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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Die Geschichte der Zellengranula.
sich in den Bemühungen von Heitzmann und Frommann die
ersten Anfänge dafür, die Elemente zu demonstriren, aus denen
sich dasselbe zusammensetzt. Beide kamen sie zu dem Resultat,
dass die Substanz des Protoplasmas in äusserst feinen Netzen
angeordnet sei, dessen Knotenpunkte den Eindruck von Körnchen
machen; hierin sollte das Wesen des protoplasmatischen Baues
bestehen.

Was es mit diesen Netzen meist für eine Bewandtniss hat,
dafür möchte ich nur ein Beispiel anführen. Frommann fand
in den Staubfadenhaaren von Tradescantia ein ausgezeichnetes
Object, um in den Kernen der dort vorhandenen Zellen ein
ausserordentlich regelmässiges feinmaschiges Netzwerk lebend
zu demonstriren. Wenn ich dasselbe Object ebenfalls im frischen
Zustande untersuche, so finde ich, dass dasselbe ausgezeichnet
ist, um die Granulastructur des Kernes im frischen Zustande
zu sehen; das heisst, Frommann hält die Intergranularsubstanz
für das positive Bild, während er die Granula für Lücken an¬
sieht, während ich die Lücken für positive Granula halte, das
Netzwerk aber intergranulär.

Jedenfalls ist dieses Beispiel charakteristisch dafür, dass
gleiche Beobachtungen an lebenden Objecten, deren Sichtbar¬
keit fast immer nur auf Brechungsdifferenzen beruht, leicht zu
entgegengesetzten Folgerungen führen können, besonders da,
wo es sich um die feinsten Formelemente handelt. Die Ent¬
scheidung kann naturgemäss nur durch künstliche Hülfsmittel
gebracht werden (vergl. Tafel VI); wenn es dadurch gelingt an
Stelle der Lücken des Netzwerkes positive Körper mit specifi¬
scher Färbungsreaction nachzuweisen, so ist die Structur gra¬
nulär, das Netzwerk aber intergranulär. Damit soll nicht ge¬
sagt sein, dass nicht auch dem intergranulären Netzwerke noch
eine vielleicht viel feinere Zusammensetzung aus Elementar¬
körperchen zukommt; ja es ist mir dieses nicht unwahrschein¬
lich, wie ich es bereits in meiner Mittheilung über die Structur
des Zellkernes erwähnt habe.

Lebende Objecte geben also nicht nur selten einen sicheren
Anhalt für die Beobachtung der Structur des Protoplasmas,
sondern sie führen auch da, wo sie dieses thun, leicht zu Täu¬
schungen. Da weder Heitzmann noch Frommann künstliche

Die Geschichte der Zellengranula.
sich in den Bemühungen von Heitzmann und Frommann die
ersten Anfänge dafür, die Elemente zu demonstriren, aus denen
sich dasselbe zusammensetzt. Beide kamen sie zu dem Resultat,
dass die Substanz des Protoplasmas in äusserst feinen Netzen
angeordnet sei, dessen Knotenpunkte den Eindruck von Körnchen
machen; hierin sollte das Wesen des protoplasmatischen Baues
bestehen.

Was es mit diesen Netzen meist für eine Bewandtniss hat,
dafür möchte ich nur ein Beispiel anführen. Frommann fand
in den Staubfadenhaaren von Tradescantia ein ausgezeichnetes
Object, um in den Kernen der dort vorhandenen Zellen ein
ausserordentlich regelmässiges feinmaschiges Netzwerk lebend
zu demonstriren. Wenn ich dasselbe Object ebenfalls im frischen
Zustande untersuche, so finde ich, dass dasselbe ausgezeichnet
ist, um die Granulastructur des Kernes im frischen Zustande
zu sehen; das heisst, Frommann hält die Intergranularsubstanz
für das positive Bild, während er die Granula für Lücken an¬
sieht, während ich die Lücken für positive Granula halte, das
Netzwerk aber intergranulär.

