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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Körner und Fäden der Zellen.
weniger verdeckter Form, so zahlreich unter den verschiedenen
Zellengattungen, dass wir nicht anzustehen brauchen, einen solchen
Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Kernes und des Körpers
der Zelle als ein weit verbreitetes Vorkommniss anzunehmen.

In vielen anderen Zellen dagegen zeigt sich der Inhalt des
Zellleibes deutlich unabhängig vom Kern und es bleibt oft nur
ein mehr weniger kleiner Theil übrig, dem man überhaupt Be¬
ziehungen zum Kerninhalt zumuthen könnte.

Als prägnantes Beispiel hierfür kann uns der Inhalt der
gestreiften Muskelfaser dienen. Die Fibrillen derselben sind
augenscheinlich unabhängig vom Kern; sie gehen der Längs¬
richtung der Faser parallel, ohne sich um die Gegenwart der
Kerne zu kümmern, höchstens dass sie auf Ihrem sonst grad¬
linigen Wege etwas ausweichen, um demselben und der ihn
umschliessenden spärlichen Substanz einigen Raum zu gönnen.

Da die Fibrillen als lebende Bestandtheile nicht anders ent¬
standen sein können, als aus schon vorhandenen lebenden Ele¬
menten, die in der ursprünglichen Eizelle Ihre Vertreter gehabt
haben dürften, so hat demnach eine Decentralisation des Proto¬
plasmas stattgefunden, deren Endresultat die Fibrillen selbst
präsentiren.

Dieser Begriff der Decentralisation des Protoplasmas
innerhalb der verschiedenen Zellkörper erscheint fast nothwendig,
wenn es sich darum handelt, einige Ordnung in das Verständniss
der verschiedenartigen Zellstructuren zu bringen. Es dürfte nur
wenige Zellengattungen geben, welche von dieser Decentrali¬
sation ganz verschont bleiben; bei den meisten Zellen be¬
obachten wir, dass sie von ihrem Jugendzustande her zu
der fertigen, ihren Functionen entsprechenden Gestaltung Ver¬
änderungen eingehen, welche im Wesentlichen darin bestehen,
dass eine mehr weniger grosse Menge von Elementen ihres In¬
haltes durch Wachsthum und charakteristische Formen sich aus¬
zeichnen und hierdurch sowie durch ihre oft sehr bestimmten
unabhängigen Lagerungsverhältnisse zu erkennen geben, dass
sie wohl den Zellenraum als ihren Mutterboden betrachten, der
sie erzeugt hat, im Uebrigen aber ihre Funktionen relativ un¬
abhängig von demselben erfüllen. Wie in der Muskelfaser, so
erledigen sich solche Vorgänge auch in vielen anderen Zellen,

Altmann, Elementarorganismen. 4

Körner und Fäden der Zellen.
weniger verdeckter Form, so zahlreich unter den verschiedenen
Zellengattungen, dass wir nicht anzustehen brauchen, einen solchen
Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Kernes und des Körpers
der Zelle als ein weit verbreitetes Vorkommniss anzunehmen.

In vielen anderen Zellen dagegen zeigt sich der Inhalt des
Zellleibes deutlich unabhängig vom Kern und es bleibt oft nur
ein mehr weniger kleiner Theil übrig, dem man überhaupt Be¬
ziehungen zum Kerninhalt zumuthen könnte.

Als prägnantes Beispiel hierfür kann uns der Inhalt der
gestreiften Muskelfaser dienen. Die Fibrillen derselben sind
augenscheinlich unabhängig vom Kern; sie gehen der Längs¬
richtung der Faser parallel, ohne sich um die Gegenwart der
Kerne zu kümmern, höchstens dass sie auf Ihrem sonst grad¬
linigen Wege etwas ausweichen, um demselben und der ihn
umschliessenden spärlichen Substanz einigen Raum zu gönnen.

Da die Fibrillen als lebende Bestandtheile nicht anders ent¬
standen sein können, als aus schon vorhandenen lebenden Ele¬
menten, die in der ursprünglichen Eizelle Ihre Vertreter gehabt
haben dürften, so hat demnach eine Decentralisation des Proto¬
plasmas stattgefunden, deren Endresultat die Fibrillen selbst
präsentiren.

