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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Die Genese der Zelle.
ist doch ein Umstand, der zu denken giebt.1 Allerdings ist man
hierin bereits zu weit gegangen, indem man in den Begriff des
organisirten Krystalles auch jene aus manchen Eiweisslösungen
sich abscheidenden künstlichen Krystalle hineinzog; der or¬
ganisirte Krystall entsteht nicht durch Abscheidung, er entsteht
nur durch Fortpflanzung schon vorhandener Individuen; auch
seine Organisation wird vererbt, nicht acut erworben, und wir
haben schon früher bei einer anderen Gelegenheit in der Gegen¬
überstellung des geformten und gelösten Fermentes betont,2 dass
mit dem Uebergang eines organisirten Körpers in Lösung auch
seine Organisation aufhört und verloren ist; wird das organisirte
Element gelöst, so wird es auch zersetzt, die Abscheidung eines
organisirten Elementes aus einer Lösung ist daher sehr un¬
wahrscheinlich.

Darum wird es auch schwierig sein, dem Inhalt der or¬
ganisirten Krystalle chemisch näher zu kommen, denn die wich¬
tigsten Aufschlüsse der Chemie lassen sich doch nur durch
Auflösung der zu untersuchenden Substanzen erreichen. Mit
dem geformten Element sich zu beschäftigen, ist daher nur
der Morphologe befähigt. Wenn die morphologischen Reactionen
auch nur zum Theil directe Schlüsse erlauben, so ist doch zu
hoffen, dass wir mit der Zeit durch schärfere Präcision dieser
Methoden auch zu einiger Einsicht über die Substanz des
Bioblasten selbst gelangen werden. Der nicht organisirte
Krystall gilt dem Chemiker als Muster der Reinheit und Ein¬
fachheit einer Substanz; der organisirte Krystall scheint in der
Complicirtheit seiner Zusammensetzung sein eigentliches Wesen
zu haben; ob es jemals gelingen wird, das Gesetz dieser Com¬
plicirtheit zu erkennen, das wissen wir nicht.

Man hat als wesentliche Unterschiede zwischen organisirten
und nicht organisirten Krystallen besonders zwei Eigenschaften
hervorgehoben: die organisirten Krystalle wachsen durch In¬
tussusception, die nicht organisirten durch Apposition; die or¬

1 Ob alle Dotterkrystalloide organisirt sind, wird bestritten; die Lehre
von denselben bedarf jedoch einer gründlichen Revision, da insbesondere von
Seiten der Chemiker hier die Begriffe der organisirten und nicht organi¬
sirten Substanz wenig auseinandergehalten werden.
2 Vergl. meine Abhandlung: Studien über die Zelle. Leipzig, 1886.

Die Genese der Zelle.
ist doch ein Umstand, der zu denken giebt.1 Allerdings ist man
hierin bereits zu weit gegangen, indem man in den Begriff des
organisirten Krystalles auch jene aus manchen Eiweisslösungen
sich abscheidenden künstlichen Krystalle hineinzog; der or¬
ganisirte Krystall entsteht nicht durch Abscheidung, er entsteht
nur durch Fortpflanzung schon vorhandener Individuen; auch
seine Organisation wird vererbt, nicht acut erworben, und wir
haben schon früher bei einer anderen Gelegenheit in der Gegen¬
überstellung des geformten und gelösten Fermentes betont,2 dass
mit dem Uebergang eines organisirten Körpers in Lösung auch
seine Organisation aufhört und verloren ist; wird das organisirte
Element gelöst, so wird es auch zersetzt, die Abscheidung eines
organisirten Elementes aus einer Lösung ist daher sehr un¬
wahrscheinlich.