Jedenfalls ist dieses Beispiel charakteristisch dafür, dass
gleiche Beobachtungen an lebenden Objecten, deren Sichtbar¬
keit fast immer nur auf Brechungsdifferenzen beruht, leicht zu
entgegengesetzten Folgerungen führen können, besonders da,
wo es sich um die feinsten Formelemente handelt. Die Ent¬
scheidung kann naturgemäss nur durch künstliche Hülfsmittel
gebracht werden (vergl. Tafel VI); wenn es dadurch gelingt an
Stelle der Lücken des Netzwerkes positive Körper mit specifi¬
scher Färbungsreaction nachzuweisen, so ist die Structur gra¬
nulär, das Netzwerk aber intergranulär. Damit soll nicht ge¬
sagt sein, dass nicht auch dem intergranulären Netzwerke noch
eine vielleicht viel feinere Zusammensetzung aus Elementar¬
körperchen zukommt; ja es ist mir dieses nicht unwahrschein¬
lich, wie ich es bereits in meiner Mittheilung über die Structur
des Zellkernes erwähnt habe.

Lebende Objecte geben also nicht nur selten einen sicheren
Anhalt für die Beobachtung der Structur des Protoplasmas,
sondern sie führen auch da, wo sie dieses thun, leicht zu Täu¬
schungen. Da weder Heitzmann noch Frommann künstliche

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[15/0031] Die Geschichte der Zellengranula. sich in den Bemühungen von Heitzmann und Frommann die ersten Anfänge dafür, die Elemente zu demonstriren, aus denen sich dasselbe zusammensetzt. Beide kamen sie zu dem Resultat, dass die Substanz des Protoplasmas in äusserst feinen Netzen angeordnet sei, dessen Knotenpunkte den Eindruck von Körnchen machen; hierin sollte das Wesen des protoplasmatischen Baues bestehen. Was es mit diesen Netzen meist für eine Bewandtniss hat, dafür möchte ich nur ein Beispiel anführen. Frommann fand in den Staubfadenhaaren von Tradescantia ein ausgezeichnetes Object, um in den Kernen der dort vorhandenen Zellen ein ausserordentlich regelmässiges feinmaschiges Netzwerk lebend zu demonstriren. Wenn ich dasselbe Object ebenfalls im frischen Zustande untersuche, so finde ich, dass dasselbe ausgezeichnet ist, um die Granulastructur des Kernes im frischen Zustande zu sehen; das heisst, Frommann hält die Intergranularsubstanz für das positive Bild, während er die Granula für Lücken an¬ sieht, während ich die Lücken für positive Granula halte, das Netzwerk aber intergranulär. Jedenfalls ist dieses Beispiel charakteristisch dafür, dass gleiche Beobachtungen an lebenden Objecten, deren Sichtbar¬ keit fast immer nur auf Brechungsdifferenzen beruht, leicht zu entgegengesetzten Folgerungen führen können, besonders da, wo es sich um die feinsten Formelemente handelt. Die Ent¬ scheidung kann naturgemäss nur durch künstliche Hülfsmittel gebracht werden (vergl. Tafel VI); wenn es dadurch gelingt an Stelle der Lücken des Netzwerkes positive Körper mit specifi¬ scher Färbungsreaction nachzuweisen, so ist die Structur gra¬ nulär, das Netzwerk aber intergranulär. Damit soll nicht ge¬ sagt sein, dass nicht auch dem intergranulären Netzwerke noch eine vielleicht viel feinere Zusammensetzung aus Elementar¬ körperchen zukommt; ja es ist mir dieses nicht unwahrschein¬ lich, wie ich es bereits in meiner Mittheilung über die Structur des Zellkernes erwähnt habe. Lebende Objecte geben also nicht nur selten einen sicheren Anhalt für die Beobachtung der Structur des Protoplasmas, sondern sie führen auch da, wo sie dieses thun, leicht zu Täu¬ schungen. Da weder Heitzmann noch Frommann künstliche

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/31>, abgerufen am 28.03.2024.