Dieser Begriff der Decentralisation des Protoplasmas
innerhalb der verschiedenen Zellkörper erscheint fast nothwendig,
wenn es sich darum handelt, einige Ordnung in das Verständniss
der verschiedenartigen Zellstructuren zu bringen. Es dürfte nur
wenige Zellengattungen geben, welche von dieser Decentrali¬
sation ganz verschont bleiben; bei den meisten Zellen be¬
obachten wir, dass sie von ihrem Jugendzustande her zu
der fertigen, ihren Functionen entsprechenden Gestaltung Ver¬
änderungen eingehen, welche im Wesentlichen darin bestehen,
dass eine mehr weniger grosse Menge von Elementen ihres In¬
haltes durch Wachsthum und charakteristische Formen sich aus¬
zeichnen und hierdurch sowie durch ihre oft sehr bestimmten
unabhängigen Lagerungsverhältnisse zu erkennen geben, dass
sie wohl den Zellenraum als ihren Mutterboden betrachten, der
sie erzeugt hat, im Uebrigen aber ihre Funktionen relativ un¬
abhängig von demselben erfüllen. Wie in der Muskelfaser, so
erledigen sich solche Vorgänge auch in vielen anderen Zellen,

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[49/0065] Körner und Fäden der Zellen. weniger verdeckter Form, so zahlreich unter den verschiedenen Zellengattungen, dass wir nicht anzustehen brauchen, einen solchen Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Kernes und des Körpers der Zelle als ein weit verbreitetes Vorkommniss anzunehmen. In vielen anderen Zellen dagegen zeigt sich der Inhalt des Zellleibes deutlich unabhängig vom Kern und es bleibt oft nur ein mehr weniger kleiner Theil übrig, dem man überhaupt Be¬ ziehungen zum Kerninhalt zumuthen könnte. Als prägnantes Beispiel hierfür kann uns der Inhalt der gestreiften Muskelfaser dienen. Die Fibrillen derselben sind augenscheinlich unabhängig vom Kern; sie gehen der Längs¬ richtung der Faser parallel, ohne sich um die Gegenwart der Kerne zu kümmern, höchstens dass sie auf Ihrem sonst grad¬ linigen Wege etwas ausweichen, um demselben und der ihn umschliessenden spärlichen Substanz einigen Raum zu gönnen. Da die Fibrillen als lebende Bestandtheile nicht anders ent¬ standen sein können, als aus schon vorhandenen lebenden Ele¬ menten, die in der ursprünglichen Eizelle Ihre Vertreter gehabt haben dürften, so hat demnach eine Decentralisation des Proto¬ plasmas stattgefunden, deren Endresultat die Fibrillen selbst präsentiren. Dieser Begriff der Decentralisation des Protoplasmas innerhalb der verschiedenen Zellkörper erscheint fast nothwendig, wenn es sich darum handelt, einige Ordnung in das Verständniss der verschiedenartigen Zellstructuren zu bringen. Es dürfte nur wenige Zellengattungen geben, welche von dieser Decentrali¬ sation ganz verschont bleiben; bei den meisten Zellen be¬ obachten wir, dass sie von ihrem Jugendzustande her zu der fertigen, ihren Functionen entsprechenden Gestaltung Ver¬ änderungen eingehen, welche im Wesentlichen darin bestehen, dass eine mehr weniger grosse Menge von Elementen ihres In¬ haltes durch Wachsthum und charakteristische Formen sich aus¬ zeichnen und hierdurch sowie durch ihre oft sehr bestimmten unabhängigen Lagerungsverhältnisse zu erkennen geben, dass sie wohl den Zellenraum als ihren Mutterboden betrachten, der sie erzeugt hat, im Uebrigen aber ihre Funktionen relativ un¬ abhängig von demselben erfüllen. Wie in der Muskelfaser, so erledigen sich solche Vorgänge auch in vielen anderen Zellen, Altmann, Elementarorganismen. 4

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/65>, abgerufen am 19.03.2024.