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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Die Genese der Zelle.
tioniren können, wie die Autoblasten auch. Wir kennen aber
die Bedingungen nicht, welche die Zellenelemente für ihre
Existenz nöthig haben. Nicht nur die Regulirung des Sauerstoff¬
zutritts, des Wassergehaltes und eventuell der Temperatur werden
nothwendig sein, sondern noch manche andere Bedingungen,
die wir wohl niemals werden künstlich erzeugen können. Das
Zusammenleben in einem complicirten Organismus dürfte den
Cytoblasten auch complicirte Lebensbedingungen verliehen haben,
die sie von dem Gesammtstoffwechsel und Gesammtleben ihres
Organismus abhängig machen. Wie soll ein Granulum ohne
seine Zelle, eine Zelle ohne ihr Organ und ein Organ ohne den
Organismus bestehen können? Schon bei der Behandlung der
Organe sind die Bedingungen der Existenz so vielfache, dass
wir bis jetzt nur einen geringen Theil derselben übersehen und
künstlich erzeugen können. Allein die Abhängigkeit des Organ-
und Zellenlebens von nervösen Centren ist ein Umstand, der
in der Reihe der Organismen an Einfluss steigend zunimmt,
äusserst merkwürdig für die höheren Organisationen und äusserst
schwierig für den experimentellen Eingriff ist; es wird einmal
von grossem Interesse sein, die Eigenschaften der verschiedenen
Protoplasmen entsprechend der steigenden Grösse dieser Ab¬
hängigkeit zu classificiren. Bei den Pflanzen und den niedersten
Thieren pflegen wir eine solche Abhängigkeit nicht anzunehmen,
und wäre deshalb hier die Möglichkeit einer selbstständigen
Existenz für die Zellengranula noch am ehesten geboten. Ein
principieller Unterschied wird aber gegenüber den Autoblasten
durch die Nichtzüchtbarkeit der Cytoblasten nicht bedingt, und
auch sonst giebt es hier Uebergänge, welche eine Vermittelung
der Gegensätze darbieten. Wenn der Tuberkelbacillus auf pflanz¬
lichem Substrat nicht gedeiht, auf Fleischpeptongelatine nur
kümmerlich fortkommt und erst im Blutserum bei geeigneter
Temperatur gute Entwickelung zeigt, so stört dieses unsere ein¬
heitliche Betrachtung der Autoblasten nicht; warum sollten die
um einige Stufen complicirteren Lebensbedingungen der Cyto¬
blasten für eine solche einheitliche Auffassung ein Hinderniss
sein? Es ist ja gleichgültig, wie lange Perioden es gedauert
hat, bis die Lebensbedingungen der Cytoblasten ihre Complicirt¬
heit erlangt haben; die Unterschiede mögen graduell so gross

