch dieſe gewaltſame Unterordnung unter ihn
vermiſchte ſich in meiner Leidenſchaft das Süßeſte mit
dem Schmerzlichſten, faſt mit dem Grauen. Das iſt ja
gewiß nicht der Fall, wo ein Weib ſchon an ſich viel
untergeordneter iſt als der Mann. Sonſt aber kann es
zu einer furchtbaren Würze der Liebe werden, zu einer
ſo ungeheuren Aufpeitſchung der Nerven, daß das ſeeliſche
Gleichgewicht notwendig verloren gehen muß.
Oft wenn ich abends ſchon zur Ruhe gegangen war,
hörte ich an den gedämpften Stimmen, die bis zu mir
herübertönten, wie Benno und meine Mutter noch lange
im Zwiegeſpräch bei einander blieben. Ich ahnte nicht,
was ſie miteinander berieten. Ich erfuhr es erſt, als ge¬
ſchah, was endlich geſchehen mußte: als Benno unſre
Verlobung auflöſte.
Seltſamerweiſe habe ich von dieſem entſcheidenden
Vorgang keine bis in die Einzelheiten präziſe Erinnerung
behalten. Kaum weiß ich noch, was er mir ſagte, —
nur meine eigne Stimme höre ich noch, und wie ich auf¬
ſchrie in Schmerz und Entſetzen, wie ich niederſtürzte
vor ihm und die Hände zu ihm aufhob —.
Von jener Stunde aber ging zwingend eine Macht
aus, die in meiner Phantaſie Bennos Bild übertrieb
und fälſchte, die ihn hart und grauſam, ſtreng und ſtark
bis zur Ueberlebensgröße erſcheinen ließ. Konnte es anders
ſein? Wär er ſonſt dazu imſtande geweſen, mich trotz
aller meiner demütigen Bemühungen unwürdig zu befin¬
den und hinwegzuſtoßen?
Meine Mutter weinte viel, gab ihm jedoch in allen
Stücken recht, und reiſte mit mir ins Ausland, wo ich
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Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/118>, abgerufen am 16.02.2025.
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