Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898.glückseligen Klang ihres gedämpften Lachens und mit dem Meine Eltern sah ich immer nur in wahrhaft muster¬ glückſeligen Klang ihres gedämpften Lachens und mit dem Meine Eltern ſah ich immer nur in wahrhaft muſter¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="104"/><fw type="pageNum" place="top">— 104 —<lb/></fw>glückſeligen Klang ihres gedämpften Lachens und mit dem<lb/> Eindruck der brütenden Sonnenwärme um uns. Wer<lb/> will abwägen, wie unendlich zufällig, wie rein äußerlich<lb/> bedingt es vielleicht iſt, wenn mir bei dieſer Erinnerung<lb/> zum erſtenmal ein wunderlicher Schauer über den Rücken<lb/> gelaufen ſein mag? Sind es aber nicht tauſendfach Zu¬<lb/> fälle, die unſer verborgenſtes Leben mit heimlicher Gewalt¬<lb/> thätigkeit durch das prägen, was ſie früh, ganz früh, durch<lb/> unſre Nerven und durch unſre Träume hindurchzittern<lb/> laſſen? Oder liegt es vielleicht noch weiter zurück, und<lb/> zwitſchert uns, ſchon während wir noch in der Wiege<lb/> ſchlummern, ein Vögelchen in unſern Schlaf hinein,<lb/> was wir werden müſſen, und woran wir leiden ſollen?<lb/> Ich weiß es nicht, — vielleicht iſt es auch weder eines<lb/> Zufalls noch eines Wundervögelchens Stimme, die es<lb/> uns zuraunt, ſondern längſt vergangener Jahrhunderte<lb/> Gewohnheiten, längſt verſtorbener Frauen Sklavenſelig¬<lb/> keiten raunen und flüſtern dabei in uns ſelber nach: in<lb/> einer Sprache, die nicht mehr die unſre iſt, und die wir<lb/> nur in einem Traum, einem Schauer, einem Nerven¬<lb/> zittern noch verſtehn —.</p><lb/> <p>Meine Eltern ſah ich immer nur in wahrhaft muſter¬<lb/> hafter Ehe, — in einer jener Ehen, die gewiß ſelten genug<lb/> vorkommen, wo das heranwachſende Kind in ſeiner<lb/> intimen Umgebung faſt nichts wahrnimmt, als wohl¬<lb/> thuende Harmonie ohne Erregungen. Mit dieſer Har¬<lb/> monie verhielt es ſich aber ſo: mein liebes Mütterchen<lb/> that alles, was mein Vater wollte, er aber alles, was<lb/> ich wollte. Seiner urſprünglichen Abſtammung nach<lb/> vielleicht wendiſchen Blutes, war er von beiden der Tem¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0108]
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glückſeligen Klang ihres gedämpften Lachens und mit dem
Eindruck der brütenden Sonnenwärme um uns. Wer
will abwägen, wie unendlich zufällig, wie rein äußerlich
bedingt es vielleicht iſt, wenn mir bei dieſer Erinnerung
zum erſtenmal ein wunderlicher Schauer über den Rücken
gelaufen ſein mag? Sind es aber nicht tauſendfach Zu¬
fälle, die unſer verborgenſtes Leben mit heimlicher Gewalt¬
thätigkeit durch das prägen, was ſie früh, ganz früh, durch
unſre Nerven und durch unſre Träume hindurchzittern
laſſen? Oder liegt es vielleicht noch weiter zurück, und
zwitſchert uns, ſchon während wir noch in der Wiege
ſchlummern, ein Vögelchen in unſern Schlaf hinein,
was wir werden müſſen, und woran wir leiden ſollen?
Ich weiß es nicht, — vielleicht iſt es auch weder eines
Zufalls noch eines Wundervögelchens Stimme, die es
uns zuraunt, ſondern längſt vergangener Jahrhunderte
Gewohnheiten, längſt verſtorbener Frauen Sklavenſelig¬
keiten raunen und flüſtern dabei in uns ſelber nach: in
einer Sprache, die nicht mehr die unſre iſt, und die wir
nur in einem Traum, einem Schauer, einem Nerven¬
zittern noch verſtehn —.
Meine Eltern ſah ich immer nur in wahrhaft muſter¬
hafter Ehe, — in einer jener Ehen, die gewiß ſelten genug
vorkommen, wo das heranwachſende Kind in ſeiner
intimen Umgebung faſt nichts wahrnimmt, als wohl¬
thuende Harmonie ohne Erregungen. Mit dieſer Har¬
monie verhielt es ſich aber ſo: mein liebes Mütterchen
that alles, was mein Vater wollte, er aber alles, was
ich wollte. Seiner urſprünglichen Abſtammung nach
vielleicht wendiſchen Blutes, war er von beiden der Tem¬
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