Darum wird es auch schwierig sein, dem Inhalt der or¬
ganisirten Krystalle chemisch näher zu kommen, denn die wich¬
tigsten Aufschlüsse der Chemie lassen sich doch nur durch
Auflösung der zu untersuchenden Substanzen erreichen. Mit
dem geformten Element sich zu beschäftigen, ist daher nur
der Morphologe befähigt. Wenn die morphologischen Reactionen
auch nur zum Theil directe Schlüsse erlauben, so ist doch zu
hoffen, dass wir mit der Zeit durch schärfere Präcision dieser
Methoden auch zu einiger Einsicht über die Substanz des
Bioblasten selbst gelangen werden. Der nicht organisirte
Krystall gilt dem Chemiker als Muster der Reinheit und Ein¬
fachheit einer Substanz; der organisirte Krystall scheint in der
Complicirtheit seiner Zusammensetzung sein eigentliches Wesen
zu haben; ob es jemals gelingen wird, das Gesetz dieser Com¬
plicirtheit zu erkennen, das wissen wir nicht.

Man hat als wesentliche Unterschiede zwischen organisirten
und nicht organisirten Krystallen besonders zwei Eigenschaften
hervorgehoben: die organisirten Krystalle wachsen durch In¬
tussusception, die nicht organisirten durch Apposition; die or¬

1 Ob alle Dotterkrystalloide organisirt sind, wird bestritten; die Lehre
von denselben bedarf jedoch einer gründlichen Revision, da insbesondere von
Seiten der Chemiker hier die Begriffe der organisirten und nicht organi¬
sirten Substanz wenig auseinandergehalten werden.
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[140/0156] Die Genese der Zelle. ist doch ein Umstand, der zu denken giebt. 1 Allerdings ist man hierin bereits zu weit gegangen, indem man in den Begriff des organisirten Krystalles auch jene aus manchen Eiweisslösungen sich abscheidenden künstlichen Krystalle hineinzog; der or¬ ganisirte Krystall entsteht nicht durch Abscheidung, er entsteht nur durch Fortpflanzung schon vorhandener Individuen; auch seine Organisation wird vererbt, nicht acut erworben, und wir haben schon früher bei einer anderen Gelegenheit in der Gegen¬ überstellung des geformten und gelösten Fermentes betont, 2 dass mit dem Uebergang eines organisirten Körpers in Lösung auch seine Organisation aufhört und verloren ist; wird das organisirte Element gelöst, so wird es auch zersetzt, die Abscheidung eines organisirten Elementes aus einer Lösung ist daher sehr un¬ wahrscheinlich. Darum wird es auch schwierig sein, dem Inhalt der or¬ ganisirten Krystalle chemisch näher zu kommen, denn die wich¬ tigsten Aufschlüsse der Chemie lassen sich doch nur durch Auflösung der zu untersuchenden Substanzen erreichen. Mit dem geformten Element sich zu beschäftigen, ist daher nur der Morphologe befähigt. Wenn die morphologischen Reactionen auch nur zum Theil directe Schlüsse erlauben, so ist doch zu hoffen, dass wir mit der Zeit durch schärfere Präcision dieser Methoden auch zu einiger Einsicht über die Substanz des Bioblasten selbst gelangen werden. Der nicht organisirte Krystall gilt dem Chemiker als Muster der Reinheit und Ein¬ fachheit einer Substanz; der organisirte Krystall scheint in der Complicirtheit seiner Zusammensetzung sein eigentliches Wesen zu haben; ob es jemals gelingen wird, das Gesetz dieser Com¬ plicirtheit zu erkennen, das wissen wir nicht. Man hat als wesentliche Unterschiede zwischen organisirten und nicht organisirten Krystallen besonders zwei Eigenschaften hervorgehoben: die organisirten Krystalle wachsen durch In¬ tussusception, die nicht organisirten durch Apposition; die or¬ 1 Ob alle Dotterkrystalloide organisirt sind, wird bestritten; die Lehre von denselben bedarf jedoch einer gründlichen Revision, da insbesondere von Seiten der Chemiker hier die Begriffe der organisirten und nicht organi¬ sirten Substanz wenig auseinandergehalten werden. 2 Vergl. meine Abhandlung: Studien über die Zelle. Leipzig, 1886.

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/156>, abgerufen am 25.04.2024.