Die Genese der Zelle.
tioniren können, wie die Autoblasten auch. Wir kennen aber
die Bedingungen nicht, welche die Zellenelemente für ihre
Existenz nöthig haben. Nicht nur die Regulirung des Sauerstoff¬
zutritts, des Wassergehaltes und eventuell der Temperatur werden
nothwendig sein, sondern noch manche andere Bedingungen,
die wir wohl niemals werden künstlich erzeugen können. Das
Zusammenleben in einem complicirten Organismus dürfte den
Cytoblasten auch complicirte Lebensbedingungen verliehen haben,
die sie von dem Gesammtstoffwechsel und Gesammtleben ihres
Organismus abhängig machen. Wie soll ein Granulum ohne
seine Zelle, eine Zelle ohne ihr Organ und ein Organ ohne den
Organismus bestehen können? Schon bei der Behandlung der
Organe sind die Bedingungen der Existenz so vielfache, dass
wir bis jetzt nur einen geringen Theil derselben übersehen und
künstlich erzeugen können. Allein die Abhängigkeit des Organ-
und Zellenlebens von nervösen Centren ist ein Umstand, der
in der Reihe der Organismen an Einfluss steigend zunimmt,
äusserst merkwürdig für die höheren Organisationen und äusserst
schwierig für den experimentellen Eingriff ist; es wird einmal
von grossem Interesse sein, die Eigenschaften der verschiedenen
Protoplasmen entsprechend der steigenden Grösse dieser Ab¬
hängigkeit zu classificiren. Bei den Pflanzen und den niedersten
Thieren pflegen wir eine solche Abhängigkeit nicht anzunehmen,
und wäre deshalb hier die Möglichkeit einer selbstständigen
Existenz für die Zellengranula noch am ehesten geboten. Ein
principieller Unterschied wird aber gegenüber den Autoblasten
durch die Nichtzüchtbarkeit der Cytoblasten nicht bedingt, und
auch sonst giebt es hier Uebergänge, welche eine Vermittelung
der Gegensätze darbieten. Wenn der Tuberkelbacillus auf pflanz¬
lichem Substrat nicht gedeiht, auf Fleischpeptongelatine nur
kümmerlich fortkommt und erst im Blutserum bei geeigneter
Temperatur gute Entwickelung zeigt, so stört dieses unsere ein¬
heitliche Betrachtung der Autoblasten nicht; warum sollten die
um einige Stufen complicirteren Lebensbedingungen der Cyto¬
blasten für eine solche einheitliche Auffassung ein Hinderniss
sein? Es ist ja gleichgültig, wie lange Perioden es gedauert
hat, bis die Lebensbedingungen der Cytoblasten ihre Complicirt¬
heit erlangt haben; die Unterschiede mögen graduell so gross

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[135/0151] Die Genese der Zelle. tioniren können, wie die Autoblasten auch. Wir kennen aber die Bedingungen nicht, welche die Zellenelemente für ihre Existenz nöthig haben. Nicht nur die Regulirung des Sauerstoff¬ zutritts, des Wassergehaltes und eventuell der Temperatur werden nothwendig sein, sondern noch manche andere Bedingungen, die wir wohl niemals werden künstlich erzeugen können. Das Zusammenleben in einem complicirten Organismus dürfte den Cytoblasten auch complicirte Lebensbedingungen verliehen haben, die sie von dem Gesammtstoffwechsel und Gesammtleben ihres Organismus abhängig machen. Wie soll ein Granulum ohne seine Zelle, eine Zelle ohne ihr Organ und ein Organ ohne den Organismus bestehen können? Schon bei der Behandlung der Organe sind die Bedingungen der Existenz so vielfache, dass wir bis jetzt nur einen geringen Theil derselben übersehen und künstlich erzeugen können. Allein die Abhängigkeit des Organ- und Zellenlebens von nervösen Centren ist ein Umstand, der in der Reihe der Organismen an Einfluss steigend zunimmt, äusserst merkwürdig für die höheren Organisationen und äusserst schwierig für den experimentellen Eingriff ist; es wird einmal von grossem Interesse sein, die Eigenschaften der verschiedenen Protoplasmen entsprechend der steigenden Grösse dieser Ab¬ hängigkeit zu classificiren. Bei den Pflanzen und den niedersten Thieren pflegen wir eine solche Abhängigkeit nicht anzunehmen, und wäre deshalb hier die Möglichkeit einer selbstständigen Existenz für die Zellengranula noch am ehesten geboten. Ein principieller Unterschied wird aber gegenüber den Autoblasten durch die Nichtzüchtbarkeit der Cytoblasten nicht bedingt, und auch sonst giebt es hier Uebergänge, welche eine Vermittelung der Gegensätze darbieten. Wenn der Tuberkelbacillus auf pflanz¬ lichem Substrat nicht gedeiht, auf Fleischpeptongelatine nur kümmerlich fortkommt und erst im Blutserum bei geeigneter Temperatur gute Entwickelung zeigt, so stört dieses unsere ein¬ heitliche Betrachtung der Autoblasten nicht; warum sollten die um einige Stufen complicirteren Lebensbedingungen der Cyto¬ blasten für eine solche einheitliche Auffassung ein Hinderniss sein? Es ist ja gleichgültig, wie lange Perioden es gedauert hat, bis die Lebensbedingungen der Cytoblasten ihre Complicirt¬ heit erlangt haben; die Unterschiede mögen graduell so gross

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/151>, abgerufen am 25.04.2024.