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Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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merung brach allmählich herein -- wie ähnlich, und doch wie verändert!

Die Gespräche im Wagen waren freilich auch diesmal traurig ernster Natur; der Baron mußte dem Fräulein von ihrem Vater und den näheren Umständen seines Endes erzählen; die Dunkelheit verbarg ihre Thränen.

Ziemlich spät am Abend erreichten wir Halberstadt, wo wir in einen ansehnlichen Gasthof einfuhren. Die Baronin, eine noch hübsche Frau von einnehmenden Gesichtszügen, empfing uns und war anfangs über meine Erscheinung nicht wenig erstaunt; aber kaum hatte der Baron meinen Namen genannt, als sich in ihrem Antlitz die freudigste Ueberraschung malte, und sie mich mit der aufrichtigsten Theilnahme als den Retter ihres Gemahls begrüßte.

Ich war nicht sein Retter, gnädige Frau, versetzte ich gerührt; mein ganzes Verdienst beschränkt sich darauf, daß ich nicht sein Verräther werden wollte. Aber der Baron ist heute in der That mein Retter gewesen.

Sie wünschte Aufklärung über die letzte Andeutung; aber ich verschob solche auf eine passendere Zeit.

Nach einem vergnügten Souper, bei welchem der Baron viel von dem Kriege in Rußland und von der furchtbaren Kälte jenes verhängnißvollen Winters daselbst erzählte, während das Knistern und Prasseln in dem geräumigen Windofen zu seinen Schilderungen eine angenehme Begleitung bildete, zogen sich die Damen zurück. Ich wollte mich nun ebenfalls verabschieden; mein tapferer Freund bestand aber darauf, noch einige Flaschen mit mir zu leeren.

Am andern Morgen wollte ich von diesen mir so theuer gewordenen Personen Abschied nehmen, um nach meiner Heimath zu reisen und meiner Mutter das mir wiederfahrene Glück zu verkünden.

Das geht nicht, sagte der Baron; Ihren kind-

merung brach allmählich herein — wie ähnlich, und doch wie verändert!

Die Gespräche im Wagen waren freilich auch diesmal traurig ernster Natur; der Baron mußte dem Fräulein von ihrem Vater und den näheren Umständen seines Endes erzählen; die Dunkelheit verbarg ihre Thränen.

Ziemlich spät am Abend erreichten wir Halberstadt, wo wir in einen ansehnlichen Gasthof einfuhren. Die Baronin, eine noch hübsche Frau von einnehmenden Gesichtszügen, empfing uns und war anfangs über meine Erscheinung nicht wenig erstaunt; aber kaum hatte der Baron meinen Namen genannt, als sich in ihrem Antlitz die freudigste Ueberraschung malte, und sie mich mit der aufrichtigsten Theilnahme als den Retter ihres Gemahls begrüßte.

Ich war nicht sein Retter, gnädige Frau, versetzte ich gerührt; mein ganzes Verdienst beschränkt sich darauf, daß ich nicht sein Verräther werden wollte. Aber der Baron ist heute in der That mein Retter gewesen.

Sie wünschte Aufklärung über die letzte Andeutung; aber ich verschob solche auf eine passendere Zeit.

Nach einem vergnügten Souper, bei welchem der Baron viel von dem Kriege in Rußland und von der furchtbaren Kälte jenes verhängnißvollen Winters daselbst erzählte, während das Knistern und Prasseln in dem geräumigen Windofen zu seinen Schilderungen eine angenehme Begleitung bildete, zogen sich die Damen zurück. Ich wollte mich nun ebenfalls verabschieden; mein tapferer Freund bestand aber darauf, noch einige Flaschen mit mir zu leeren.

Am andern Morgen wollte ich von diesen mir so theuer gewordenen Personen Abschied nehmen, um nach meiner Heimath zu reisen und meiner Mutter das mir wiederfahrene Glück zu verkünden.

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[0075] merung brach allmählich herein — wie ähnlich, und doch wie verändert! Die Gespräche im Wagen waren freilich auch diesmal traurig ernster Natur; der Baron mußte dem Fräulein von ihrem Vater und den näheren Umständen seines Endes erzählen; die Dunkelheit verbarg ihre Thränen. Ziemlich spät am Abend erreichten wir Halberstadt, wo wir in einen ansehnlichen Gasthof einfuhren. Die Baronin, eine noch hübsche Frau von einnehmenden Gesichtszügen, empfing uns und war anfangs über meine Erscheinung nicht wenig erstaunt; aber kaum hatte der Baron meinen Namen genannt, als sich in ihrem Antlitz die freudigste Ueberraschung malte, und sie mich mit der aufrichtigsten Theilnahme als den Retter ihres Gemahls begrüßte. Ich war nicht sein Retter, gnädige Frau, versetzte ich gerührt; mein ganzes Verdienst beschränkt sich darauf, daß ich nicht sein Verräther werden wollte. Aber der Baron ist heute in der That mein Retter gewesen. Sie wünschte Aufklärung über die letzte Andeutung; aber ich verschob solche auf eine passendere Zeit. Nach einem vergnügten Souper, bei welchem der Baron viel von dem Kriege in Rußland und von der furchtbaren Kälte jenes verhängnißvollen Winters daselbst erzählte, während das Knistern und Prasseln in dem geräumigen Windofen zu seinen Schilderungen eine angenehme Begleitung bildete, zogen sich die Damen zurück. Ich wollte mich nun ebenfalls verabschieden; mein tapferer Freund bestand aber darauf, noch einige Flaschen mit mir zu leeren. Am andern Morgen wollte ich von diesen mir so theuer gewordenen Personen Abschied nehmen, um nach meiner Heimath zu reisen und meiner Mutter das mir wiederfahrene Glück zu verkünden. Das geht nicht, sagte der Baron; Ihren kind-

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:28:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:28:07Z)

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Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/75>, abgerufen am 26.04.2024.