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Andreas-Salomé, Lou: Die Erotik. In: Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien (Hg. Martin Buber), 33. Band. Frankfurt (Main), 1910.

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Fürsorge füreinander und für die Brut. Sind uns doch sogar Papageien- und Affenarten (leider sollen es gerade die weniger menschenähnlichen sein!) in ihrer monogamischen Veranlagung ganz gründlich "über", und müssen uns doch sowohl Bienen wie Ameisen ebenso verdrießend wie beschämend zu Musterbildern sozialen Instinkts werden, die wir nie auch nur im entferntesten erreichen können.

Einigermaßen ähnlich verhält es sich auch schon mit den stehngebliebenen Rassen, die zeitweise als Paradiesesmenschen angesehn, dann wieder als Antikulturelle mißachtet, trotz Roheit oder Grausamkeit ihrer oft ritual bedingten Sitten, uns daneben dennoch an mancher natürlichen Reinheit, Güte oder Treue übertreffen mögen. Wandelt doch gerade das sexuelle Erleben im wesentlichen das ab, was das primitive Geschöpf gleich uns ausmacht; ist doch, was am Menschen geliebt werden kann, Tiermaterial, unter dem Einfluß sich steigernden Intellekts, und äußert dieser sich doch überall in zwei sehr verschieden wirkenden Richtungen: das gegebene Triebleben sublimierend oder - ruinierend.

Es ruinieren, würde hier heißen, das Sexuale unter hirnbegabten Wesen nicht ihnen entsprechend erleben, - nicht so, daß das Hirn der schließliche unwillkürliche Empfänger immer zusammenfassenderer Erregung ist, sondern selber ein künstlich mißbrauchender Erreger körperlicher Teilgenüsse. Die immer freiere Beweglichkeit des Instinktlebens, endlich die Sprengung der noch tierisch geregelten Brunstzeiten, würde von ihm benutzt, um es desto beliebiger zu zerstücken, zu vereinzelnen, es sozusagen wieder dem minder Belebten, oder Leblosen, anzuähnlichen, das sich zu Stückwerk aufbrauchen läßt, anstatt immer voller empfundener Lebenseinheit, verstärkten, vermählenden Mitfühlens, er

Fürsorge füreinander und für die Brut. Sind uns doch sogar Papageien- und Affenarten (leider sollen es gerade die weniger menschenähnlichen sein!) in ihrer monogamischen Veranlagung ganz gründlich „über“, und müssen uns doch sowohl Bienen wie Ameisen ebenso verdrießend wie beschämend zu Musterbildern sozialen Instinkts werden, die wir nie auch nur im entferntesten erreichen können.

Einigermaßen ähnlich verhält es sich auch schon mit den stehngebliebenen Rassen, die zeitweise als Paradiesesmenschen angesehn, dann wieder als Antikulturelle mißachtet, trotz Roheit oder Grausamkeit ihrer oft ritual bedingten Sitten, uns daneben dennoch an mancher natürlichen Reinheit, Güte oder Treue übertreffen mögen. Wandelt doch gerade das sexuelle Erleben im wesentlichen das ab, was das primitive Geschöpf gleich uns ausmacht; ist doch, was am Menschen geliebt werden kann, Tiermaterial, unter dem Einfluß sich steigernden Intellekts, und äußert dieser sich doch überall in zwei sehr verschieden wirkenden Richtungen: das gegebene Triebleben sublimierend oder – ruinierend.

Es ruinieren, würde hier heißen, das Sexuale unter hirnbegabten Wesen nicht ihnen entsprechend erleben, – nicht so, daß das Hirn der schließliche unwillkürliche Empfänger immer zusammenfassenderer Erregung ist, sondern selber ein künstlich mißbrauchender Erreger körperlicher Teilgenüsse. Die immer freiere Beweglichkeit des Instinktlebens, endlich die Sprengung der noch tierisch geregelten Brunstzeiten, würde von ihm benutzt, um es desto beliebiger zu zerstücken, zu vereinzelnen, es sozusagen wieder dem minder Belebten, oder Leblosen, anzuähnlichen, das sich zu Stückwerk aufbrauchen läßt, anstatt immer voller empfundener Lebenseinheit, verstärkten, vermählenden Mitfühlens, er

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[57/0057] Fürsorge füreinander und für die Brut. Sind uns doch sogar Papageien- und Affenarten (leider sollen es gerade die weniger menschenähnlichen sein!) in ihrer monogamischen Veranlagung ganz gründlich „über“, und müssen uns doch sowohl Bienen wie Ameisen ebenso verdrießend wie beschämend zu Musterbildern sozialen Instinkts werden, die wir nie auch nur im entferntesten erreichen können. Einigermaßen ähnlich verhält es sich auch schon mit den stehngebliebenen Rassen, die zeitweise als Paradiesesmenschen angesehn, dann wieder als Antikulturelle mißachtet, trotz Roheit oder Grausamkeit ihrer oft ritual bedingten Sitten, uns daneben dennoch an mancher natürlichen Reinheit, Güte oder Treue übertreffen mögen. Wandelt doch gerade das sexuelle Erleben im wesentlichen das ab, was das primitive Geschöpf gleich uns ausmacht; ist doch, was am Menschen geliebt werden kann, Tiermaterial, unter dem Einfluß sich steigernden Intellekts, und äußert dieser sich doch überall in zwei sehr verschieden wirkenden Richtungen: das gegebene Triebleben sublimierend oder – ruinierend. Es ruinieren, würde hier heißen, das Sexuale unter hirnbegabten Wesen nicht ihnen entsprechend erleben, – nicht so, daß das Hirn der schließliche unwillkürliche Empfänger immer zusammenfassenderer Erregung ist, sondern selber ein künstlich mißbrauchender Erreger körperlicher Teilgenüsse. Die immer freiere Beweglichkeit des Instinktlebens, endlich die Sprengung der noch tierisch geregelten Brunstzeiten, würde von ihm benutzt, um es desto beliebiger zu zerstücken, zu vereinzelnen, es sozusagen wieder dem minder Belebten, oder Leblosen, anzuähnlichen, das sich zu Stückwerk aufbrauchen läßt, anstatt immer voller empfundener Lebenseinheit, verstärkten, vermählenden Mitfühlens, er

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Zitationshilfe: Andreas-Salomé, Lou: Die Erotik. In: Die Gesellschaft. Sammlung sozialpsychologischer Monographien (Hg. Martin Buber), 33. Band. Frankfurt (Main), 1910, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_erotik_1910/57>, abgerufen am 24.11.2024.